Lapidar gesprochen sind Brigitte und Klaus Steiner „steinreich“. Allerdings nicht im übertragenen Sinn sondern wörtlich, wenn es um ihren Besitz an Versteinerungen geht. Seit rund 40 Jahren sammelt das Michelauer Ehepaar Fossilien aus der Jurazeit. Längst hat sich Brigitte Steiner als Autodidakt ein Fachwissen angeeignet, vor dem man nur den Hut ziehen kann.
Als Besucher ist man fasziniert, wenn man vor ihrem Schrank im Wohnzimmer steht, in dem besonders attraktive Stücke präsentiert werden. Kleine Schildchen weisen auf die Artzugehörigkeit der zahlreichen Ammoniten hin: Haugia variabilis, Orthosphinctes tiziani, Garantiana wetzeli. Die lateinischen Gattungs- und Artnamen verraten, wie viel Fleiß und Mühe allein hinter der Bestimmungsarbeit steckt. Dazu kommen Angaben über den Fundort und die jeweilige Juraformation (Gesteinsschicht), aus welcher der Fund stammt. Dies ermöglicht die zeitliche Einordnung der Funde in die Erdgeschichte. Doch nicht nur die verschiedensten Ammoniten kann man bewundern. Dazwischen findet man auch die versteinerten Skelette urzeitlicher Seeigel. Letztere gehören zu den „Lieblingsfossilien“ der Sammlerin. Warum? „Ach, die ham' mer halt gefallen“ entgegnet Brigitte Steiner lachend.
Mit Ameisensäure und Lack
Mit viel Hingabe müssen die Fundstücke aus dem Gestein herauspräpariert werden. Dabei muss das Fossil vom anhaftenden Gestein befreit werden, ohne es zu beschädigen. Die mechanische Präparation geschieht mit einem Druckluftstichel, der sehr fein eingestellt wird. Die Feinarbeit erfolgt durch die Behandlung mit Ameisensäure. Da das Gehäuse der Seeigel glücklicherweise verkieselt ist, wird es von der Säure nicht angegriffen. Abschließend wird das Gehäuse mit verdünntem Lack eingelassen. Auch die exakte Bestimmung der einzelnen Stücke erfordert ein akribisches Vorgehen. Die genaue Artbestimmung ist deshalb so schwierig, weil sich die Arten im Laufe der Erdgeschichte nicht ruckartig, sondern kontinuierlich verändert haben. Selbst die Zuordnung von männlichen zu den weiblichen Organismen ist oft schwierig und kann nur morphologisch anhand der Mündungsfortsätze erfolgen. Natürlich kann ein Anfänger eine solche Bestimmung ohne fremde Hilfe nur schwer fehlerlos leisten. Glücklicherweise gab es von 1981 bis 2005 in der Korbmachergemeinde eine Fossiliengruppe als Untergruppe des Briefmarkensammlervereins, zu der auch Coburger Sammler gehörten. Vor 13 Jahren löste sich die Gruppe auf, da es an Nachwuchs fehlte und zunehmend eine Selbstverwaltung durch die Rechtsaufsicht gefordert wurde.
Ein väterlicher Freund
Viel hat Brigitte Steiner in dieser Zeit von dem inzwischen verstorbenen Arnolf Winkler gelernt, einem versierten Fossilien- und Mineraliensammler. Wo seine umfangreiche Sammlung nach seinem Tod geblieben ist, ist leider nicht bekannt. Er war ein väterlicher Freund mit einem enormen Wissen, insbesondere, wenn es um die Präparation und Bestimmung der gesammelten Stücke geht.
In der Sammlung des Ehepaares Steiner findet man auch die berühmten „Donnerkeile“ oder „Teufelsfinger“, Reste der fossilen Kopffüßer, der Belemniten. Und seitlich in der Vitrine entdeckt man die Versteinerung eines Trilobiten aus Marokko. Den hat Brigitte Steiner eingetauscht. Er gehört damit zu den wenigen Ausnahmen in der umfangreichen Sammlung von etlichen tausend Versteinerungen. 90 Prozent hat das Ehepaar Steiner selbst gesammelt, etwa zehn Prozent unter Sammlerfreunden getauscht. Um die ausufernde Leidenschaft in geordnete Bahnen zu lenken, haben Brigitte Steiner und ihr Ehemann beschlossen, sich auf die Sammlung von Fossilien aus der Jurazeit zu beschränken. Diese Erdepoche umfasst immerhin elf Zeitalter und einem Zeitraum von 57 Millionen Jahren (Beginn vor 200 Millionen Jahren, Ende vor 143 Millionen Jahren).
