Die Wände im Redwitzer Schützenhaus verraten bei genauerem Hinsehen, dass die Schützinnen und Schützen eine schwere Entscheidung haben fällen müssen. Denn die „Schützengesellschaft 1903 Redwitz an der Rodach“ hat sich zum 31. März aufgelöst. Wo einst runde Königsscheiben hingen, sind nun Staubränder zu sehen. Die Mitglieder des Vereins haben es in den vergangenen Wochen allen ehemaligen Schützenkönigen beziehungsweise deren Nachfahren möglich gemacht, alte Königsscheiben im Gässla abzuholen.
An einem Aprilabend strahlt die Abendsonne auf das Redwitzer Schützenhaus herab. „Es wurde 1975 erbaut“, erinnert sich der ehemalige Kassier, Helmut Schmidt, zurück. Mit „sehr viel Eigenleistung“ habe man den Bau für die damals top-modernen Schießanlagen und die Vereinsräume gestemmt. Nachdem es fertig gestellt war, konnte man in Redwitz alle sportlichen Schießdisziplinen bedienen: Vom Kleinkaliberschießen bis zum 25-Meter-Pistolenstand war innerhalb weniger Jahre alles geboten. Nur „die ganz großen Kaliber“ seien nicht möglich gewesen, wegen der Nähe zum Dorf und der Vorgabe zur Schallemission.
1854 erstmals erwähnt
2003 blickte man auf 100 Jahre Vereinsgeschichte zurück. Zum ersten Mal erwähnt wird laut Chronik die „Scharfschützengesellschaft Redwitz von 1854“. Als deren Vorsitzender wird Freiherr Wilhelm Theodor von Redwitz genannt, 2. Schützenmeister war der damalige Arzt Dr. Ernst Karl Friedrich Friedlein und Kassier der Lehrer Gückel. „Wann diese frühe Schützengesellschaft in der Ortsgeschichte verloren gegangen ist, lässt sich nicht mehr feststellen“, heißt es in der Chronik weiter. Jedoch ging das Schützenwesen im Ort nicht unter. 1903 kamen wohl auf Einladung von Fritz Köhler interessierte Bürger am 2. Februar in der „Hackerschen Bierwirtschaft“ zusammen. Zu Mitgliedern im ersten Vorstand wurden etwa Vorsitzender und Schützenmeister Paul Hanna und als Stellvertreter Fritz Köhler selbst gewählt.
1933 kam es jedoch zur zwangsweisen Auflösung des Deutschen Schützenbundes, das Ende des Zweiten Weltkrieges führte zur Auflösung aller zu noch bestehenden Gruppierungen. Erst mit Gründung des Bayerischen Schützenbundes 1950 und des Deutschen Schützenbundes 1951 erlebte das Schützenwesen seinen Neuanfang – auch 1953 in Redwitz mit der Wiedergründung unter Schützenmeister Carl Hermann König und seinem Stellvertreter Ronny Münzel. Seitdem bereicherte der Verein das kulturelle Leben, erinnern sich andere Mitglieder, die, wie Helmut Schmidt, an diesem Abend zum Gespräch ins Schützenhaus gekommen sind.
Die Schützenfeste im Juli, meint Franz Wachter, waren „die fünfte Jahreszeit“. Sie fanden seit dessen Bau auf dem großen Platz vor dem Schützenhaus statt. Wie üblich, war die Königsproklamation der Höhepunkt, und „nicht selten wurde mal einer ausgegeben und bis in den Dienstag hinein gefeiert“, schwelgt Wachter in Erinnerungen. „40 Vereine und Gruppen liefen beim Umzug mit“, sind sich Schmidt und Wachter einig. Gefühlt die ganze Gemeinde versammelte sich ab 1986 auch zur Ortsmeisterschaft – nicht selten traten zu dieser um die 300 Leute an. Da „war immer einiges geboten“ und es war schön für die Vereinsangehörigen zu sehen, wie viele Außenstehende sich für ihre sportliche Leidenschaft begeistern können, fügt Wachters Frau Bettina hinzu.
Ein wichtiges Zentrum
Sportliche Verbindungen pflegten die Redwitzer ebenfalls, zum Beispiel mit den Schützen aus Mitwitz. „Sie kamen oft her zum Kleinkaliberschießen“, erklärt Helmut Schmidt. Doch nicht nur das: In Redwitz entwickelte sich in den 2000-ern und 2010-ern ein wichtiger Treffpunkt für Sportschützinnen und -schützen in Oberfranken. „Hier war das Zentrum des Pistolenschießens“, präzisiert Schmidt. Vor allem die Jugend war damals sehr erfolgreich. 2013/2014 schaffte sie es sogar bis zur Deutschen Meisterschaft und zur Olympiaqualifikation. „Aus ganz Oberfranken kamen Sportschützen nach Redwitz“, so Schmidt.

Doch wenn Helmut Schmidt und die Wachters sich beim Erzählen dem Jahr 2025 annähern, müssen sie einige traurige Entwicklungen eingestehen. Der Nachwuchs wurde immer weniger, die Mitgliederzahl war stark rückläufig. Irgendwann blieben von 200 noch 74 übrig und an Jugend kam kaum noch etwas nach – Kinder und Jugendliche haben heute schließlich ein großes Angebot an Hobbys und Sportarten und entschieden sich zunehmend nicht mehr für den Schützenverein. Und so sah man in Redwitz dem Vereinssterben ins Gesicht, wie in vielen anderen Orten auch. Allerdings betont Schmidt, gerade auf die damals erfolgreiche Jugend bezogen: „Die wenigen, die da waren, waren gut.“
Letztlich nicht gereicht
Erschwerend kommt hinzu, dass es an Vereinsmitgliedern mangelte, die aktiv an der Spitze der Gruppe stehen und den Vorsitzenden stellen wollten. „Bei der Wahl vor zwei Jahren gab es noch einmal kurz Hoffnung“, setzt Wachter schulterzuckend an. Doch letztlich konnte sich die Schützengesellschaft nicht vor der Auflösung zum 31. März dieses Jahres retten.
Wie es für die weitergeht, die sich gern weiterhin treffen würden, um ein bisschen Geselligkeit zu erhalten, ist noch unklar. Die Formalitäten rund ums Vereinsrecht seien zu kompliziert und aufwendig, um mal eben einen Geselligkeitsverein aus der Taufe zu heben, erklärt Schmidt. Ein Stammtisch sei hier wahrscheinlicher, „doch noch müsse man erst einmal abwarten“.
Mit der Auflösung verschwindet nicht nur ein Verein, sondern auch ein Teil des kulturellen Lebens. Aber: positive Erinnerungen, persönliche, sportliche Erfolge und viele Feste, die die Gemeinschaft in Redwitz prägten, können den Schützinnen und Schützen nicht genommen werden.