Jürgen Gäbelein fühlt sich wohl. Er hat seinen Traum, Bürgermeister seiner Heimatgemeinde zu werden, wahr gemacht. Im Interview wirkt er gelöst, weil er seine Stärken kennt. Als Teamplayer ist ihm vor all den Herausforderungen nicht bange. Er will Redwitz mit Hilfe aller nach vorne bringen. Der 50-Jährige hört genau zu: den Bürgern auf der Straße, den Gemeinderäten und Bürgermeister-Kollegen, den Mitarbeitern im Rathaus. Analysiert, kommuniziert, entscheidet gemeinsam und leitet neue Projekte und Prozesse ein.
Corona verschafft Zeit, ins Rathaus „hineinzuhorchen“
Dass er noch am Anfang steht, weiß der studierte Kunststofftechniker sehr genau. Die Corona-Krise hat für sehr viele Verunsicherung gesorgt, vor allem mit Blick auf die Finanzen, aber Jürgen Gäbelein auch mehr Zeit zur Einarbeitung gebracht. Das öffentliche Leben lag total brach. Da sich die Termine in Grenzen hielten, konnte er sehr genau ins Rathaus „hineinhorchen“, seine Mitarbeiter nach ihren persönlichen Einschätzungen und Zielen befragen.

Er sei von allen gut aufgenommen worden und ist sich sicher, dass das Zusammenspiel in der Verwaltung am besten funktioniert, wenn es auch zwischenmenschlich harmoniert. Gemeinsam werde man kleinere Änderungen in der Organisationsstruktur vornehmen und interne Abläufe kontinuierlich optimieren. Jeder sei aufgerufen und motiviert, aktiv daran mitzuwirken. Ein Hauptaugenmerk soll auch darauf liegen, die Möglichkeiten der digitalen Technik in der täglichen Arbeit effizient einzusetzen.
Wer beteiligt wird, ist konstruktiv: ein „Dreigestirn“ übernimmt
Das Gleiche gilt für für die Gemeinderäte. Wer beteiligt wird, ist auch motiviert, konstruktiv mitzuarbeiten. Der frühere Handballer weiß sehr genau, dass eine Mannschaft am effektivsten funktioniert, wenn sich alle Mitspieler an der gleichen Spielphilosophie orientieren. Wie im Wahlkampf immer wieder betont, fördert das neue Gemeindeoberhaupt die Zusammenarbeit über alle Fraktionen hinweg. Bereits jetzt macht sich bezahlt, dass die drei Bürgermeisterkandidaten – Gäbelein (Unabhängige Bürger Redwitz), Stephan Arndt (SPD) und Christian Zorn (CSU) – sich stets respektvoll begegneten, einen fairen Umgang pflegten.

Drei Wochen nach der Stichwahl fragte der Verwaltungschef seine ehemaligen Mitbewerer Zorn und Arndt, ob sie sich vorstellen könnten, den Posten des Zweiten beziehungsweise Dritten Bürgermeisters zu übernehmen und mit ihm quasi als „Dreigestirn“ die Geschäfte zu führen. Die beiden waren einverstanden. In der konstituierenden Sitzung vom 13. Mai herrschte über die Fraktionen hinweg Einigkeit in dieser Frage.
Jürgen Gäbelein lädt seine Bürgermeister-Kollegen nun regelmäßig zum Austausch ins Rathaus ein, um über die Arbeit und die Ziele zu sprechen. Auch beim ersten Treffen mit Landrat Christian Meissner waren vor kurzem beide Stellvertreter des Redwitzer Gemeindeoberhaupts dabei. Mit den Fraktionsvorsitzenden Jochen Körner (SPD), Christian Zorn (CSU) und Alferd Leikeim (UBR) bespricht der Bürgermeister die Themen der nächsten Gemeinderatssitzung (mittwochs ) jeweils am Freitag zuvor.

