Die „Samvardhana Motherson Innovative Autosystems B.V. & Co. KG“ (Smia) wird in den nächsten Monaten 140 Mitarbeiter entlassen, drei Viertel davon aus der Stammbelegschaft: Das ist seit Mittwochnachmittag klar. Betriebsleiter Horst Morgenroth und Personalleiter Jürgen Niemietz haben die betroffenen Arbeitnehmer darüber in zwei Versammlungen in der Betriebskantine informiert. Im Vorfeld hatten der Betriebsrat und die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) mit der Betriebsleitung hart verhandelt.
Gedrückt sei die Stimmung bei den Informationsveranstaltungen gewesen, heißt es aus gut informierten Kreisen. Auch der Betriebsleiter, der im November selbst noch für vier Jahrzehnte im Unternehmen geehrt wurde, habe äußerst geknickt gewirkt. Er sprach von einer seit etwa drei Jahren schlechten Auftragslage und Auftragseingängen, die deutlich niedriger seien als geplant, was zu sinkenden Stückzahlen geführt habe. Darüber hinaus gab es Probleme bei Neuanläufen, also Teilen, die für neue Modelle gefertigt werden.
„Wenn auch für uns als zuständige Gewerkschaft jede einzelne Kündigung schmerzt, stehen wir hinter der getroffenen Maßnahme“
Franz Peter Sichler, IG BCE

Die 140 Mitarbeiter, die die betriebsbedingte Kündigung erhalten, können wählen: Bis zum 22. Mai müssen sie sich entscheiden, ob sie in die Auffanggesellschaft „Train“ wechseln oder bis zur Entlassung bei Smia bleiben wollen. Den Beschäftigten wurde der Abfindungsfaktor 0,4 genannt, 0,1 unter dem Richtwert. Ausbezahlt wird nach der Formel Bruttomonatsgehalt mal 0,4 mal Länge der Betriebszugehörigkeit (in Jahren).
„Sprinterbonus“ für diejenigen, die schnell einen neuen Job finden

Wer zum 1. Juni in die Transfergesellschaft wechselt, bekommt eine Übertrittsprämie vom Unternehmen. Dort werden die Mitarbeiter fit für Bewerbungsgespräche gemacht. „Wer eher einen Job findet als zum Ablaufdatum, der darf sofort wechseln und wird trotzdem mit 40 Prozent vom bisherigen Bruttogehalt weiterbezahlt“, sagt ein Zuhörer der Infoveranstaltung. Zusätzlich zum Gehalt beim neuen Arbeitgeber. Ein so genannter „Sprinterbonus“.
„Aller Ehren wert"
Generell gilt: Mitarbeiter dürfen maximal doppelt so lang in der Transfergesellschaft bleiben wie die Länge der Kündiungsfrist. „So schlimm es für uns ist: Es ist aller Ehren wert, wie das Unternehmen das gestaltet. Es wurde wirklich nach der sozialverträglichsten Lösung gesucht“, meint einer der Betroffenen.
„Wenn auch für uns als zuständige Gewerkschaft jede einzelne Kündigung schmerzt, stehen wir hinter der getroffenen Maßnahme“, nimmt Franz Peter Sichler vom Landesbezirk Bayern der IG BCE Stellung. „Der Auftragsrückgang, der zurzeit alle Automobilzulieferer trifft, war mit Kurzarbeit nicht mehr aufzufangen. Uns war wichtig, dass der Personalabbau eine zukunftsorientierte Betriebsorganisation ermöglicht.“
Standort Michelau soll für Neuentwicklungen vorbereitet sein

Dieser Personalabbau sei kein Sterben auf Raten, der Standort Michelau sei nicht angezählt. „Er wird weiter eine wichtige Rolle in der Unternehmensgruppe spielen und für Neuentwicklungen vorbereitet sein“, ist sich Sichler sicher. „Auch der kürzlich abgeschlossene Haustarif zeigt, dass das Unternehmen an die Zukunft von Michelau glaubt.“
Dieser garantiert 3,5 Prozent mehr Entgelt bei einer Laufzeit von zwölf Monaten, eine Arbeitszeitverkürzung sowie die Verbesserung der tariflichen Altersvorsorge und Englischunterricht für alle Auszubildenden. Sichler leitete die Haustarifverhandlungen und unterstützte den Betriebsrat bei den Verhandlungen zum Interessenausgleich und Sozialplan.
Landrat Christian Meißner bietet seine Mithilfe an
Um die Zukunft der gekündigten Mitarbeiter ist es dem Vertreter der IG BCE nicht bange: „Da es sich bei den Entlassenen um durchgängig qualifizierte Arbeitnehmer handelt, werden viele die Möglichkeit haben, bei Betrieben der Motherson-Gruppe im Ausland oder auch in Meerane (Sachsen) zu arbeiten“, sagt der Landesbezirkssekretär, der den Betrieb seit 2010 betreut. „Nach einer Unterstützung der Werke, die sich im Aufbau befinden, ist eine Rückkehr nicht ausgeschlossen.“

