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MICHELAU: CHW-Vortrag über das Reisen um 1800 in Michelau

MICHELAU

CHW-Vortrag über das Reisen um 1800 in Michelau

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    Eine Postkutsche machte am 15. Oktober 1929 das letzte Mal Station in Marktzeuln. Fotos: Heinz Fischer
    Eine Postkutsche machte am 15. Oktober 1929 das letzte Mal Station in Marktzeuln. Fotos: Heinz Fischer

    Über das Reisen um 1800 berichtete Professor Günter Dippold beim zweiten Vortrag des Colloquim Historicum Wirsbergense im Korbmuseum Michelau. CHW-Bezirksgruppenleiter Thilo Hanft begrüßte eine große Anzahl interessierter Besucher.

    „Reisen nützet viel“, dieses Zitat von Jean Paul bezieht sich auf die der Bildung dienende, nicht auf die geschäftliche Reise, begann Dippold seine Ausführungen. Aber auch das Reisen zum Handel war nützlich, so machten sich Menschen um 1800 mit vielerlei Gütern auf Handelsreisen. Korbmacher vom Obermain zogen mit hochbepackten Schubkarren bis nach Norddeutschland und Schlesien. Fuhrleute kamen weit herum und die Flößer aus dem Frankenwald brachten Holz an die Baustellen am Main und sogar bis zum Rhein. Umgekehrt kamen welsche (italienische) Händler, um Südfrüchte und Galanteriewaren anzubieten.

    Doch viel mehr ging es Professor Dippold um das Reisen zum ideellen Nutzen und zur Bildung. So war es seit dem 16. Jahrhundert gängig, dass Adelige ihre Söhne auf eine Tour durch ganz Europa schickten, soweit der Geldbeutel des Vaters dies zuließ. Auch Handwerksgesellen gingen nach abgeschlossener Lehre über Jahre auf Wanderschaft, um sich Wissen anzueignen. Außerdem gab es auch ein neues Reisemotiv: Die mit Forscherblick durchgeführte Bildungsreise. Gegenargument war, dass dadurch Geld ins Ausland transferiert werde, doch sollten „Geschmack, Kenntnisse und Talente“, die zurückkämen, dies bei weitem aufwiegen. So war das späte 18. Jahrhundert die große Zeit der Reisebeschreibungen. Beobachtend und zielgerichtet zu reisen fand man also gut, schlecht war es, einfach in den Tag hinein zu reisen.

    Anstrengende Fußmärsche

    Eine verbreitete Reiseform dieser Zeit war die Wallfahrt. Neben dem geistlichen Motiv war es auch das Fernweh, das die Menschen dazu brachte zu pilgern. 1803 wurde das Wallfahren vom bischöflichen Ordinariat untersagt, „da durch Prozessionen, die eine oder gar mehrere Nächte ausblieben, in Moralischen Hinsichten oft mehr Nachteiliges als Gutes gestiftet wird“. So resümierte der Referent, dass Reisen nicht per se gut war, vielmehr kam es auf das Motiv an.

    Über das Reisen um 1800 referiert Professor Günter Dippold im Korbmuseum Michelau
    Über das Reisen um 1800 referiert Professor Günter Dippold im Korbmuseum Michelau

    Wie reiste man damals? Man konnte zu Fuß gehen, dies war aber anstrengend und hatte man Gepäck, so brauchte man einen Träger, der zugleich als Wegführer diente, aber Geld kostete. Komfortabler war die Reise mit regelmäßig verkehrenden Postkutschen. Sie waren eine Neuerung des 17. oder auch erst des 18. Jahrhunderts. Sie beförderten Briefe, Pakete und Reisende. Zu- und aussteigen konnte man nur an den Posthaltereien, die etwa 15 bis 30 Kilometer auseinander lagen. Wollte man unabhängig vom Fahrplan sein, konnte man sich eine „Extrapost“ mieten, also Kutsche, Pferde und Postillion zur freien Verfügung.

    Die Streckenleistung der Kutschen hing nicht nur von der Witterung und den Lichtverhältnissen, sondern auch vom Straßenzustand ab, der zuweilen sehr zu wünschen übrig ließ. Erst im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts wurden Wege zu sogenannten Chausseen ausgebaut, mit gewölbter Decke und Gräben zu beiden Seiten. So ging die Fahrt wesentlich schneller und komfortabler vonstatten. Doch ohne Gefahren waren die Reisen nicht. So tat man gut daran, einen Kutscher mit Ortskenntnissen zu mieten, ansonsten konnte man leicht in die Irre geraten. Auf die Auskünfte der Einheimischen, speziell im Oberfränkischen, konnte man sich da nicht immer verlassen.

    Straßen bringen Leben und Geld

    Straßen brachten Leben und Geld in die Gegend. Wirte, Bäcker, Metzger, Wagner, Seiler und Flickschuster profitierten von den Reisenden. Eine untergeordnete Rolle spielte da die Schifffahrt, sie war zu langwierig. So dauerte eine Schiffsreise von Bamberg nach Frankfurt acht bis sechzehn Tage. Teuer war das Reisen mit Kutsche allemal. So kostete eine Fahrt von Bamberg nach Erlangen zweieinhalb Gulden, was den Gegenwert von 60 Maß Bier entsprach.

    Verständlich, dass die meisten Menschen die fußläufige Variante vorzogen, auch wenn dies sehr beschwerlich war.

    Danke sagt Museumsleiterin Ariane Schmiedmann mit einer Flasche Sekt für den Referenten.
    Danke sagt Museumsleiterin Ariane Schmiedmann mit einer Flasche Sekt für den Referenten. Foto: Heinz Fischer

    Dies tat auch der Schriftsteller Jean Paul, so lief er im Winter 1796 von Hof nach Bayreuth. „Um Siebeneinviertel ging ich in Hof um Sechsdreiviertel kam ich hier an, müder als ein Hund“, zitierte Günter Dippold den berühmten Wanderer. War man zu Fuß über längere Strecken unterwegs, musste auch häufig übernachtet werden. Auch hier gab es große Unterschiede, vom bequemen Hotelbett bis zur Nächtigung auf dem Boden der Gaststube oder mit vielen anderen Gästen in der Scheune. Wallfahrer schliefen bisweilen in der Kirche am Gnadenort.

    Revolution der Eisenbahn

    Der Überblick von Professor Dippold über das Reisen um 1800 machte deutlich, wie revolutionär eine Generation später das neue Verkehrsmittel „Eisenbahn“ wirkte. Es verbilligte und beschleunigte das Reisen und verbannte die Postkutschen auf unrentable Nebenstrecken. Aber auch hier kam bald der Garaus für dieses altmodische Verkehrsmittel.

    Am Ende seiner Ausführungen zitierte er aus einem Gedicht von Matthias Claudius: „Wenn einer eine Reise thut, so kann er was verzählen; drum nahm ich meinen Stock und Hut und thät das Reisen wählen.“ Mit viel Applaus dankten die Zuhörer dem Referenten. Es entspann sich noch eine lebhafte Diskussion über das Thema. Auch die Möglichkeit zum Besuch der Sonderausstellung „Rumgekommen“ wurde gerne in Anspruch genommen.

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