Nach 48 Jahren in der Agentur für Arbeit Bamberg-Coburg ist Gerold Domhardt (65), Fachkraft für Alg Plus, in den Ruhestand getreten. Fast ein halbes Jahrhundert, sein gesamtes Arbeitsleben war er für Menschen da, die in Not geraten waren. Für die Kollegen war er eine feste Institution. Sein Werdegang ist charakteristisch für die Entwicklung der Arbeitsagenturen in den vergangenen Jahrzehnten.
Als Domhardt die 10. Klasse auf dem Gymnasium in Neustadt besuchte, wollte er lieber sein erstes Geld verdienen, als bis zum Abitur noch drei Jahre die Schulbank zu drücken. Mittwoch war Berufsberatertag in der Nebenstelle Neustadt. Da er an Verwaltungsberufen interessiert war, fragte ihn der Berater, ob er sich eine berufliche Zukunft beim Arbeitsamt vorstellen könne. Es war der letzte Tag der Bewerbungsfrist, welcher der erste Tag für seine Zukunft sein sollte. Zwölf Abiturienten kickte der passionierte Fußballer aus dem Spiel. Der Test im Landes-arbeitsamt Nürnberg umfasste 120 Fragen zu Politik, Sport, Kunst und Literatur – kurz gesagt, damals wie heute legte die BA Wert auf Allgemeinbildung.
Am ersten Arbeitstag bereits wieder nach Hause geschickt
Am 3. September 1973, seinem 17. Geburtstag begann er seinen Dienst und musste bereits nach einem halben Arbeitstag wieder gehen. Seine Eltern waren voller Sorge, dabei trug sein Dienstherr nur dafür Sorge, dass er seinen halben Urlaubstag gleich in Anspruch nahm, der jedem an seinem Ehrentag zustand. Er absolvierte noch ein Jahr als Verwaltungspraktikant, da man erst volljährig den gehobenen Dienst als Verwaltungsinspektorenanwärter antreten durfte. In jener Zeit wurden die Gleise gelegt, die ihn zur Leistungsabteilung führen sollten. Früh einen Aktenberg links am Platz, abends war er rechts. Man hat gesehen, was man geleistet hat, anders als in den rein beratenden Tätigkeiten.

Bis Ostern, weit in den Frühling hinein, gab es viel zu tun. Die Arbeitslosengeldzahlungen erfolgten im Zweiwochen-Rhythmus. Es gab keine EDV, alles analog. Domhardt erinnert sich: „Überzahlungen waren an der Tagesordnung. Meterhohe Aktenstapel waren in einem Büro. Mein Abteilungsleiter gab mir den Auftrag – machen Sie die Berge eben. Zwei Monate hat es gedauert. Als Belohnung bekam ich eine Flasche Bier und eine Hackfleischsemmel.“
1974 begann sein Vorbereitungsdienst zum Verwaltungsinspektorenanwärter in der Verwaltungsschule in Daun. Die Einberufung zum 15 monatigen Wehrdienst erfolgte direkt im Anschluss – auch in Daun in der Eifel.
Am 2. Januar 1978 trat er in der Leistungsabteilung in Coburg an. Der Willkommensgruß lautete: „Wir machen Überstunden.“ Es war ja Winter, besonders im Frankenwald. Es folgten verschiedene Ansätze im Kindergeld und der Berufsausbildungsbeihilfe bis 1983. Aber stets blieb er der Leistungsabteilung treu. Seitdem war er ohne Unterbrechung als Sachbearbeiter in der Leistungsstelle für Arbeitslosengeld und –hilfe.
„Sechs-Tage-Wochen mit über 50 Stunden waren für uns in den 70-ern eine Selbstverständlichkeit, da im Frankenwald zur Winterzeit viele Wald- und Bauarbeiter freigesetzt wurden.“
Gerold Domhardt, Arbeitsagentur
„Publikumsverkehr und Leuten in schwierigen Lebenslagen zu helfen, hat mir stets Spaß gemacht, auch wenn man abends nie mit der Arbeit fertig ist“, sagt Gerold Domhardt. 1973 hatte allein der Arbeitsamtsbezirk Coburg mit Kronach und Lichtenfels 32 Kräfte in der Leistungsabteilung. Jetzt sind es in Ober- und Unterfranken insgesamt gerade mal 90.
