Angeklagt war der 24-Jährige aus dem östlichen Landkreis, der im letzten November im Zug zwischen Lichtenfels und Burgkunstadt einen Schaffner angegriffen hatte, wegen versuchten Mordes. Verurteilt worden ist er am Mittwoch am Landgericht Coburg wegen gefährlicher Körperverletzung.
Die Strafkammer unter dem Vorsitz von Richterin Jana Huber kam zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und neun Monaten wegen gefährlicher Körperverletzung. Zudem ordnete das Gericht die Unterbringung des jungen Mannes in eine Entziehungsanstalt an. Abzüglich seiner siebenmonatigen Untersuchungshaft kann er praktisch sofort die Behandlung seiner Drogen- und Alkoholabhängigkeit beginnen.
Die Zugfahrkarte im Wert von 3,90 Euro war am Ende zu einem wesentlichen Gegenstand des Verfahrens geworden. Der Beschuldigte behauptete, ein Ticket am Automaten vor Besteigen des Zugs in Lichtenfels gelöst zu haben. Allerdings ist es bis heute nicht aufgetaucht. Der Nachweis, dass der 24-Jährige am Automaten bezahlt hatte, ließ sich nicht mehr erbringen. So entschied das Gericht in dieser Sache im Zweifel für den Angeklagten, da dieser den Fahrschein ja auch irgendwo verloren haben könnte – noch dazu „nach einer durchzechten Nacht“, worauf Verteidiger Michael Linke hinwies. Geht man davon aus, dass der 24-Jährige eine Fahrkarte gelöst hatte, fallen die beiden von der Staatsanwaltschaft zu Beginn des Prozesses angeführten Mordmerkmale Habgier und Vertuschen einer Straftat weg. Anwalt Linke meinte ohnehin, dass der Auslöser für den Angriff auf den Zugbegleiter die Handy-Fotos waren, die dieser von dem ihm verdächtig vorgekommenen Fahrgast gemacht hatte. „Das war gar nicht zulässig“, betonte der Verteidiger, ohne die heftige Reaktion seines Mandanten auf die Aufnahmen entschuldigen zu wollen.
Deutliche Diskrepanz
Für die Kammer erklärte Jana Huber, dass die Beweisaufnahme auch keinen Tötungsvorsatz ergeben habe. Gezielte und heftige Tritte gegen den Kopf des Schaffners konnten durch die Befragung von Zeugen nicht zweifelsfrei festgestellt werden. Zudem hätten die Verletzungen des Schaffners nicht auf ein massives Einwirken auf den Schädel schließen lassen. Ein Sachverständiger, so Huber, sei zu dem Schluss gekommen: „Die Diskrepanz zwischen den Angaben des Zugbegleiters und seinen Verletzungen ist deutlich.“ Dennoch stehe fest, dass der Beschuldigte dem Zugbegleiter einen heftigen Faustschlag ins Gesicht versetzt hat, was zu einem Nasenbeinbruch führte. Die psychischen Folgen für den Geschädigten seien offenbar schlimmer als die mittlerweile verheilten Verletzungen. Die Kammer habe den Eindruck, dass der Angriff für den Schaffner ein „lebensveränderndes Ereignis“ gewesen sei.
Überhaupt nicht reagiert habe der Beschuldigte auf die Aufforderung des Schaffners, seine Fahrkarte zu zeigen. Nachdem dieser dem 24-Jährigen eröffnet habe, er werde wegen des Verdachts auf Schwarzfahren die Polizei rufen und begonnen hatte, den jungen Mann zu fotografieren, sei die Situation eskaliert.
Reue gezeigt
„Bei ihnen sind sämtliche Sicherungen durchgebrannt“, schrieb die Richterin dem 24-Jährigen ins Stammbuch. Der beteuerte ein weiteres Mal, dass ihm der Angriff auf den Schaffner leid tue. „Ich möchte daran arbeiten, dass so etwas nicht wieder passiert“, sagte er. Das Urteil nahm er an. Staatsanwalt Schütz, der eine fünfjährige Haftstrafe beantragt hatte, ließ offen, ob die Staatsanwaltschaft ihr Recht auf die Anfechtung des Urteils wahrnehmen möchte oder nicht.