Und für den Herbst plant er eine Klausur des Gemeinderats, um den Rahmen für die kommenden sechs Jahre gemeinsam abzustecken, um Perspektiven und das finanziell Machbare für Redwitz zu erörtern. Vieles ist aufgrund der Corona-Krise ins Wanken geraten. Unklar ist nach wie vor, wie die Konjunkturprogramme von Bund und Land aussehen werden, wie ein Ausgleich für die Gewerbesteuer-Ausfälle erfolgen wird. Hier bedarf es gemeinsamer Anstrengungen, wobei die eineinhalbtägige Klausur auswärts stattfinden und von einem externen Moderator gelenkt werden soll. Die Räte können ihr Ressourcen so voll in die Waagschale werfen. Dafür eigne sich eine professionelle Gesprächsführung, ein Moderator, der von außen auf die Sache schaut. Das hat der Diplom-Ingenieur in seiner beruflichen Laufbahn in der Automobilzulieferer-Industrie schätzen gelernt.
Jeder Gemeinderat hat seine Stärken, die er einbringen sollte
Gäbelein wünscht sich konstruktive Diskussionen. Entscheidungen sollten nicht immer einstimmig fallen. Sein Credo ist der Kompromiss. Konsens sei am besten herzustellen, wenn jeder einbezogen werde. Jeder habe seine Eigenheiten, seine Fähigkeiten, seine Stärken, die der Gemeinde nutzen können. Natürlich sollen dabei auch die persönlichen Kontakte und Netzwerke der Ratskollegen, zum Beispiel in Politik und Wirtschaft, bestmöglich für Redwitz eingesetzt werden.

Stolz erzählt der neue Rathauschef, dass Redwitz jetzt drei Jugendbeauftragte hat. Drei junge Räte aus drei Fraktionen. „Die verstehen sich privat sehr gut, unternehmen gerne etwas zusammen. Die Energie muss man nutzen.“ Die Freude nimmt der Interviewer dem Ur-Redwitzer voll ab. Gäbelein freut sich für „seine Gemeinde“.
„Ich komme aus dem Projektgeschäft. Das sind meine Themen: Kosten, Kalkulation, Controlling, Ressourcenplanung.“
Jürgen Gäbelein bringt Erfahrung ein, damit Kosten nicht aus dem Ruder laufen
Zu Beginn verbrachte der Diplom-Ingenieur viel Zeit im Bauamt, wobei sich für ihn der Eindruck bestätigte, dass die Gemeinde Redwitz zu viele Vorhaben zur gleichen Zeit angepackt hat. Und zwar in der Phase, als das Geld noch reichlich floss. „2018 und 2019 hatten wir noch eine Million Euro mehr an Gewerbesteuer eingenommen.“ Das verleitete dazu, viele Bauvorhaben zu initiieren, ohne die Folgekosten langfristig zu kalkulieren und die personellen Kapazitäten zu beachten. Aktuell tanzt man so auf zu vielen Hochzeiten. Sprich mehrerer Projekte laufen parallel, können nicht zielstrebig und geordnet abgearbeitet werden. Das erhöht zwangsläufig die Kosten, da immer wieder Brandherde zu löschen sind. Als Vorsitzender der Verwaltungsgemeinschaft Redwitz müsse er auch darauf achten, so Gäbelein, was mit der Anzahl der Mitarbeiter effektiv zu schaffen ist, da diese auch für die Nachbargemeinde Marktgraitz zuständig sind.
„Ich komme aus dem Projektgeschäft. Das sind meine Themen: Kosten, Kalkulation, Controlling, Ressourcenplanung.“ Nach einigen Gesprächen mit Bauamtsmitarbeitern sei man dabei, Prioritäten zu setzen und offene Themen strukturiert abzuschließen.

