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MICHELAU: CHW-Vortrag zu 100 Jahre Angerturnhalle Michelau

MICHELAU

CHW-Vortrag zu 100 Jahre Angerturnhalle Michelau

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    Heimatforscher Ernst Schmidt referierte über die 100 Jahre alte Angerturnhalle.
    Heimatforscher Ernst Schmidt referierte über die 100 Jahre alte Angerturnhalle. Foto: Heinz Fischer

    Thilo Hanft vom Colloquium Historicum Wirsbergense (CHW) begrüßte im Mehrgenerationenhaus in Michelau eine stattliche Anzahl Besucher. Thema war das 100-jährige Bestehen der Angerturnhalle. Dazu hatte er beim Heimatforscher Ernst Schmidt angefragt, ob dieser für einen Vortrag über das Bauwerk zur Verfügung stünde. „Dou hou ich wos“, war die Antwort von Schmidt.

    Untrennbar mit der Angerturnhalle sei der Michelauer Turnverein verbunden, betonte der Referent. Die Gründung eines Turnvereins um die Mitte des 19. Jahrhunderts kam dem Bestreben nach Bewegung und sportlicher Betätigung entgegen. So schlug am 12. April 1862 mit 15 Gründungsmitgliedern die Geburtsstunde des „Turnverein 1862 Michelau“.

    Zuerst nur Turnplatz im Freien

    Als Turnplatz diente zunächst ein Grundstück an der Ostseite des neu errichteten Saalbaus von Lorenz Spitzenpfeil, dem „Bastl“ in der Alten Poststraße. Die Turner kauften für 950 Mark eine Fläche von 50 Dezimalen, also etwa 1700 Quadratmetern Größe. Spitzenpfeil errichtete auf diesem Gelände eine Remise als Abstellraum für die Turngeräte. Neben den Kokosmatten und einem Sprungbrett waren inzwischen ein Pferd, ein Reck und ein Barren vorhanden.

    Den Wunsch nach einer eigenen Turnhalle machte der Ausbruch des Ersten Weltkrieges vorerst zunichte. Doch schon 1920 wollte man den Wunsch nach einer Turnhalle verwirklichen. 1921 wird in der Vereinschronik berichtet, dass Spenden der Vereinsgründer und Zuwendungen von Jubilaren einen Grundstock von 1515 Mark erbracht haben, der durch Mitglieder-Spenden auf 6000 Mark aufgestockt werden konnte.

    Gemeinde unterstützt

    Die Gemeindeverwaltung beschloss 1922, dem Turnverein für den geplanten Bau unentgeltlich ein Grundstück am Anger zur Verfügung zu stellen. Als Gegenleistung sollte die Schuljugend Saal und Geräte benutzen können. Die Fläche, die dem Turnverein zur Verfügung stand, betrug 2020 Quadratmeter.

    Nun begann das große Bauen, Erdaushub, Transport der Baumaterialien und Handlangerdienste für die Bauhandwerker, viel davon in Eigenleistung. Adam und Heinrich Schardt, Eigentümer einer großen Parzelle am Krappenberg, stellten die rohen Sandsteinquader aus ihrem Steinbruch kostenlos zur Verfügung. Bei einem Waldfest wurde der Steinbruch als Kulisse für eine Benefiz-Veranstaltung mit Turn- und Musikeinlagen genutzt.

    Ein Zeitungsbericht von 1924 zeigt, wie sich die Turnvereine aus Küps und Schney mit Turnabenden und Theateraufführungen zugunsten des Michelauer Hallenbaues einsetzten. Der Turnverein zählte inzwischen mehr als 320 Mitglieder. Unterstützt von vielen freiwilligen Helfern, gelang es, 1924 Richtfest zu feiern.

    Eröffnungsfest 1925

    Unter großer Beteiligung befreundeter Vereine wurde 1925 die Halle eröffnet. Wettkämpfe und Gymnastikvorführungen auf dem Anger umrahmten die Festlichkeiten. Schon während der Bauphase war eine Bierkonzession für die Halle beantragt und für zunächst 60 Tage im Jahr erteilt worden. 1929, als die Konzession auf 180 Tage pro Jahr erhöht wurde, schlug die Geburtsstunde des „dritten Stocks“ der Turnhalle. Wie dieser Wirtschaftsraum zu seinen Namen gekommen ist, weiß heute vermutlich niemand mehr, denn er befindet sich im zweiten Obergeschoss.

    Mit einem großen Fest wurde 1925 die fertiggestellte Angerturnhalle eingeweiht.
    Mit einem großen Fest wurde 1925 die fertiggestellte Angerturnhalle eingeweiht. Foto: Heinz Fischer

    Quer durch alle Altersgruppen wurde in dieser Zeit geturnt. Die Bestrebung nach „Gleichschaltung“ der Vereine nach 1933 hatte kaum Einfluss auf die Aktivitäten der Michelauer Turner. Lediglich der Vorsitzende des Vereins bekam einen neuen Titel, er war nun der „Vereinsführer“. Auf Anordnung der politischen Führung vor Ort musste im Verein eine Wehrsportgruppe gebildet werden. Im September 1933 fand ein Wehrsportkampftag statt, mit Vorführungen einer Motorradstaffel am Sportplatz.

