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MICHELAU: Junge Syrer engagieren sich bei der FFW Michelau

MICHELAU

Junge Syrer engagieren sich bei der FFW Michelau

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    Abdul und Mahmoud (v. li.) haben sichtlich Spaß am Ehrenamt Feuerwehr.
    Abdul und Mahmoud (v. li.) haben sichtlich Spaß am Ehrenamt Feuerwehr. Foto: Markus Drossel

    „Maschinist?“ Omar kniet vor dem Verteiler, blickt in Richtung des Hilfeleistungslöschgruppenfahrzeugs (HLF). Der Befehl in der Sprache, die er erst seit wenigen Wochen lernt, geht ihm schwer von den Lippen. „Maschinist! Wasser marsch!“ Geschafft: Der 23-Jährige lächelt. Ralf Scharlibbe hebt die Hand: verstanden. Die Schlauchleitung füllt sich.

    Michelaus Kommandant Holger Förtsch beobachtet das Geschehen, nickt wohlwollend: Omar gibt sich große Mühe, sich das Handwerkzeug bei der Freiwilligen Feuerwehr anzueignen. Er ist nicht alleine: An den Strahlrohren stehen Abdul, Mahmoud, Yussif und der andere Omar. Löschgruppe Syrien, so werden sie liebevoll genannt. „Erstes C-Rohr: Wasser marsch!“ Abdul weiß genau, was er nun zu sagen hat. Omar dreht auf: Es kann gelöscht werden.

    „Wir haben vor einigen Wochen 1335 Briefe an die Michelauer Bevölkerung geschickt, um für weitere Verstärkung unserer Feuerwehr zu werben“, erläutert Förtsch. Da meldeten sich nach und nach insgesamt sechs Syrer. „Wir waren sehr überrascht, wussten im ersten Moment gar nicht, ob wir das hinbekommen.“ Es gab einen speziellen Aktionstag für die syrischen Feuerwehrleute in spe. Da wurden die Fahrzeuge vorgestellt, die Geräte gezeigt, sogar ein Unfallauto zerlegt. „Ich sagte: Die Tür muss raus – und die Jungs zögerten nicht lange, haben sie einfach herausgerissen“, muss 2. Kommandant Mario Schaller schmunzeln. Mit vereinten Kräften, ganz ohne Rettungsschere und Spreizer. Danach gab es eine Brotzeit. „Vegetarisch, eine Umstellung“: Holger Förtsch lacht. Danach waren die Kommandanten Förtsch und Schaller sich sicher: Sie wollten es mit den Syrern probieren.

    Sie lernen fleißig

    „Erstes C-Rohr: Wasser marsch!“: Omar bedient den Verteiler.
    „Erstes C-Rohr: Wasser marsch!“: Omar bedient den Verteiler. Foto: Markus Drossel

    47 Feuerwehrfrauen und -männer zählt die Feuerwehr Michelau: Verstärkung ist da herzlich willkommen. Zumal sich auf den Brief traurigerweise kein einziger heimischer Interessent meldete. Laura Heid, Kinderwart Steffen Lutz und Jugendwart Ralf Scharlibbe sind die Ausbilder der Löschgruppe Syrien. Das ist nicht einfach: Zum einen gibt es die Sprachbarriere, wenngleich die Syrer fleißig deutsch lernen. Zum anderen die Tatsache, dass keiner der jungen Männer in seiner früheren Heimat bei der Feuerwehr war.

    Doch vielleicht mag Steffen Lutz genau deswegen diese Herausforderung. Als Arbeitspädagoge hat er eine Art Feuerwehr-Memory entwickelt. Die Karten zeigen Bilder von Fahrzeugen, von Verteiler, Schläuchen und anderem Arbeitsgerät. Darunter steht der Fachbegriff, in deutscher Sprache. Fachbegriffe gibt es viele in der Feuerwehr. Und gesprochen wird ausschließlich deutsch. „Ich habe sie alle gelernt“, sagt Abdul zu Lutz. Stolz deutet er auf eine Karte auf dem Tisch: „Rüstwagen.“

    Bis der Aha-Effekt einsetzt

    Gekonnt wird der Druckschlauch ausgerollt.
    Gekonnt wird der Druckschlauch ausgerollt. Foto: Markus Drossel

    Genau das aber wollen die angehenden Feuerwehrmänner auch. Sie alle lernen in Lichtenfels in der Deutsch-Schule die für den Alltag so wichtigen Sprachkenntnisse. Als derjenige, der bereits 18 Monate in Deutschland ist, schon am besten deutsch spricht und bald die Prüfung B1 ablegt, ist Abdul wichtiges Bindeglied. Wenn es hakt, erklärt und übersetzt der 28-Jährige kurz auf Arabisch, um alsbald wieder ins Deutsche zu wechseln. „Vieles läuft auch über Deuten und Zeigen“, sagt Lutz. Und über Wiederholen und Üben. „Wenn sie etwas in die Hand nehmen, kommt meist der Aha-Effekt.“

