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SONNEBERG/LICHTENFELS: CHW-Vortrag: Sonneberger Villen als Spiegelbild des Wohlstands

SONNEBERG/LICHTENFELS

CHW-Vortrag: Sonneberger Villen als Spiegelbild des Wohlstands

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    Die 1884 erbaute Villa des Unternehmers Carl Craemer wird heute als Musikschule genutzt.
    Die 1884 erbaute Villa des Unternehmers Carl Craemer wird heute als Musikschule genutzt. Foto: red

    Auch zum Online-Vortrag des Sonneberger Kreisheimatpflegers Thomas Schwämmlein zu dem Thema „Glanz und Elend des Historismus“ konnte der Vorsitzende des über 1800 Mitglieder umfassenden Geschichtsvereins Colloquium Historicum Wirsbergense (CHW), Bezirksheimatpfleger Prof. Dr. Günter Dippold, wieder zahlreiche Interessenten begrüßen, darunter erfreulicherweise auch einige neue Mitglieder.

    Der Historismus habe seine Wurzeln im 19. Jahrhundert gehabt. „Er nahm hier seinen Anfang, erlebte dort seinen Zenit, aber auch seinen Niedergang“, erläuterte Thomas Schwämmlein. Der Historismus bezeichnet in der Kunstgeschichte das Phänomen, bei dem Architekten und Künstler auf Stilrichtungen vergangener Jahrhunderte zurückgriffen.

    Das aufstrebende Großbürgertum baut aus Repräsentationsgründen

    Im 19. Jahrhundert schuf sich das aufstrebende Großbürgertum aus Repräsentationsgründen einzeln stehende, repräsentative Ansitze, nach dem lateinischen Ursprung Villen genannt, meist von Parks und Gärten umgeben oder in angenehmer Wohnlage am Stadtrand oder in regelrechten Villenvierteln platziert. Als prominentes Beispiel nannte der Referent die Villa Hügel der Familie Krupp bei Essen oder in Sonneberg die Villa der Familie Craemer, die heute als Musikschule genutzt wird. Villenbauten setzten eine wirtschaftliche potente Trägerschicht voraus, verbunden mit einer prosperierenden wirtschaftlichen Entwicklung.

    In der Sonneberger Region hatte sich schon in der frühen Neuzeit eine wirtschaftlich mächtige, aber auch kaufmännisch sehr aktive Schicht von Verlagshändlern herausgebildet. Diese Industrialisierung setzte sich auch im 19. Jahrhundert durch eine sehr dezentrale Struktur von meist handwerklich arbeitenden Hausindustriellen fort, vor allem auf dem Gebiet der Spielwarenherstellung.

    „Dadurch ist Sonneberg zu einer Stadt geworden, wo alles klopft, hämmert, sägt, formt, malt, packt, Fakturen schreibt, rechnet, die Weltkonjunkturen erwägt und wo schweres Fuhrwerk die Straßen erschüttert.“

    Sonneberg wurde zur geschäftigen Handelsmetropole, die 1853 Georg Martin Brückner in seiner Landeskunde vortrefflich beschrieb: „Die Seele und belebende Strömung der Stadt ist alleine das Kaufmännische. Dadurch ist Sonneberg zu einer Stadt geworden, wo alles klopft, hämmert, sägt, formt, malt, packt, Fakturen schreibt, rechnet, die Weltkonjunkturen erwägt und wo schweres Fuhrwerk die Straßen erschüttert“.

    Der Sonneberger Kreisheimatpfleger Thomas Schwämmlein referierte über den Historismus in Sonneberg.
    Der Sonneberger Kreisheimatpfleger Thomas Schwämmlein referierte über den Historismus in Sonneberg. Foto: Alfred Thieret

    Mit Beginn des 19. Jahrhunderts setzte sich die Kaufmannschaft sozial vom Gros der Stadtbevölkerung ab, was sich besonders 1818 mit der Gründung der Casinogesellschaft, einem exklusiven Club von Kaufleuten und Spitzenbeamten verdeutlichte.

    Mit Beginn des Historismus änderten sich auch die Familienstrukturen in Sonneberg. Arbeiten und Wohnen fand nun nicht mehr in einem Gebäude statt, das etablierte Bürgertum zog sich jetzt vielmehr in die Kernfamilie zurück und lebte in reinen repräsentativen Wohnhäusern.

    Vom klassizistischen Biedermeier bis bis zur englischen Tudorgotik

    So ließen um 1835 Angehörige der Familie Lindner von dem Architekten Johann Michael Schmidt Villenbauten in Form eines klassizistischen Biedermeiers weit vor der Stadt errichten. 1848/49 errichtete der gleiche Baumeister für den Kaufmann Adolf Fleischmann die nach dessen Frau benannte Villa Amalie im neugotischen, der englischen Tudorgotik angelehnten Stil.

