Wo verbringen Sie, liebe Leser, Ihre Zeit am liebsten? Auf dem Balkon, in der Stammkneipe, einem stillen Platz am See, im Wald, am Staffelberg oder dem Kordigast? Natürlich bietet unser schöner Landkreis jede Menge Orte und Plätze, an denen Sie sich am wohlsten fühlen.
Lassen Sie uns an Ihrem Lieblingsplatz teilhaben und beschreiben Sie uns in Ihren Worten – gerne in Ich-Form –, was diesen Platz für Sie so einzigartig macht. Vergessen Sie bitte nicht, Ihrem Text, der zwischen 3000 und 4000 Zeichen lang sein kann, auch einige schöne Bilder anzufügen. Senden Sie alles unter dem Stichwort „Lieblingsplatz“ per E-Mail an redaktion@obermain.de. Zur Anregung empfehlen wir Ihnen die Geschichte von Heinz Fischer über seinen Lieblingsplatz in Marktzeuln:
„Da wurde ich also gefragt, was denn mein Lieblingsplatz in Marktzeuln sei. Nun, der ist eigentlich 686 Hektar groß, was genau der Fläche der Zeulner und Zettlitzer Flur entspricht. Ich liebe jeden Quadratmeter. Vergangenes Jahr stellte man mir die Frage, warum ich wieder für den Gemeinderat kandidiere. Meine Antwort: „Ich bin Zeulner aus Leidenschaft.“ In Marktzeuln bin ich geboren, und in Marktzeuln lebe ich nun seit 64 Jahren. Mit wachsender Begeisterung.
Nun kann man schlecht die immerhin 6 860 000 Quadratmeter als einen Platz beschreiben, deshalb muss ich wohl doch ein bisschen differenzieren. Vom Kulbitz und vom Spitzberg, unseren markanten Hausbergen, wurde schon berichtet. Dann will ich mal von meinem Lieblingsplatz der anderen Art erzählen, den ich immer dann aufsuche, wenn ich Alltags-Zerstreuung nötig habe, meist aber Freitagabend. Dann gehe ich zum Stammtisch, eine für mich wichtige kulturelle Einrichtung, ein Ort zur Kommunikation ganz ohne Smartphone. Und damit kommen wir zum Lieblingsplatz:
Anfänge der Wirtschaft gehen zurück auf Baptist Christ
Da gibt es in Zeuln, ein bisschen versteckt in der Schützenstraße, das altehrwürdige Gasthaus „Zum Alten Bappela“. Die Anfänge der Wirtschaft gehen zurück auf Baptist Christ, der vor dem Zweiten Weltkrieg das Gasthaus als kleine Bierwirtschaft eröffnete. Während des Krieges wurde wieder geschlossen und erst danach von Heinrich Christ Senior wiedereröffnet.
In den 1970-er Jahren übernahmen Christian und Anni Christ. In dieser Zeit wurde aus der einfachen Dorfwirtschaft nach etlichen Umbauten das Speiselokal, wie wir es heute kennen. Gegenwärtig wird es von Kerstin und Heiner Christ in der nunmehr vierten Generation geführt.
Der Name kommt wohl vom ersten Wirt und Eigentümer, der wohl sehr gerne und ständig „gebappelt“ hat, also ein äußerst kommunikativer Zeitgenosse war. Die Redefreudigkeit hat sich übrigens über die Generationen erhalten. Vielleicht war das aber auch einfach eine Verballhornung des Namens Baptist.
Neben dem Angebot an vielerlei fränkischen Köstlichkeiten (die Schäuferla sind schon eher Schaufeln) wird hier auch noch die Stammtischkultur gepflegt, nicht selbstverständlich in unserer hektischen Fastfood-Zeit. Einfach mit Gleichgesinnten beiderlei Geschlechts zusammen sitzen und schön „lääwaafn“, wie wir Franken sagen. Heuer mussten wir Pandemie bedingt lange warten, bis dies möglich war, erst Ende Mai kam die erlösende Meldung via Facebook. „Der Stammtisch ist wieder eröffnet, ihr seid willkommen“ postete der Heiner.
Richtig schön wird dies alles aber im Frühling und Sommer, wenn es warm genug ist und wir uns auf den Balkon an der Südseite des stolzen Fachwerkbaus niederlassen können. Das hat dann richtig Stil, bei einem gut gezapften, frischen Bier die wunderbare Aussicht zu genießen.
Die Geranien am Geländer stehen in voller Blüte. Unterhalb von unserem Freisitz fließt träge die Rodach zum Wehr, am anderen Ufer sehe ich die Angermühle und die Fischtreppe. Hier kann man öfter mal Fischreiher beim Abendbrot beobachten.
Nach rechts sind alte Linden und Kastanien zu sehen
Bildhübsche Fachwerkhäuser und die Stadelzeile runden das Bild ab. Links geht der Blick in Richtung zum „klann Ängerla“ (so hieß die Halbinsel in der Rodach früher, der Name „Liebesinsel“ kam viel später) und dem Rodachsteg. Nach rechts bemerke ich zwischen Linden- und Kastanienbäumen das alte Schießhaus. Der Anblick ist immer gut für einen Schwank vom berühmten Zeulner Freischießen.
Eher selten werden in diesem Kreis ernsthafte Themen erörtert, meistens werden lustige Geschichten erzählt oder auch mal ein bisschen gestichelt. Das nimmt aber niemand wirklich ernst. Und wenn es mal zu hitzigen Diskussionen kommt, zum Schluss wird angestoßen mit dem Spruch „Senn me widde guud“.
