Apotheken haben in Marktzeuln eine lange Tradition. Bereits 1864 gab es eine Apotheke in Zeuln, etwa in der Ortsmitte, heute eines der schönsten Fachwerkhäuser des Ortes „Oberm Rathaus“. Diese Straße hieß auch früher im Volksmund „Apothekersberg“. Apotheker war damals Ludwig Schmied, gefolgt von Josef Sander und Andreas Eiberger. Von letzterem hieß es, dass er ein recht geselliger und umtriebiger Mensch war. Ab und zu verspürte er wohl auch während der Dienstzeit Durst auf ein Bierchen.

Seine Kunden ließ er aber stets wissen, wo er sich gerade aufhielt. Dazu hatte er mehrere Schilder parat, die er dann an die Tür hängte. „Bin im Weißen Lamm“, „Bin bei Gruber“, „Bin bei Dinkelspeter“ und Ähnliches stand darauf zu lesen, so dass er im Notfall immer erreichbar war. Er hatte eine reiche, aber nicht sehr ansehnliche Frau und nebenbei eine Geliebte. Wenn nun die Gattin nicht zu Hause war, legte er immer einen Hut ins Schaufenster, als Zeichen für die Freundin, dass „sturmfreie Bude“ war.
Zur Apotheke gehörte auch ein Grundstück
Städte, Fürsten und Landesherren konnten früher einem Apotheker das Recht zum Betreiben einer Apotheke verleihen. Dieses Privileg konnte an ein Grundstück gebunden sein und vom Apotheker erworben werden. Auf diesem Wege kam 1930 Karl Weber nach Marktzeuln. Seine Tochter Erika Berold (87), geborene Weber weiß noch viele Geschichten und Anekdoten aus dieser Zeit. Karl Weber hätte auch in Pottenstein und Weismain eine Apotheke kaufen können, entschied sich aber für Marktzeuln, weil ihm das zum Haus gehörige Gartengrundstück so gut gefiel.

Allerdings hatte er öfter mal Zank mit seinem Nachbarn, einem Landwirt. Dieser behauptete öfter mal, Webers Hund würde seine Hühner reißen. Als Weber einmal das „Corpus Delicti“ untersuchte, stellte er fest, dass das Huhn fachgerecht geschlachtet war. Damit hatte der wackere Landmann das Nachsehen.
Zur Schule in der „fliegenden Scheune“
Es war damals nicht selbstverständlich, dass Töchter eine höhere Schule besuchen durften. Karl Weber war hier schon fortschrittlicher, Tochter Erika durfte 1945 in die Oberrealschule (heute Meranier-Gymnasium) nach Lichtenfels. Es gab auch eine Busverbindung in die Kreisstadt. Der „Bus“ der Weismainer Firma Kluppak war aber ein Lastwagen mit Plane, die Fahrgäste nahmen auf der Ladefläche Platz. So hatte dieses Vehikel auch seinen Namen als „fliegende Scheune“.
Der Zeulner „Oskar Schindler“

Es war eine schlimme Zeit. So berichtet Erika Berold von Plünderungen im Hochstadter Bahnhof, wenn Züge von den Alliierten beschossen wurden. Eine nicht ungefährliche Angelegenheit. Gefährlich war auch das Tun von Weber, nahm er doch immer wieder die jüdische Bevölkerung in Schutz. Auch stellte er – ob notwendig oder nicht – immer wieder junge Mädchen in seiner Apotheke an, um sie vor dem „Reichsarbeitsdienst“ der Nazis zu bewahren.
Im April 1945 zogen dann die amerikanischen Truppen in Marktzeuln ein, und die Bürgerinnen und Bürger sahen zum ersten Mal farbige Soldaten. Erika Berold erzählt: „Ein paar junge Burschen malten sich die Gesichter schwarz-weiß wie ein Schachbrettmuster an und behaupteten, so würden die ,Mischlingskinder‘ aussehen, sollten sich Zeulner Mädchen mit farbigen Soldaten einlassen“. Eine fürwahr wüste Vorstellung.

Doch zurück zur Apotheke. Schon bald nach dem Krieg durften Webers Töchter den Führerschein machen, mussten sie doch für den Vater Medikamente in die umliegenden Dörfer ausfahren. Von Vater Karl wird berichtet, dass er kein sonderlich guter Autofahrer war, auch Übungsstunden an der Spinnera bei Trieb fruchteten nicht. So überließ er das Fahren lieber seinen talentierteren Töchtern. 1958 entschloss sich Weber, Zeuln zu verlassen und die Apotheke in Redwitz zu übernehmen. Hier versprach er sich, in der durch die Ansiedlung des Siemens-Werks aufstrebenden Gemeinde, bessere Geschäfte.
Ab 1960 war die Apotheke im Ostahaus
Zwei Jahre gab es dann keine Apotheke in Marktzeuln, dann übernahm Josef Langer, die dann aber in das sogenannte „Ostahaus“ am Flecken umzog, wo auch Dr. Keppel seine Arztpraxis hatte. Ein weiterer Wechsel erfolgte 1970. Schon zwei Jahre zuvor hatte sich Familie Schmitt, Nachfolger des letzten Baders von Marktzeuln, entschlossen, die Scheune in der Schwürbitzer Straße abzureißen und an ihrer Stelle einen Neubau zu errichten. Hier sollten zukünftig Räume für eine neue Apotheke entstehen. 1970 übernahm Hartmut Kowalczyk in eben diesen Räumen die Marktzeulner „Franken-Apotheke“. Nach dessen Ruhestand im Jahre 2006 übernahm der Redwitzer Thilo Hanf, danach ab 2012 der Kronacher Marco Saliger die Franken-Apotheke.
Recht kurzfristig, zum Ende letzten Jahres, gab Saliger bekannt, dass er die Apotheke schließen muss. Als Grund nannte er mangelnde Rentabilität, zum Teil auch der Abwanderung von Kunden ins Internetgeschäft geschuldet. Ein schwerer Schlag für die Marktgemeinde, ist doch eine Apotheke wichtiger Bestandteil der Infrastruktur des Ortes. So geht eine fast 160-jährige Tradition zu Ende, ob es einen Neuanfang gibt, steht in den Sternen. Einen Nachfolger zu finden, hat sich laut Bürgermeister Gregor Friedlein-Zech als äußerst schwierig herausgestellt. Aber auch hier gilt: „Die Hoffnung stirbt zuletzt“.