Nur mit Genehmigung
Entsprechend umfangreich ist die Zahl der Arten, die man finden kann. Wie viele andere Sammler auch haben Brigitte und Klaus Steiner dazu die Felder auf den Hochflächen des Jura abgesucht. Früher war das ganz einfach, heute holen sie vorher die Genehmigung der Grundstücksbesitzer und Bauern ein.
Denn Fossiliensammler sind nicht überall gern gesehen, vor allem nicht, wenn sie, wie bei vielen Laien zu beobachten, in den bestellten Felder herumtrampeln. Ein lohnendes Terrain sind auch die Steinbrüche und Tongruben in der näheren und weiteren Umgebung. Einmal pro Jahr lassen sie sich vom Steinbruchbetreiber die Genehmigung zum Suchen und Sammeln geben. Dass sie dabei größte Rücksicht auf die Abbauarbeiten nehmen, versteht sich von selbst.
Hochinteressant war es für das Ehepaar, als mit dem Bau der ICE-Strecke begonnen wurde. Die umfangreichen Erd- und Tunnelarbeiten (2010 bis 2012) förderten so manches Schätzchen ans Tageslicht. Doch nicht nur in der Region wurde gesammelt. Bis nach Frankreich führte das Ehepaar schon ihre Leidenschaft. Der Urlaub bestand dann aus einer Mischung aus Kultur (Besichtigung der Schlösser an der Loire) und dem Sammeln von Fossilien. Entsprechend viele Erlebnisse und Erinnerungen hängen an den einzelnen Stücken.
Versteinerte Verletzungen
Irgendwie bedauert es Brigitte Steiner, dass die Zahl der Gleichgesinnten immer mehr schrumpft. Heute sind sie weitgehend Einzelkämpfer. Einmal im Monat fahren sie nach Pegnitz, um andere Sammler zu treffen. Dabei ist das Spezialwissen anderer Fachleute von unschätzbarem Wert, etwa, wenn es um pathologische Formen geht, also Fossilien, an denen man erlittene Verletzungen erkennen kann. Solche Schalenverletzungen, die durch Krebse oder urzeitliche Fische verursacht wurden, sind wissenschaftlich hoch interessant. Auch solche Raritäten hat Brigitte Steiner in ihrer Sammlung. Professor Keupp aus Berlin war hier ein wertvoller Helfer bei der Bestimmung.
Wie kommt man eigentlich dazu, sich so intensiv mit Versteinerungen zu beschäftigen, lautet eine der letzten Fragen an Brigitte Steiner. „Eigentlich hätte ich gern Archäologie, speziell Ägyptologie, studiert.“ Doch dafür fehlten einfach die schulischen Voraussetzungen. Zu ihrer Zeit besuchte man als Mädchen eben die Volksschule. Oft war der Gedanke vorherrschend, dass ein Mädchen später eh heiratet. Wozu also dann ein Studium?
Und so vertieft sich Brigitte Steiner heute um so lieber in eine Zeit, als in Oberfranken ein riesiges Tethysmeer das Bild beherrschte, in dem unzählige längst ausgestorbene Lebewesen existierten, deren Schalen und Skelette man heute nur noch als Versteinerungen findet.
Diese Funde sind nicht weniger aufregend als die Erkenntnis, welch profundes Wissen man als Laie anhäufen kann, wenn man für ein Fachgebiet wirklich „brennt“.
„Goldschnecken“ Bei „Goldschnecken“ handelt es sich nicht um Schnecken, sondern um Millionen Jahre alte Ammoniten aus dem Ornatenton. Sie verdanken ihren Namen ihrer goldglänzenden Erhaltung. Die Farbe entsteht durch die Verwitterung. Es gibt sie in der gesamten nördlichen Frankenalb, aber rund um den Staffelberg sind sie am häufigsten. Hier wurden sie bereits in der Bronzezeit gesammelt und als „Sonnenräder“ in Urnengräbern beigelegt. In den 1970-er und 80-er Jahren wurde das Gelände von Fossiliensammlern regelrecht umgepflügt, bis die Naturschutzbehörde der wilden Wühlerei ein Ende machte. Einen regelrechten „Goldrausch in Oberfranken“ gab es beim Bau einer Straße bei Oberlangheim, als nochmals Tausende von Goldschnecken zutage kamen.