„Sechs-Tage-Wochen mit über 50 Stunden waren für uns in den 70-ern eine Selbstverständlichkeit, da im Frankenwald zur Winterzeit viele Wald- und Bauarbeiter freigesetzt wurden“, berichtet Domhardt. Freitags war um 17 Uhr Dienstschluss und samstags waren er und seine Kolleginnen von 7.30 Uhr bis Mittag für die Kunden da. Urlaub nahmen sie in der kalten Jahreszeit nur halbe Tage. Es gab extra einen Wintereinsatzplan – für das ganze Arbeitsamt. Arbeitsvermittler, Berufsberater sowie Nachwuchskräfte haben als Winterzusatzkräfte Alg-Anträge mit bearbeitet.
Besonders der technische Fortschritt trug viel zur Effizienzsteigerung bei. Erst nach 1975 kamen erste Taschenrechner zum Einsatz. „Der PC wurde 1984 in Dienst gestellt, wobei wir ihn das erste halbe Jahr kaum nutzten, da keiner mit dem Umgang vertraut war“, erinnert sich Domhardt. Davor wurden Lochkarten mit Stiften markiert und nach Nürnberg geschickt, wo das Arbeitslosengeld alle zwei Wochen ausgezahlt wurde.
Das starke Telefonaufkommen kam erst in den vergangenen Jahrzehnten auf. Bis in die 1980-er Jahre gab es im ersten Stock eine Telefonzentrale, wo jedes Gespräch angemeldet werden musste. Teilweise erst nach einem halben Arbeitstag verband de Telefonistin die Anrufer.
Das Arbeitspensum war von der Wiedervereinigung 1990 bis zur Einführung der Servicecenter (SC) 2005 am höchsten. Die Servicecenter brachten spürbare Entlastung. Die Arbeitslosenhilfe, der Vorgänger von Hartz IV, machte bis 2005 den überwiegenden Teil der Arbeit aus. In den vergangenen Jahren nahmen Nahtlosigkeitsfälle zu, Schicksale von Menschen, die eigentlich nicht mehr arbeitsfähig sind, aber es noch nicht in die Rente schaffen.
„Rückblickend bin ich lieber heute in der Bundesagentur für Arbeit als damals“, betont Gerold Domhardt. „Zu jener Zeit gab es strenge Hierarchien, Vorgesetzte waren unnahbar. Heute ist das Miteinander im Team wesentlich angenehmer. Wir sind als Dienstleister, nicht als Behörde für den Bürger da.“
Und heute? „In der Corona Krise unterstützen uns wieder die Kollegen aus dem ganzen Haus beim Kurzarbeitergeld. Die Krise hat uns nicht überrascht oder überfordert“, sagt Domhardt.
Gesundheitsmanagement und eine eigene Fußballmannschaft
Betriebssport genießt bei der Bundesagentur traditionell ein hohes Ansehen. Als Fußballspieler in der Landesliga und Trainer war Domhardt fester Bestandteil der Arbeitsamts-Mannschaft. Ab 1974 gab es im Bereich des Landesarbeitsamts Nordbayern jährlich ein Turnier. „So manche personelle Entscheidung wurde in jenen Tagen durch fußballerisches Talent begünstigt, so hatte man den Eindruck.“ Bis in die 1990-er Jahre wurde wöchentlich trainiert. Die Arbeitsagentur hat immer noch ein eigenes Team, das bei den jährlichen bayerischen Agenturmeisterschaften mitspielt.
Gerold Domhardts Fazit: „Wenn man sieht, wie kundenorientiert wir heute mit unseren Kunden umgehen und die BA mit uns, ihren Mitarbeitern, können wir sehr stolz und zufrieden sein. Ich habe keinen Tag meine Entscheidung für die BA bereut und hatte ein erfülltes Berufsleben.“ (red)