Der Haushalt 2020 sei auf Rat des Landratsamtes so aufgestellt worden, „wie wenn nichts wäre“. Aber nach Gesprächen mit den Geschäftsführern der Hauptgewerbesteuer-Zahler im Ort sei ihm klar, dass der Gewerbesteuer-Einbruch gewaltig ausfallen werde. Der Haushalt der Gemeinde sei ohnehin so schwer aufzustellen gewesen wie seit langem nicht mehr. Die laufenden Kosten seien derart angewachsen, dass zur Deckung des Verwaltungshaushalts eine Entnahme aus der Rücklage erforderlich sei. Als Beispiel nennt Gäbelein die Kinder- und Jugendbetreuung, die in Redwitz hervorragend ausgebaut worden sei. Aber die Kosten dafür seien in den vergangenen zehn Jahren von 500 000 auf 1,3 Millionen Euro gestiegen. „Wir müssen dafür von der Kommune jährlich 300 000 Euro mehr Eigenanteil aufbringen.“
„Die gesetzlichen Vorgaben kann ich nicht ändern. Aber wir können versuchen, Abläufe zu optimieren, und rechtzeitig an übergeordneter Stelle Alarm schlagen!“, sagt der Bürgermeister angesichts großer Herausforderungen, wirkt dabei aber keineswegs pessimistisch. Wichtig sei es, vorausschauend zu agieren, auch Folgekosten im Blick zu haben. „Wir müssen kontrollieren: Haben wir es noch im Griff!?“

Priorität hat in nächster Zeit die Fertigstellung des Marktplatzes als Ort der Begegnung, als Multifunktions- und Festplatz. Der wunderschöne Holzloggia steht, zu lösen ist noch die Überbauung der historischen Kelleranlage im Straßenbereich. Zudem steht aktuell die Sanierung der Gehwege und Erneuerung des Baumbestandes an der Dorfstraße Unterlangenstadt auf dem Programm.
Immer gesprächsbereit, aber keine leeren Versprechungen
Mit zu Hause lässt sich das Bürgermeisteramt für den dreifachen Familienvater gut arrangieren. Er weiß aber, dass ihm Corona eine Verschnaufpause verschafft hat. Die öffentlichen Termine werden mehr werden, die Zeit für die Familie wird knapper. Aber das wussten er und seine Frau Karin. Gäbelein ist sich aber sicher, dass die Zeit für sportlichen und familiären Ausgleich in der Natur freigeschaufelt werden kann. Zumal er seine Stellvertreter einbinden will.

Der leidenschaftliche Wanderer und Spaziergänger merkt schon eine Veränderung, vor allem wenn er mit Frau und Hund in Richtung Ortskern läuft. Als Bürgermeister wird er noch öfters angesprochen. „Aber das will ich auch, immer ansprechbar sein!“ Er wolle die Anliegen offen aufnehmen, werde aber sicherlich nicht zum Ja-Sager, der Versprechungen macht, die er nicht einhalten kann.
Mehr Zeit und Kraft in die Öffentlichkeitsarbeit investieren
Am Herzen liegt dem stellvertretnden Bürgervereins–Vorsitzenden die Öffentlichkeitsarbeit, da er das Image von Redwitz nach außen deutlich aufwerten möchte. Er hat rasch eine Mitarbeiterinmit dieser Aufgabe betraut, bei ihr sollen die Fäden zukünftig zusammen laufe. Sie ist zuständig für Facebook-Auftritt, Neugestaltung der Homepage, Modernisierung des Amtsblattes und mehr. Über alle Kanäle soll die Gemeinde attraktiv präsentiert werden, etwa die Gewerbeflächen oder das neu ausgewiesene, wunderschön gelegene Baugebiet „Steinachblick) in Trainau (22 Plätze). Und natürlich will Gäbelein, dass Redwitz mit seinen Pfunden wuchert: Ausflugsziel Biotop, Freibad, gute Lage in freier Natur und inmitten der Kreisstädte Lichtenfels, Coburg, Kronach und Kulmbach. „Wir müssen hervorheben, was wir haben!“
Der Bürgermeister geht jeden Tag voll motiviert zur Arbeit. Sein neue Aufgabe sei eine tolle Herausforderung und soll für ihn der schönste Job der Welt werden, weil er viele Gestaltungsmöglichkeiten biete. Vorausgesetzt, man schlage seinen eigenen Weg ein und verzettele sich nicht.
Jürgen Gäbelein freut sich schon besonders auf den 15. September, weil er und seine Frau Karin ihren 19. Hochzeitstag feiern. Just an diesem Tag darf der 50-Jährige auch als Standesbeamter sein erstes Paar trauen.