Karin und Wolfgang Brückner aus Hamburg feiern heuer im August das seltene Jubiläum der Diamantenen Hochzeit, sind seit 60 Jahren verheiratet. Nun fragt sich der geneigte Leser, was das mit seiner Heimatzeitung und mit Marktzeuln zu tun hat. Mehr als man denkt, wenn man die Lebensgeschichte von Wolfgang Brückner (84) kennt.
Kreuzburg, das heutige Kluczbork ist eine kleine Stadt in Oberschlesien, heute zu Polen gehörig. Ihren Namen verdankt sie den Kreuzherren vom roten Stern, einem Ritterorden. In Hopfengarten, einem Vorort von Kreuzburg, stand das kleine Anwesen von Johann und Maria Salzbrunn. Fünf Kinder hatte das Bauernehepaar, darunter die Gertrud. Jene Gertrud verliebte sich einst in Leo Snurawa. Die Liebe blieb nicht ohne Folgen, und so wurde am 14. Mai 1938 Wolfgang Salzbrunn geboren, von dem diese Geschichte handelt.
Polnischer Name wurde gestrichen
Erst 1939 bekannte sich der Vater zu seinem Sohn, es wurde geheiratet und Wolfgang hieß fortan Snurawa. Dann kam der Krieg und brachte unsägliches Leid über Europa und der Welt. Nach dem Überfall auf Polen durch die Nazis ließen die Repressalien der Machthaber nicht auf sich warten, bald wurde Vater Leo eingezogen. 1941 befand man behördlicherseits, dass ein polnischer Name nicht zu deutschstämmigen Menschen passt. Die Snurawas mussten einen deutschen Namen auswählen. Seitdem heißt Wolfgang Brückner.

1945 brachte das Kriegsende die Vertreibung von Mutter Brückner, Wolfgang und Schwester Hildegard. „Wir wurden in Züge verfrachtet, an Schlafen für die Erwachsenen war nicht zu denken. Essen und Trinken gab es auch nicht. Auch durften wir nur das Allernotwendigste mitnehmen“, erinnert sich Wolfgang Brückner. Unterwegs entkamen die Brückners nur knapp dem Bombenhagel von Dresden, um nach wochenlanger Irrfahrt in Lichtenfels zu landen.
Im Schützenhaus auf Strohlagern untergebracht, wartete man auf eine ungewisse Zukunft. Schließlich wurden die Flüchtlinge auf Laster verfrachtet und in die umliegenden Dörfer verteilt. So kamen die Brückners nach Marktzeuln. Im Rathaus versammelten sich Einheimische, die die Flüchtlinge aufnehmen sollten, und wählten ihre Kandidaten aus. Kunigunde Christ, Bauersfrau und Wirtin des bekannten Gasthauses „Zum alten Bappela“, hatte die Brückners auserkoren. Sie wurden in der Familie herzlichst aufgenommen.
Zwei Freunde gehen durch dick und dünn
Besonders Wolfgang hatte es gut getroffen, gab es doch in der Familie Christ einen gleichaltrigen Bengel namens Christian, mit dem er alsbald enge Freundschaft schloss. Bald wurden beide eingeschult – damals in der Schule im Rathaus. 1948 kehrte zunächst Heinrich Christ und dann auch Wolfgangs Vater aus russischer Gefangenschaft zurück. Die Freundschaft zwischen Christian und Wolfgang wuchs beständig, unzählige Streiche wurden gespielt, mannigfache Abenteuer erlebt.

So waren die beiden und ihr Freund Mats einmal in Coburg und wollten Bratwurst essen. Allein, das vorhandene Geld reichte hinten und vorn nicht und so fragten sie den Bratwurstbrater, ob sie denn auch nur eine Senfsemmel bekommen könnten. Diese wurde ihnen für ihre wenigen Groschen gerne gewährt. In dieser Zeit machte Wolfgang die ersten Erfahrungen mit nebenverdienstlicher Arbeit. 1950 war bei Familie Flieger, beim sogenannten Felsenhaus, das Dach zu decken und Wolfgang half für eine Mark am Tag fleißig mit. 1952 ging Wolfgang nach sieben Jahren Volksschule bei einem Schlosser in Lichtenfels in die Lehre. Was er hier lernte und an Erfahrungen sammelte, sollte sein ganzes Berufsleben prägen. Die Lehre schloss er nach drei Jahren mit einem „sehr gut“ in Praxis und „gut“ in Theorie ab.
Wolfgang zog es dann unter anderem nach Mainz, Ingelheim und Wuppertal, bis er in Hamburg landete und in der Kesselschmiede der Deutschen Werft seine Arbeit begann. Hier lernte er am ersten Weihnachtstag 1958 seine Karin kennen. Doch nie vergaß er darüber seine zweite Heimat Marktzeuln.
Als ihn 1959 allerdings ein Besuch nach Oberfranken führte, damals schon mit seiner „Isetta“ und mit Freundin Karin, war die Bappeles-Kuni „not amused“ bei dem Ansinnen, ohne Trauschein oder auch nur Verlobung ein gemeinsames Gemach bei Familie Christ zu beziehen. Sie verfrachtete kurzerhand die Karin in ein eigenes Zimmer, schön weit entfernt von Wolfgangs Schlafstube. Ordnung musste sein. Nichtsdestotrotz schloss die Kuni das „Stadtmädchen“ alsbald in ihr Herz, und so war auch Karin stets in Zeuln willkommen.
1962 am 10. August wurde in Hamburg geheiratet und man konnte fürderhin als rechtens angetrautes Paar die Marktzeulner Freunde besuchen. Zwei Kinder komplettierten in den nächsten Jahren die Familie. Sein Berufsleben kann man in der Tat als spannungsreich bezeichnen, führte es doch den inzwischen anerkannt versierten Anlagenbauer im Bereich Thermotechnik in nahezu alle Länder Europas, bis nach Moskau und sogar ins ferne Sibirien.
Autodidaktisch Wissen angeeignet

Stolz ist der Wolfgang bis heute darauf, dass er ohne Studium und mit nur sieben Jahren Volksschule sich so viel Wissen autodidaktisch aneignen konnte um in führenden Positionen zu arbeiten.
Immer wieder – zuletzt 2021 – zog es ihn zu Besuchen nach Marktzeuln, um sich mit Freunden und – leider immer weniger werdenden – Schulkameraden zu treffen. Am 10. August nun feierten Wolfgang und Karin im Kreise von Familie und Freunden ihre Diamantene Hochzeit. Die Feier, bei dem der Autor dieser Zeilen dabei sein durfte, fand in Scharbeutz an der Ostsee statt, nicht weit vom Plöner See, wo die Familie seit vielen Jahren einen festen Wohnwagenstellplatz hat.
Das Obermain-Tagblatt wünscht den beiden noch viele Jahre Glück und Gesundheit und hoffentlich noch viele Besuche in Marktzeuln. Der nächste ist für Frühjahr 2023 geplant.