Als ein Michelauer Bürger (Name der Redaktion bekannt) am 26. Mai seine Heimatzeitung aufschlug, traute er seinen Augen nicht. „Ich war wütend, richtig wütend“, schildert er am Lesertelefon des Obermain-Tagblatts. Der Grund: der Artikel über die Renovierung der Johann-Puppert-Schule in Michelau.
Darin stand nämlich, dass die Generalsanierung, die schon einige Jahre läuft, sich deshalb verzögerte und teurer wurde, weil sich während der Bauarbeiten herausgestellt hatte, dass das Dach asbestbelastet ist.

„Klingt für mich wie ,Neues aus Schilda‘!“
Ein OT-Abonnent am Lesertelefon
Asbest ist eine Sammelbezeichnung für verschiedene natürlich vorkommende, faserförmige, kristallisierte Silikat-Minerale, die nach ihrer Aufbereitung technisch verwendbare Fasern unterschiedlicher Länge ergeben. Gefährlich wird es, wenn Asbestfasern freigesetzt und eingeatmet werden. Der Gefahrstoff ist als krebserregend eingestuft.
„Klingt für mich wie ,Neues aus Schilda‘!“, schimpft der Michelauer. „Was bitte hat der Architekt da gemacht, der eigentlich Voruntersuchungen zu tätigen und die einzelnen Gewerke anzusehen hat? Das muss doch bei einer Generalsanierung einer der ersten Schritte sein. Mich ärgert diese Schlamperei unfassbar, geht sie doch zu Lasten von uns Steuerzahlern.“

Forderung des Lesers: Regressansprüche prüfen
Das Dach sei schließlich nicht irgend ein Gebäudeteil, sondern mit das wichtigste. Die Gemeinde Michelau sollte überlegen, ob sie den Architekten nicht regresspflichtig machen könnte, denn: „Alleine die Container als Ausweichklassenzimmer für die Schüler kosten uns monatlich 50.000 Euro. Das darf doch wohl nicht wahr sein, wie leichtfertig mit unser aller Geld umgegangen wird.“
Diese Redaktion hakte nach, kontaktierte die Rathausverwaltung und den Bürgermeister persönlich. „Selbstverständlich darf ich Ihnen vorweg sagen, dass hier, in der Gemeinde Michelau, keinesfalls leichtfertig oder unbekümmert mit dem Steuergeld umgegangen wird“, betont Jochen Weber. „Sämtliche Fragen des Mitbürgers gegenüber dem Obermain-Tagblatt hatte auch ich mir von Anfang an gestellt.“ Vordringlich selbstverständlich sei die Dachsanierung und das belastete Material. Diese werfe auch für die Gemeinde und das Bauamt noch immer große Fragen auf, wie bereits zu Beginn der gesamten Maßnahme so ein Problem auftauchen konnte.
Bauliche Verzögerungen ziehen sich wie ein roter Faden durch
„Die baulichen Verzögerungen im gesamten Ablauf, die dadurch entstanden sind, ziehen sich wie ein roter Faden durch die gesamte Maßnahme“, fährt der Rathaus-Chef fort. „Nicht nur Bauverzögerungen und Materialpreissteigerungen haben sich negativ auf das Projekt ausgewirkt, auch zwei Jahre Corona-Pandemie haben die Sanierungsmaßnahmen an der Johann-Puppert-Schule keineswegs positiv beeinflusst.“ Es habe, auf Drängen des Bürgermeisters, auch bereits mehrere Gesprächstermine mit Bitte um Klärung der genannten Sachverhalte gegeben.

„Sämtliche verursachte Kosten werden im Nachgang nochmals genaustens durchleuchtet.“
Jochen Weber, Bürgermeister
„Das Bauamt der Gemeinde ist angewiesen, jegliche Kostensteigerungen und Nachträge in Folge von Verzögerungen schriftlich und detailliert festzuhalten für eine spätere Prüfung nach Abschluss der Maßnahme hinsichtlich Versäumnissen bei der Planung, Beratung oder auch Ausführung durch die verantwortlichen Gewerke“, so Jochen Weber. „Sämtliche verursachte Kosten werden im Nachgang nochmals genaustens durchleuchtet und je nach Ergebnis entsprechend durch die Gemeinde Michelau angemahnt werden.“
Apropos Kosten: Waren anfangs noch rund sechs Millionen Euro veranschlagt worden, sprach Bürgermeister Helmut Fischer im April 2020 schon von 9,3 Millionen Euro – und nun dürften es laut Bürgermeister Weber an die zwölf Millionen werden.
Standpunkt
Das Einmaleins eines Planers
Von Markus Drossel markus.drossel@obermain.de

Es scheint, als sei dem zuständigen Planer beziehungsweise Architekten bei der Johann-Puppert-Schule ein Kardinalsfehler unterlaufen. Das Dach ist bei der Sanierung einer Schule eines der wichtigsten Gewerke. Normalerweise lässt man im Vorfeld das Dach an der ein oder anderen Stelle öffnen, prüft die Dämmung auf Beschaffenheit und Material und überlegt, was und wie erneuert werden sollte. Außerdem werden die Ziegeln oder Dachplatten in Augenschein genommen. Auch ist das Alter des Dachs verräterisch: In der Baubranche gibt es Datumsgrenzen, denn Asbest wurde zwischen 1950 und 1990 in großem Umfang eingesetzt. Heißt also: je älter das Dach ist, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass es mit Gefahrstoff belastet ist. Ab einem gewissen Zeitpunkt geht die Wahrscheinlichkeit gen 100 Prozent, wissen die Fachkundigen. Das ist quasi das Einmaleins eines Planers. Welcher Schaden ist der Gemeinde daraus entstanden? Das werden wohl die Juristen zu klären haben. Entscheidend wird die Frage sein, inwieweit der Gemeinde bei der Planung der Sanierung die korrekte Entscheidungsgrundlage gefehlt, also ob die Stadt sich anders entschieden hätte, hätte sie von der Asbestbelastung gewusst. Dann könnte die Schadenssumme durchaus beträchtlich sein. Fakt ist, dass die Sanierung der Johann-Puppert-Schule nun insgesamt länger dauert. Natürlich auch wegen der Materialknappheit.