In den Zeiten der Corona-Krise sehnt man sich regelrecht nach Sozialkontakten. Da bleibt momentan leider nur die Erinnerung daran. Eine wunderschöne und vielfältige Art eines Zusammentreffens ist ein Stammtisch.
In Marktzeuln, wo zu Zeiten der Flößer mehrere Gaststätten existierten, gibt es derzeit ungefähr zehn Stammtisch-Gemeinschaften. Wöchentlich oder in größeren Abständen kommen sie zusammen.

Ob jung oder alt, ob Mann oder Frau, ob durch Sport oder Kleinkinder gegründet: Das Angebot der Stammtische in Marktzeuln ist vielfältig. Oft sind es eingeschworene Gemeinschaften mit immer gleichbleibenden Mitgliedern. Die Namensgebung der Stammtische ist humorvoll: „Bettschoner“, „Späte Heimkehr“, „Rodachnixen“ oder „Schlemmerschnecken“.
Letzteren Stammtisch gibt es seit etwa 20 Jahren. Aus der ehemaligen „Mutter-Kind-Gruppe“ heraus entstand der Gedanke, sich doch weiterhin zu treffen. Einmal im Monat ist „Stammtisch“. Das Stammlokal ist das „Bappela“.
Der Wirt hat eine „Schlemmerschnecken-Maaß“ kreiert
Der Wirt, Heiner Christ, kreierte eigens für die Frauen-Gemeinschaft die „Schlemmerschnecken-Maaß“. Es ist ein Geheimrezept, süffig und süß. Zum Geburtstag einer „Schnecke“ wurde das Getränk eigens in einen Fünfliter-Eimer gefüllt und auf die Feier gebracht.
Über den Namen der Gemeinschaft wurde lange beraten. Dazu kam ein Maskottchen. Bei den Treffen steht das Namensschild auf dem Stammtisch.
Es wurden T-Shirts gedruckt, die bei Ausflügen oder Geburtstagsfeiern getragen werden. Durch einen kleinen monatlichen Beitrag, der keinem weh tut, werden Ausflüge finanziert.
Zum runden Geburtstag einer „Schnecke“ gibt es eigens komponiertes Lied, das mit Gitarrenbegleitung vor der ganzen Geburtstagsgesellschaft vorgetragen wird.
Ein lustiger Haufen von Frauen zwischen 45 und 55 Jahren
Die „Schlemmerschnecken“ sind ein lustiger Haufen von insgesamt zwölf Damen. Von 45 bis 55 Jahren reicht das Altersspektrum. Bei den Treffen geht es um die unterschiedlichsten Themen. Kochrezepte, Ausflugstipps, Politik, Kinder und – inzwischen leider auch– Krankheiten. Ganz wichtig natürlich: der Dorftratsch.
Petra Hassel ist eine „Schlemmerschnecke“. Sie findet es erstaunlich, dass die Gemeinschaft nach über 20 Jahren immer noch zusammen ist und trotz der verschiedenen Charaktere immer auf einen Nenner kommt. „Alle haben dieselben kleine Probleme und Sorgen wie ich. Wenn ich vom Stammtisch heimkomme, fühle ich mich besser.“
Auch Claudia Kestel sagt, sie sei erstaunt, dass nach so langer Zeit eine solche Stammtisch-Freundschaft besteht. Man rede über so viele Sachen und helfe sich gegenseitig bei Krankheit oder Problemen mit den Kindern, die inzwischen allerdings fast alle erwachsen sind.

Sie könne vom Alltag abschalten und sehe, dass sie nicht die einzige mit Sorgen oder Problemen ist, sagt Claudiaweiter.
„Schlemmerschnecke“ Christine Hotzelt freut sich ebenfalls immer auf die Treffen. Ob früher mit den Kindern oder jetzt. Ein Knüller sei für sie das gemeinsame Zelten mit Partnern und Kindern am „ Rudufersee“ gewesen.
Ein Besuch in einem Sexshop auf der Reeperbahn war auch schon dabei
„Wir sind eine gute Truppe. Man kann mal was sagen, ohne dass jemand beleidigt ist“, meint sie. Bemerkenswert findet sie, dass es zwar öfter verschiedene Meinungen gibt, man sich letztendlich jedoch einige. „Es ist schön, dass wir zusammen harmonieren und uns so gut verstehen,“ bekräftigt sie.
Sie könne sich an einen besonderen lustigen Abend im örtlichen Wirtshaus erinnern. Damals seien sie von jungen Männern vom Nachbartisch aufgefordert worden, mit ihnen um die Wette zu trinken. Als die „Schnecken“ den unerwarteten Sieg davongetragen hätten, seien die Burschen recht geknickt und ziemlich still gewesen.
Ulrike Naumann ist eine weitere „Schlemmerschnecke“. Sie befürwortet den monatlichen Rhythmus der Treffen. „Falls wir uns wöchentlich treffen würden, wären wir schon lange nicht mehr zusammen,“ vermutet sie.

Bei den „Schlemmerschnecken“ kommt auch die Kultur nicht zu kurz. Die Frauen besuchten zusammen Musicals in Stuttgart und in Hamburg. Zwölf Mädels vom Lande besuchten damals einen Sexshop auf der Reeperbahn: ein unvergleichliches Erlebnis.
In Stuttgart gab es „Mamma Mia“ und die Zeulnerinnen konnten sich dei dem Lied „Durch die Finger rinnt die Zeit“ Tränen nicht verkneifen. Weitere Reisen gingen nach Prag oder zu einer Floßfahrt auf die wilde Rodach. Claudia Kestel gefallen die Ausflüge der „Schlemmnerschnecken“ sehr. „Das ist wie ein kleiner Urlaub“, meint die 46-Jährige.