    Aufmärsche der NSDAP

    Nicht zu übersehen waren in diesen schrecklichen Jahren die Aktionen der NSDAP auf dem Platz und in der Halle. Hier fanden Aufmärsche statt, hier präsentierte sich die örtliche Parteiprominenz. Der Beginn des Zweiten Weltkrieges 1939 bedeutete jedoch das vorläufige Aus für den Turnbetrieb.

    Die Halle wurde in diesen dunklen Zeiten für politische Versammlungen sowie Essensverteilungen an Kinder und bedürftige Familien genutzt. Nach dem Einmarsch der Amerikaner diente sie der Unterbringung der Besatzungssoldaten.

    In desolatem Zustand

    Im Mai 1946 wurde erstmals nach Kriegsende wieder eine Versammlung der Turnvereinsführung abgehalten. Dabei stellte man fest, dass die Halle in einem desolaten Zustand war. Die Militärregierung gab sie endlich frei und überwies dem Turnverein 4182 Mark als Miete für die Benutzung durch die amerikanischen Soldaten. Nun ging es mit neuen Elan an die Instandsetzung, damit wieder geturnt und Veranstaltungen abgehalten werden konnten. So gab es diverse Tanz- und Kirchweihveranstaltungen, Fernsehstars traten auf, und auch Politiker nutzten die Halle für ihre Wahlkampfauftritte. Damit wurde der Unterhalt der Halle und die Anschaffung neuer Turngeräte gestemmt.

    Stammtisch altgedienter TV-Mitglieder im sogenannten „dritten Stock“ der Angerturnhalle.
    Stammtisch altgedienter TV-Mitglieder im sogenannten „dritten Stock“ der Angerturnhalle. Foto: Heinz Fischer

    Ab 1958 glich das Gebäude innen und außen wieder einer Großbaustelle. Der Eingang, der bisher zur Angerseite zeigte, wurde Richtung Osten verlegt. Mit viel Eigenleistung der Vereinsmitglieder wurden die Galerien der Saalfläche entfernt und ein sportgerechter Schwingboden eingebracht. Die oberen Galerien bekamen eine Verkleidung und die hohe Rundbogendecke wurde abgehängt, um Heizkosten zu sparen. Die Neueröffnung der Halle 1959 und drei Jahre später das 100-jährige Bestehen des Vereins wurden gebührend gefeiert.

    „Dritter Stock“ kommt weg

    Zeitgerecht umgebaut wurden die Obergeschosse der Halle in den folgenden Jahren. Der Wirtschaftsraum „dritter Stock“ hatte ausgedient. Ein Stockwerk darunter entstand ein großer Gastraum mit Küche, wo nach einigen Pächterwechseln Siggi Sockel als Turnhallenwirt ein Vierteljahrhundert lang seine Gäste bediente.

    Im neuen Glanz erstrahlt die Angerturnhalle im Jubiläumsjahr 2024.
    Im neuen Glanz erstrahlt die Angerturnhalle im Jubiläumsjahr 2024. Foto: Heinz Fischer

    So erfreulich diese Veranstaltungen in der Halle für die Finanzen des Vereines waren, so unerfreulich war, wie die Fachleute in den nächsten Jahren bis 2012 den Zustand der Halle beurteilten. Die Heizungsanlage, der Schankraum und die sanitären Anlagen mussten aufgerüstet werden. Der Parkett-Belag des Hallenbodens musste total erneuert werden. Die mittlerweile mehr als 700 Mitglieder bewältigten die Probleme auch dieses Mal gemeinsam. So wurde mit großem Erfolg das 150-jährige Bestehen des Vereins gefeiert.

    Dach ist wieder dicht

    Die bisher letzte große Sanierung folgte 2023. Das inzwischen undichte Dach wurde mit einem Kostenaufwand von etwa 175.000 Euro neu eingedeckt, ein Spendenaufruf erbrachte den stolzen Betrag von 25.000 Euro.

    Anger und Turnhalle waren in all den Jahren immer wieder Zentrum des Ortsgeschehens. Die alljährlichen Faschingsumzüge starten und enden hier. Kinderfasching in der Halle und Après-Ski-Party davor werden vom Turnverein organisiert. Für die unterschiedlichsten Veranstaltungen wurden und werden die Räume genutzt.

    Am Ende seines Berichts gab es viel Applaus für Ernst Schmidt. Thilo Hanft hatte auch ein Präsent für den umtriebigen Heimatforscher parat. Der Vorsitzende des Turnvereins, Clemens Weisser, stellte eine Wiederholung des Vortrags am 22. März in der Angerturnhalle in Aussicht.

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