Loderndes Feuer und hetzerische Reden, das verbindet man mit den Novemberprogromen 1938. Fünf Jahre zuvor brannte kein Holz, sondern Bücher. Literatur jeglicher Art, die als „nicht-deutsch“ angesehen wurde. Über diese Bücherverbrennungen zur NS-Zeit hielt am 9. November, dem Datum der Reichspogromnacht, Werner Diefenthal in der Alten Darre in Bad Staffelstein einen Vortrag über die Bücherverbrennungen im Mai 1933.
Organisiert wurde diese Veranstaltung von der Kultur-Initiative Bad Staffelstein, kurz KIS. Zwei Stunden lang hörte ihm der ganze Raum gespannt zu, wie er die geschichtlichen Hintergründe erläuterte. Dabei betonte er mehrmals, dass er weder Geschichtslehrer noch Wissenschaftler sei, sondern ausschließlich geschichtlich sehr interessiert ist.
Vorbote der Gräueltaten
„Dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen“: Mit diesem Zitat von Heinrich Heine aus dem Jahr 1821 eröffnete Diefenthal seinen Vortrag. Denn obwohl das Zitat über 100 Jahre älter ist als die Geschehnisse aus der Reichspogromnacht, könnte es die Ereignisse nicht besser beschreiben. Und so fokussierte sich Werner Diefenthal in seinem Vortrag auf das, was seiner Meinung nach ein Vorbote der späteren nationalsozialistischen Gräueltaten war: die Bücherverbrennungen.
Dazu ging er in die Tiefe, holte weit aus und zeichnete nach, wie es überhaupt zur Machtübernahme Hitlers kommen konnte und wie sich die Ereignisse zuspitzten, bis sie ihren Höhepunkt in den Scheiterhaufen fanden. Detailliert beschrieb er, wie der geistige Boden für Nationalismus und Antisemitismus im 19. Jahrhundert bereitet wurde und welch wichtige Rolle die Universitäten bei der Verbreitung dieses Gedankenguts spielten. Dabei ging er auf Ereignisse wie den Hitlerputsch 1923, die Wahlen 1933 und den Reichstagsbrand im selben Jahr ein, der die Begründung für das Ermächtigungsgesetz lieferte. Auch die Zerschlagung der Opposition und der Gewerkschaften sowie die Gleichschaltung der Medien thematisierte der Referent.
Inspiration für die Studenten
Noch vor der studentischen Aktion „Wider den deutschen Geist“ beziehungsweise parallel dazu randalierten SA, SS und Stahlhelm in Büro- und Arbeitsräumen von Arbeiterparteien, Gewerkschaften und linken Verlagen, warfen Bücher, Zeitungen, Broschüren, Fahnen, Flugblätter, Akten und Möbel aus dem Fenster und verbrannten die Haufen. Gleichzeitig fanden antisemitische Gewaltexzesse statt und ein reichsweiter Judenboykott. Dieser ging aber den faschistischen Studenten nicht weit genug. Sie setzten es sich zum Ziel, den „jüdischen Geist“ auszumerzen. Die Idee einer öffentlichen Bücherverbrennung entwickelt sich.
Kenntnisreich zeichnet Diefenthal die studentische Kampagne nach, die in der Erstellung schwarzer Listen, der Sammlung verfemter Bücher und deren Verbrennung gipfelt. Unter den betroffenen Autoren sind Lion Feuchtwanger und Jacob Wassermann, Bertolt Brecht und Anna Seghers, Egon Erwin Kisch, Arnold Zweig und Erich Maria Remarque. Auf den Index kommen außerdem Heinrich Heine, Frank Wedekind oder Carl Zuckmayer.
Und heute?
Aber auch Parallelen in die heutige Zeit werden gezogen. So nennt er das Beispiel des Pfarrers Greg Locke aus dem US-Bundesstaat Tennessee, der 2022 dazu einlud, „dämonische“ Bücher zu verbrennen. Darunter befanden sich Werke wie „twilight“ von Stephenie Meyer oder auch die „Harry-Potter“-Reihe von J.K. Rowling. Trotz der genannten Beispiele aus dem 21. Jahrhundert verabschiedet sich Diefenthal mit folgendem Satz: „Welche Parallelen Sie dazu in die heutige Zeit ziehen, dass überlasse ich Ihnen.“