Michelau Es sind Hörschnipsel, manche gerade mal eine halbe Minute lang, manche zwei, ein langer dann schon fünf. Sie heißen „Lamedda“, „Weihnachdsschnia“ oder „Apfend“. Kleine Geschichten, Gedichte oder Erinnerungen im Michelauer Dialekt, vorgetragen von „Michlaare Originalen“. Jeden Dezembertag bis zum 24. kam eins dazu auf den YouTube-, Facebook- und Instagram-Kanälen der CSU Michelau.
Ein ganz besonderer Adventskalender, den sich die Christsozialen in der Korbmachergemeinde haben einfallen lassen und von dem sie sich gar nicht viel erwartet haben, wie Fraktionsvorsitzende und Initiatorin Judith May erzählt. Jetzt, da das letzte Türchen geöffnet wird, zieht sie fürs Obermain-Tagblatt Bilanz.
Frage: Frau Dr. May, wie kam es zu dieser Idee?
Dr. Judith May: Die Idee hatte ich schon im letzten Jahr um die Weihnachtszeit. Genauer, als ich zwei Damen habe sich im breitesten Dialekt unterhalten hören. Davon habe ich manche Wörter gar nicht verstanden, was ich sehr schade fand. Dann dachte ich, dass die Kinder diesen Dialekt wahrscheinlich gar nicht mehr lernen und auch immer weniger hören. So kam mir die Idee, kleine Geschichten aufzuzeichnen und für die Ewigkeit festzuhalten. Es war Weihnachten, also in Form eines Adventskalenders. Letztes Jahr war dann einfach zu kurzfristig, so dass wir es auf dieses Jahr verschoben haben. Mit Hans Borchert, Dirk Fischer, Renate und Luca Rosenbauer habe ich dann schnell Mitstreiter gefunden, ohne die das Projekt niemals möglich gewesen wäre.
Wieviel Arbeit steckt drin?

May: Im Endeffekt sehr viel, aber verteilt auf mehrere Schultern. Ich habe schon im August begonnen, erste Geschichten zu suchen, und schon im September hat Renate Rosenbauer die ersten Geschichten übersetzt. Man höre und staune, es ist quasi unmöglich, einen hochdeutschen Text im Dialekt zu lesen, deswegen benötigten wir Renate als Übersetzerin, die sich im Verlauf für dieses Projekt unersetzlich gemacht hat und nicht müde wurde, weitere Geschichten zu suchen, zu finden und zu übersetzen.
Mit Hans Borchert zusammen haben wir dann den weiteren Ablauf besprochen, Personen, die wir für geeignet hielten, angesprochen und Geschichten verteilt. In der Summe waren wir dabei schon wieder so spät dran, dass es fast nicht geklappt hätte. Aber durch die Mithilfe von Dirk Fischer und Luca Rosenbauer, die die Audios geschnitten, aufgehübscht, mit Bildern versehen und schlussendlich auch hochgeladen haben, ist das Projekt doch erfolgreich geworden.
Wonach wurden die Geschichten ausgesucht?
May: Das ist eigentlich schnell erklärt: nach dem Copyright! Die Geschichten mussten älter als 70 Jahre sein, damit die Urheberrechte erloschen waren. Das war beileibe nicht einfach, deswegen mussten wir auch auf manch' kleines Gedicht zurückgreifen, da wir nicht genügend Geschichten gefunden haben. Bei zwei Geschichten konnte ich die Erlaubnis der Autorin einholen, eine Geschichte stammt tatsächlich vom Großvater des Autors Volker Backert aus Michelau, die er uns netterweise zur Verfügung gestellt hat.
Und die ganzen speziellen Geschichten aus Michelau stammen natürlich aus der Feder unserer Theaterautorin Renate Rosenbauer, die hier regionale Themen wie die Adventsfenster, die Stollenbäckerei oder die Waldweihnacht aufgreift. Die letzte Geschichte hat uns natürlich Lukas mit seinem Evangelium geschenkt.
Welche Originale haben die Texte für Sie eingesprochen?
May: Wir haben hier mehrere Personen angesprochen, es war doch schwerer als gedacht. Die einen wollten nicht lesen, die anderen konnten es nicht mehr, was uns nochmals darin bestärkt hat, das Ganze durchzuziehen. Und so mancher ist am geschriebenen Dialekt gescheitert. Deswegen fragten wir uns, wer denn das überhaupt lesen könne? Die Antwort war schnell gefunden: die, die es über Jahre gelernt hatten und gleichzeitig Dialektmuttersprachler waren: die Mitglieder der ehemaligen Theatergruppe Michelau, die ja Renates Manuskripte gewohnt waren.
Mit Petra Engelmann, Uwe Nemmert, Ute Schedel, Udo Rosenbauer, Renate Rosenbauer und Helmut Fischer hatten wir dann schon eine gute Basis. Ergänzt wurden sie dann noch durch Uwe Rühr, Roland Ponsel und die Rottles Sisters, bestehend aus Renate Hofmann und Christa Stadler, die ihre Texte musikalisch untermalt haben.
Was verspricht sich die CSU Michelau von dieser Aktion?
May: Nichts. Es ging hier einfach darum, den Menschen in dieser nicht mehr staden Zeit einen Moment der Ruhe und Entspannung zu schenken. Gleichzeitig wollten wir den älteren Mitmenschen auch wieder ein Lächeln ins Gesicht zaubern, denn so manche Kindheitserinnerung war in den Geschichten versteckt. Langfristig ist unser Ziel die Archivierung dieser Geschichten und dieses Dialektes, der einzig und allein für Michelau so typisch ist und sich schon innerhalb der Gemeindeteile beginnt zu verändern.
Und wie ist die Resonanz?
May: Dazu muss ich sagen, dass ich im Vorfeld nichts erwartet habe, ich konnte es einfach nicht einschätzen. Wir hatten uns zum Ziel gesetzt, dass wir auf unseren drei Kanälen (YouTube, Facebook und Instagram) täglich 25 bis 30 Personen erreichen wollten. Was soll ich sagen? Das haben wir um Längen geschlagen! An unseren Glanztagen haben mehr als 500 Personen mitgehört. Wir haben durch alle Gesellschaftsschichten durchweg positive Resonanz bekommen. Die Älteren, die auch so manchen kleinen Fehler in der Aussprache mit einem Lächeln ansprachen. Die Eltern, die den Kalender immer ihren Kindern vorspielen, damit sie mal den Dialekt kennenlernen. Die Arbeiter, die nach ihrer Schicht mit einem Tee noch den Tag entspannt ausklingen lassen. Alle waren dabei, und damit würden wir sagen: Weihnachtsziel geschafft und übertroffen!
Wer will, kann auch jetzt noch alle Adventstürchen öffnen und reinhören: auf www.facebook.com auf www.youtube.com (oder einfach auf www.youtube.com gehen und nach CSU Michelau suchen) und auf Instagram unter csu.michelau.