Austausch von unnützem Wissen steht ganz oben auf Agenda
Der Austausch von unnützem Wissen steht ganz oben auf der Agenda, und wer am meisten weiß, wird zum „Klugscheißer des Tages“ erkoren. Ich muss zugeben, dass ich hier der Titelchampion bin. Oder wenn der Joe zu philosophieren beginnt: „Sagt der Walfisch zum Thunfisch: ,Was tun, Fisch?‘. Sagt der Thunfisch zum Walfisch: ,Du hast die Wahl, Fisch‘ “, dann hat er die Lacher auf seiner Seite.
Mähroboter zieht einsam seine Kreise
Sollte doch mal der Redefluss versiegt sein, so kann man immer noch den Mähroboter im Mühlgarten beobachten, wenn er einsam seine Runden dreht. Einsam, weil sein „Herrchen“ Peter nicht selten unter uns weilt. Soweit kommt es aber eher selten, dafür sorgt schon der Senior-Wirt Christian mit seinem berühmten Trinkspruch: „Die Zeit vergeht, wie schnell ist nichts getrunken“.

Der Christian, mit seinen 82 Lenzen immer noch fit und meist guter Laune. Wenn ich den Balkon betrete, werde ich schon freudig von ihm begrüßt mit einem „Willkommen im alten Bappela“. Er nennt sich selber den größten Lump von Zeuln, weil er ja täglich im Wirtshaus ist. Verblüffend das immer noch durchwegs kastanienrote Haupt- und Barthaar. Allerdings – so weiß man – hilft er hier mit Farbe nach, beziehungsweise macht das der örtliche Friseur. Zur „Denkmalpflege“ geht er dann, wie er selbst zugibt. Wenn er besonders gut gelaunt ist, gibt er einen sogenannten „Schwedi“ aus, ein selbst hergestellter Kräuterschnaps nach schwedischem Rezept. Soll sehr gesund sein, aber – nun ja – nicht jedermanns Geschmack. Ich mag ihn. Also den Schwedi. Ja, und den alten Bapp auch!
Ab und zu ziehen dicke Wolken über den Kulbitz heran, und wenn dann ein milder Sommerregen auf das Markisendach trommelt, sage ich zu den Freunden in gespieltem Entsetzen: „Oach Goddela, jedds könna me ja goa niä haam!“. Also wird mit größtem Bedauern noch eine Runde bestellt. Irgendwann wird der Regen schon aufhören. Dann kommt auch mal der Chef Heiner aus seiner Küche und setzt sich zu uns.
Natürlich wird in diesen Tagen auch streng auf die Hygieneauflagen geachtet. Die Petra hat uns hierfür extra Masken mit einem Froschmotiv genäht, schließlich sind wir Zeulner bekanntlich die „Frösch“. Dazu stehen wir, auch in Corona-Zeiten.
Irgendwann kommt der Tag beziehungsweise Abend im Herbst, an dem die Kälte an den Beinen hochkriecht, und auch die dicke Jacke nicht mehr richtig wärmt und nützt. Dann wird es Zeit, den Balkon zu räumen und ins Gastzimmer an den runden Tisch umzuziehen. Dann wird meine schöne Sommerresidenz winterfest gemacht, und wir freuen uns schon schwärmerisch auf das nächste Jahr, wenn die Balkonsaison wieder beginnt. Manchmal schon an Ostern.
In Marktzeuln gibt es etliche organisierte Stammtische
Neben meinen eher lockeren Freundeskreis beim Bappela gibt es in Zeuln noch etliche fest organisierte Stammtische, zum Teil mit Statuten. Der älteste ist wohl jener der „Bettschoner“, ihn gibt es schon seit über 60 Jahren. Dann folgt mit über 50 Jahren der Tisch der „TSV-Damen“. Weiter gibt es dann noch die „Späte Heimkehr“, die „Rodachfrösche“ und die „Nachteulen“.
In meinen Stammkrug ist im Deckel mein Spitzname „Präsi“ eingraviert. Wie kam ich zu diesem ehrenvollen Titel? Nun, während meiner 20-jährigen Tätigkeit als Vorsitzender des Marktzeulner Musikvereins kam ich nicht nur einmal an die Grenzen meiner Contenance und machte dann lautstark meinem Unmut Luft. Das brachte mir dann den Beinamen „Präsi“ ein (in Anlehnung an den rabiaten Rockerchef aus den „Werner-Comics“).
45 Jahre aktiv im Musikverein dabei
Ach ja, der Musikverein. Das muss ich noch loswerden, kein Lieblingsort, eher eine Institution. 45 Jahre habe ich aktiv gespielt, 20 Jahre habe ich als Vorsitzender den Verein geführt. Das ist für mich eine unlösbare, liebenswerte Verbindung, auch jetzt als musikalischer Ruheständler. Ich freue mich, wenn wieder der normale Probenbetrieb aufgenommen wird. Dann schaue ich ab und zu im Musikhaus vorbei, setzte mich ganz still in eine Ecke, lausche der Musik und schwelge in Erinnerungen.
Sorry, liebe Redaktion, nun ist doch noch was dazu gekommen, obwohl nur ein Lieblingsplatz angefragt war. Aber wie schon Forrest Gumpp sagt: „Das Leben ist wie eine Pralinenschachtel, man weiß nie, was drin steckt.“