Landrat Christian Meißner hatte diesen Einschnitt personellen schon befürchtet: „Aus verschiedenen Gesprächen mit Unternehmern war mir klar, dass auch ein Unternehmen wie Smia von der Entwicklung im Bereich des Automobilbaus in den vergangenen Monaten betroffen sein kann.“
„Mit Augenmaß vornehmen"
Der Landkreis-Chef fügt hinzu: „Ich gehe davon aus, dass die Verantwortlichen bei Smia die Umstrukturierung mit Augenmaß vornehmen, um zum einen den Bestand des Unternehmens nicht zu gefährden und zum anderen die Betroffenheit der Menschen am Obermain auf ein Minimum zu reduzieren.“ Meißner bietet konstruktive Gespräche mit allen an, „die dazu beitragen können, dass möglichst alle Arbeitsplätze erhalten bleiben. Ich selbst habe in den kommenden Tagen einen bereits länger vereinbarten Gesprächstermin mit der Geschäftsleitung.“
Zweiter Bürgermeister Dirk Rosenbauer erfuhr aus Obermain-Tagblatt von den Plänen
Michelaus Zweiter Bürgermeister war wie vor den Kopf gestoßen, als er aus dem Obermain-Tagblatt von den geplanten Entlassungen bei Smia erfuhr. „Der Verwaltung liegt keine offizielle und bestätigte Information seitens des Unternehmens zur Umstrukturierung vor“, sagt er am Mittwochmorgen. Bekannt war ihm jedoch aus Gesprächen mit der Bevölkerung, dass seit Herbst kurzgearbeitet wurde. „Das Unternehmen Smia ist sehr wichtig für uns und vor allem für unsere Bevölkerung.“
Mit knapp 1800 Mitarbeitern ist es mit Abstand das größte Unternehmen in der Korbmachergemeinde. „Eine größere Umstrukturierung beziehungsweise unternehmerische Entscheidungen werden sicherlich Auswirkungen in allen Bereichen haben.“ Das Unternehmen habe jedoch, so Rosenbauer, in den vergangenen Jahren viel soziales Engagement gezeigt und auch viele Ausbildungsplätze geschaffen, wofür die Gemeinde sehr dankbar sei. „Deshalb hoffen wir auf keine zu drastischen Maßnahmen, die die Mitarbeiter und deren Familien betreffen.“
Fakten zum Automobilzulieferer Smia „Samvardhana Motherson Innovative Autosystems“ (Smia) ist ein Unternehmen der Samvardhana-Motherson-Gruppe, die mit weltweit über 135 000 Beschäftigten nach eigenen Angaben zu den 236 größten Automobilzulieferern zählt. Die SMG-Mitarbeiter sind an 270 Standorten in 41 Ländern der Welt beschäftigt. Neben dem Smia-Hauptwerk in Michelau gibt es auch eine Fertigungsstätte in Mexiko. Smia ist die Nachfolgefirma von „Scherer & Trier“, das 1967 von Andreas Scherer, Georg Scherer und Lothar Trier gegründet wurde. Im Februar 2015 übernahm die indische Samvardhana-Motherson-Group die Geschäfte. Mit rund 1800 Beschäftigten ist Smia der mit Abstand größte Arbeitgeber in der Korbmachergemeinde Michelau und einer der größten im Landkreis Lichtenfels. • Smia produziert mehrheitlich für die internationale Automobilindustrie. Zu den Kunden gehören Daimler und BMW ebenso wie die PSA Group (Citroën, DS, Opel, Peugeot und Vauxhall), gemessen an den Absatzzahlen der zweitgrößte Autobauer Europas, oder auch die VW-Gruppe. Zu den Produkten gehören Bestandteile der Autoinnenräume ebenso wie Kunststoffbauteile der Karosserie, beispielsweise Heckspoiler, Dachleisten oder auch Tankdeckel.