    Heute haben Abdul, Omar und Kollegen zum ersten Mal eine Feuerwehrjacke an. Stolz blicken sie in die Runde, schlüpfen in die Handschuhe und lächeln. „Wir haben so viel Hilfe in Deutschland erfahren, wir wollen nun Hilfe zurückgeben“, sagt Abdul. In seiner Heimat war er einst Schmied, bis der Krieg ihn zur Flucht aus dem mittlerweile völlig zerstörten Aleppo zwang. „Leider ist meine Familie nicht da, sie ist im Libanon“, fügt er traurig an. Seine zwei Söhne und seine Tochter hat er lange nicht gesehen. „Ich hoffe, sie kommen bald.“

    Am liebsten jede Woche

    Sie werden liebevoll Löschgruppe Syrien genannt: Kommandant Holger Förtsch (re., daneben Steffen Lutz) und 2. Kommandant Mario Schaller (li., daneben Ralf Scharlibbe) mit den Nachwuchs-Feuerwehrleuten aus Syrien sowie Laura Heid (4. v. li.)
    Sie werden liebevoll Löschgruppe Syrien genannt: Kommandant Holger Förtsch (re., daneben Steffen Lutz) und 2. Kommandant Mario Schaller (li., daneben Ralf Scharlibbe) mit den Nachwuchs-Feuerwehrleuten aus Syrien sowie Laura Heid (4. v. li.) Foto: Markus Drossel

    Der Löschangriff wird zurückgebaut. Nun heißt es Schläuche wickeln. „Welche Größe?“, will Steffen Lutz wissen. „B“, sagt Omar. „C“, korrigiert ihn Abdul. Lutz nickt. Aller Anfang ist schwer. „Wir brauchen Übung, jede Woche“, bekräftigt Abdul. Diese Begeisterung finden die Ausbilder toll, aber: Es bleibt vorerst bei donnerstags einmal im Monat.

    Noch fährt keiner aus der Löschgruppe Syrien bei Einsätzen mit: „Das wäre viel zu früh“, findet Kommandant Holger Förtsch. Es braucht noch viel Ausbildung. „Wir haben uns in Burgkunstadt Tipps geholt, wo sie mit Migranten in der Feuerwehr schon mehr Erfahrung haben.“ Eine gemeinsame Übung ist im Gespräch. Denn so schön es ist, Geflüchtete in die Feuerwehr aufzunehmen: Aufgrund des intensiven Betreuungsbedarfs stoßen die Michelauer mittlerweile an ihre Grenzen, personell wie zeitlich. Hinzu kommen die räumlichen Engpässe: „Wir haben für unseren Bedarf ein viel zu enges, altes Feuerwehrhaus“, sagt Förtsch.

    Zuerst muss der Hydrant gespült werden, ehe die ersten Schläuche angekuppelt werden können.
    Zuerst muss der Hydrant gespült werden, ehe die ersten Schläuche angekuppelt werden können. Foto: Markus Drossel

    Der Löschangriff wird erneut aufgebaut. Yussif steht diesmal am Verteiler, die anderen an den Hohlstrahlrohren. „Halt! Welchen Schlauch brauchen wir da?“ Steffen Lutz deutet auf die Verbindung vom HLF zum Verteiler. „B!“, antwortet ihm Mahmoud. Der Ausbilder nickt. „Und was ist das?“ Im Eifer haben die Syrer einen C-Schlauch verlegt. Kein Wunder, dass Yussif nicht ankuppeln kann. „Passiert“, beruhigt Lutz. Omar ist schon unterwegs, um die B-Länge zu holen.

    Langsam wird es dunkel in der Mergenthalstraße. „So, genug für heute“, sagt Lutz. Die C-Schläuche werden gerollt, Verteiler und Strahlrohre ins Fahrzeug gepackt, der Hydrant geschlossen. Übungsende. „Gut gemacht!“, loben Scharlibbe und Lutz. „Vielen, vielen Dank!“, antwortet Omar, ehe er in die Mannschaftskabine des HLF steigt. „Ich freue mich, das macht viel Spaß“, findet Abdul. Vier von den Syrern haben heute ihre Mitgliedsanträge mitgebracht: Sie sind nun offiziell bei der Freiwilligen Feuerwehr Michelau angekommen.

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