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REDWITZ: Übers „Maiastecken“ in Redwitz

REDWITZ

Übers „Maiastecken“ in Redwitz

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    Altes Wehr vor der Zerstörung durch Hochwasser.
    Altes Wehr vor der Zerstörung durch Hochwasser. Foto: Jochen Körner

    Früher war in Franken der Brauch des „Maiasteckens“ weit verbreitet – auch in Redwitz. Die jungen Burschen stellten in der Nacht von Pfingstsamstag auf Pfingstsonntag eine „Maia“, also eine Birke, ihrer Angebeteten vor die Türe. Das Mädchen, das den größten Baum bekam, genoss das höchste Ansehen unter dem Jungvolk. In den 1980-er Jahren verlor sich dieser Brauch langsam.

    Bräuche dieser Art sind seit dem 17. Jahrhundert aus ganz Deutschland überliefert, dürften aber noch weit älter sein. Im Staatsarchiv Darmstadt liegt ein Dokument vom 13. Mai 1771, das das Maienstecken verbietet. Landgraf Ludwig von Hessen-Darmstadt beschwerte sich darüber, dass seine Bäume beschädigt würden, und verbot das ganze Treiben bei Strafe.

    Die Gartenbesitzer schoben Wache, um ihre Birke zu beschützen

    Die jungen Burschen trafen sich traditionell kurz vor Mitternacht mit Säge und Axt bewaffnet um loszuziehen. Ein junger Mann in Redwitz hatte mal einen Bulldog zur Verfügung, und so entstand bei ihm der verwegene Plan, diesmal eine wirklich große Birke aufzutreiben. Alles bisher Dagewesene sollte in den Schatten gestellt werden. Als Helfer war schnell ein ganzer Trupp Kumpels gefunden.

    Manche Gartenbesitzer mit Birke schoben in diesen Nächten sogar Wache, um ihren Baum zu beschützen, sie schliefen auf Stühlen direkt neben dem Baum. Deshalb wurde manchmal auf Waldränder oder abgelegene Gartengrundstücke zurückgegriffen. So auch in dieser Nacht. Außerhalb von Redwitz wurde eine stattliche Birke ausgemacht, gefällt, mit Ketten an dem Traktor befestigt und nach Redwitz geschleift. Woher der Baum genau stammt, kann nicht angegeben werden. Zu groß ist die Gefahr, dass sich der Besitzer an den Baumfrevel erinnert.

    Freileitungen und Stromständer erschwerten das Unterfangen

    Beim Transport musste der Verlust so mancher Äste und Blätter in Kauf genommen werden. Die Straßenverkehrsordnung wurde außer Acht gelassen, sogar die Polizei drückte in diesen Nächten ein Auge zu. In Redwitz wurde dann mit zehn Mann versucht, die Birke aufzustellen. Das war allerdings gar nicht so einfach, war sie doch höher als das Haus, an dem sie aufgestellt werden sollte.

    Früher waren Birken zu Pfingsten in Gefahr, der Säge zum Opfer zu fallen.
    Früher waren Birken zu Pfingsten in Gefahr, der Säge zum Opfer zu fallen. Foto: Jochen Körner

    In der damaligen Zeit gab es überall noch frei hängende Stromleitungen und Stromständer auf den Dächern der Häuser. Die Gefahr war nun groß, dass die Birke gegen die Freileitungen stieß. Mit vereinten Kräften und nach mehreren Versuchen gelang es aber doch, die riesige Birke ohne Stromschlag und größere Schäden im Garten vor der Haustür aufzustellen.

    Nach getaner Arbeit trafen sich die verschiedenen Trupps am alten Wehr, und es wurde ein Fass Bier angestochen, ein Lagerfeuer entzündet und gegrillt. Legenden zufolge gab es einen jungen Mann, der von der Arbeit so ausgehungert war, dass er es tatsächlich schaffte, acht Steaks zu verdrücken.

    „Ich bin mit vier Schwestern aufgewachsen, könnt ihr euch vorstellen, was an Pfingsten bei uns vorm Haus los war?“

    Ein Zeitzeuge aus einem Redwitzer Ortsteil

    Das alte Wehr gibt es schon lange nicht mehr. Es wurde Opfer des großen Hochwassers von 1981. Der Zeltplatz von damals ist heute Teil des Biotops an der Rodach. Aus der Hutweide, einer Art Insel, umschlossen von den beiden Armen der Rodach, ist nach dem Kiesabbau der Hutweidsee entstanden. Ein Mann aus einem Ortsteil berichtet: „Ich bin mit vier Schwestern aufgewachsen, könnt ihr euch vorstellen, was an Pfingsten bei uns vorm Haus los war? Jede Schwester bekam eine Birke, da war ganz schön Gedränge.

    Wir jungen Burschen haben in der Nacht, wie es auch Brauch war, die Gartentürla im ganzen Dorf ausgehängt und weggetragen. Allerdings waren wir so human, dass wir sie nicht versteckt haben. Wir haben sie einfach zu unserer alten Dorflinde getragen, dort konnten sie die Besitzer am anderen Tag wieder abholen.“

    Gartentüren wurden ausgehängt und versteckt

    In Redwitz war das so nicht der Fall. Die Gartentüren wurden im Ort versteckt; mancher Besitzer musste schon intensiv suchen, um sein Eigentum wieder zu finden. Betont werden muss allerdings, dass nichts beschädigt wurde.

    Heute wäre das alles nicht mehr möglich. Die Gesellschaft hat sich soweit gewandelt, dass sofort die Polizei verständigt würde. Damals war es anders, und die Eltern waren sogar stolz darauf, wenn ihre Tochter mit einer schönen Birke bedacht wurde.

    Und was wurde aus den Protagonisten von damals? Nur ein kleiner Teil hat sich das Abenteuerlustige und Schelmische bewahrt. Ein anderer Teil wurde zu Spaßbremsen, die sich heute über jegliche Art von Streichen aufregen. Und die überwiegende Anzahl will offiziell von damals nichts mehr wissen, im Inneren aber denken sie mit einem Schmunzeln zurück.

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