Eva Gill, Vorsitzende der Gesundheitseinrichtungen des Bezriks Oberfranken (Gebo), fand am zur Eröffnung der „Hochstadter Gespräche“ nachdenklich machende Worte: als 1990 die „Hochstadter Gepräche“ ins Leben gerufen wurden, hätte niemand daran gedacht, dass Smartphone, KI und VR-Brillen einmal Teil der Therapie sein würden. „Wir haben mit dem Nokia-Knochen nur telefoniert.“
Nun nutze man die neuen Medien in der Suchtbehandlung, setze Apps und künstliche Intelligenz ein und tausche sich deutschlandweit aus. In der Tat haben sich rund 140 Teilnehmende aus ganz Deutschland zu den mittlerweile 22. „Hochstadter Gesprächen“, einem Austausch über neue Perspektiven der Suchtbehandlung, in der Bezirksklinik eingefunden.

Ärzte, Psychologen, Mitarbeiter von Kliniken, Sucht- und Drogenberatungstellen, Vertreter von Jugendämtern, Polizei, Justizvollzugsanstalten, der Regierung Oberfranken und mehrerer Sozialen Träger nahmen an der ganztägigen Fachtagung teil. Die hatte heuer drei Schwerpunktthemen und drei ergänzenden Workshops. Gestartet wurde mit dem Vortrag: „App-gestützte Nachsorge: mentalis Appstinence – eine digitale Nachsorge nach Ende eines stationären Aufenthaltes. Danach schloss sich der Vortrag „Verkehrsmedizin und Kraftfahrtauglichkeit“ an – eine spannende Recherche und Info über ein Thema, das durch die Legalisierung des Cannabiskonsums im vorigen Jahr leider deutlich an Brisanz gewonnen hat.
VR-Brillen stellen Alltag nach
Der letzte Fachvortrag beschäftigte sich mit einer Neuheit in der Therapie: „Virtual Reality Exposure Therapy“. Die VR-Brille, die Alltagssituationen oder gefährliche Situationen simulieren kann. Diese VR-Brille durften die Tagungsteilnehmer in einem der drei Workshop gleich ausprobieren. Die beiden anderen Workshops stellten „Buchbinden“ vor: eine Therapie, bei der sich der Patient im wahrsten Sinne des Wortes mit seiner eigenen Lebensgeschichte befasst.

Impact-Technik hieß der dritte Workshop: hier stellt man mittels eines Blattes Papier Vorgänge dar, die nicht mehr rückgängig zu machen sind. Nach dem Zerknüllen werden immer Falten bleiben.
Wer wollte, konnte zudem das Haus bei einem Rundgang kennenlernen und ins Gespräch kommen. Denn das ist der Sinn und seit 1990 auch der Grund für den großen Erfolg der „Hochstadter Gespräche“. Die Bezirksklinik Hochstadt ist eine Suchtfachklinik für alkohol-, medikamenten- und drogenabhängige Menschen von der Gebo. Hierher kommen Patienten, die bereits eine Entgiftung gemacht haben.
Bei einer Drogenentwöhnung beträgt der durchschnittliche Aufenthalt 22 Wochen, bei einer Alkoholentwöhnung 13 Wochen, erläuterte Dr. Valentin Tolstov, Oberarzt und Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Rund die Hälfte der Patienten schließe den Aufenthalt regulär ab, die andere Hälfte würde aus unterschiedlichen, auch disziplinarischen, Gründen abbrechen.
Hohe Dunkelziffer
Erfolgsquote: nach zwei Jahren wären rund 40 Prozent der ehemals Alkoholabhängigen noch „clean“, bei den ehemals Drogenabhängigen würden es nur 20 Prozent schaffen, „clean“ zu bleiben.
Die meisten Hochstadter Patienten sind männlich (85 Prozent). Grund des Aufenthaltes ist zum Großteil eine Drogenabhängigkeit (90 Prozent), nur zu einem geringen Teil (zehn Prozent) eine Alkoholabhängigkeit. In der Bezirksklinik Hochstadt werden jährlich etwa 250 Menschen behandelt, die Bettenzahl ist mit 75 konstant geblieben.
Wie hoch der Anteil in der Bevölkerung ist, kann man bei den Drogenabhängigen nicht sagen, denn es gäbe eine sehr hohe Dunkelziffer. Auch bei den Alkoholabhängigen ist die Dunkelziffer sicherlich höher, als die erfassten rund 2,5 Millionen Menschen. Kay Adams macht deutlich: „Es wird nicht die Zahl geben – es ist nur immer eine Schätzung.“
Wer zur stationären Entwöhnung möchte, spricht am besten seinen Hausarzt oder seine Hausärztin an. Hier wird dem oder der Betroffenen weitergeholfen: vom Bewerbungsprozess für einen Klinikaufenthalt, bis zur Klärung der Kostenübernahme. Bernhardt Gehringer, Standortleiter der Klinik in Hochstadt mahnt: „Das ist schon eine gewisse Wartezeit. Einfach sagen ,Morgen fang ich an!‘ geht nicht.“