    Spätestens in den 1880-er Jahren hatte jedoch auch im Sonneberger Raum die Neurenaissance und andere Neostile die Neugotik abgelöst. Die am Ortsrand befindlichen und von größeren Parkanlagen umgebenen Villen für die Familien Heubach und Marseille, die im damals noch selbständigen Köppelsdorf größere Porzellanfabriken betrieben, entsprachen den großbürgerlichen Repräsentationsbedürfnissen.

    Als Architekt wird Albert Schmidt, der Sohn von Johann Michael Schmidt, vermutet, der einen Großteil der historischen Villenbauten des Sonneberger Großbürgertums Ende des 19. Jahrhunderts schuf. Aber auch im Raum München machte er sich einen Namen mit dem Bau von Kirchen, Villen, Schlössern und Schulen. Auch in Sonneberg wurde Schmidt durch seine Schulbauten bekannt, schließlich errichtete er die Marktschule im Stadtteil Oberlind (1890/91), die heutige Lohaus-Schule (1905/06) sowie als hervorstechendste Bauten die Industrieschule (1900/01), das heutige Spielzeugmuseum, und die benachbarte Handelsschule (1910).

    Wohnwelten, die gut sichtbar, aber auch gut abgeschirmt waren

    Der gefragte Architekt schuf für seine Auftraggeber Wohnwelten, die deren Ansprüchen an Repräsentation genügten und zugleich die Möglichkeit boten in einer von außen abgeschirmten Welt zu leben. Die Villen waren weithin sichtbar – sehr oft in Sichtachse zum jeweiligen Unternehmen – platziert, aber auch durch eine Parkanlage abgeschirmt.

    Die von 1883 bis 1885 erbaute Villa des Porzellanfabrikanten Carl Günther Schoenau ist auch als Hüttensteinacher Schloss bekannt.
    Die von 1883 bis 1885 erbaute Villa des Porzellanfabrikanten Carl Günther Schoenau ist auch als Hüttensteinacher Schloss bekannt. Foto: red

    Zwei Villenbauten rückte der Referent besonders in den Fokus. Zwischen 1883 und 1885 entstand am Spitzberg, hoch über dem Steinachtal, in Hüttensteinach nach Plänen von Albert Schmidt eine Villa für den Porzellanfabrikanten Carl Günther Schoenau. Das bis heute als „Hüttensteinacher Schloss“ bezeichnete Bauwerk erforderte bei der Erstellung einen hohen technischen Aufwand und musste regelrecht in den Felsen hinein gesprengt werden. Das Gebäude in den Formen der Neurenaissance war bekrönt von einem Dachreiter mit Glocke.

    Für den Innenbereich der Villa lieferte Albert Schmidt nicht nur detaillierte Entwürfe, sondern auch Mobiliar und Öfen, die in den Münchner Werkstätten des Unternehmers entstanden. Er setzte auch hier historische Bauformen zu einer neuen Architektur um. In Anlehnung an Renaissance-Vorbilder rückte man das Familienwappen als farbiges Glasbild in den Vordergrund.

    Gliederung nach innerfamiliärer Hierarchie

    Ähnlich verhielt es sich mit der Villa des aus Nürnberg stammenden Unternehmers Carl Craemer, der 1881 Teilhaber des etablierten Spielwarenbetriebs von Adolf Fleischmann wurde. Auch diese 1884 in dominanter Lage am Stadtrand errichtete Villa hatte schlossähnlichen Charakter. Dabei entsprach die räumliche Gliederung mit einem großen Familienzimmer mit Apsis und höherer Raumhöhe, dem folgenden Obergeschoss mit Veranda und dem Dachgeschoss mit Zimmern für Kinder und Dienstboten der innerfamiliären Hierarchie. Auch hier ließen mehrere Rundfenster mit Glasgemälden Rückgriffe auf die Renaissance erkennen.

    Bei der 1902 entstandenen Villa von Elisa Quastenberg ist bereits der Einfluss des Jugendstils erkennbar.
    Bei der 1902 entstandenen Villa von Elisa Quastenberg ist bereits der Einfluss des Jugendstils erkennbar. Foto: red

    Mit der Wende zum 20. Jahrhundert war der Historismus zunehmend kraftlos geworden. Er vermochte der Architektur keine neuen Impulse mehr zu geben, so dass der um 1900 aufkommende Jugendstil größeren Einfluss gewann, wie Thomas Schwämmlein feststellte. Dies verdeutlichte er an den Gebäuden, die 1902 für die aus einer Fabrikantenfamilie stammende Elisa Quastenberg und 1913 für den Brauereibesitzer Franz Heinz in Schalkau (Landkreis Sonneberg) errichtet wurden.

    Abschließend stellte der Referent anerkennend fest, dass der Erhalt vieler Villen in Sonneberg vor allem dem privaten Engagement, aber auch der Denkmalpflege und der Stadtplanung zu verdanken sei.

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