Die Firma Kunststofftechnik Scherer & Trier hat gestern Vormittag am Insolvenzgericht Coburg den vorläufigen Insolvenzantrag gestellt. Am Nachmittag informierte die Unternehmensleitung bei einer Betriebsversammlung die Belegschaft über die Zahlungsunfähigkeit. Scherer & Trier ist der zweitgrößte Arbeitgeber im Landkreis.
Dass der weltweit agierende Automobilzulieferer mit Hauptsitz in Michelau seit mehr als einem Jahr einen Investor sucht, war ein offenes Geheimnis. Immer wieder wurden potenzielle Geldgeber auf dem Firmengelände gesichtet. Dass die Erfolgs- und Vollzugsmeldung nicht kam, verunsicherte die rund 2300 Mitarbeiter (2000 am Hauptsitz).
Gestern um 14 Uhr, einen Tag vor der Betriebsratswahl, kam dann bei der Betriebsversammlung die traurige Gewissheit: Das Unternehmen ist zahlungsunfähig. Zu diesem Zeitpunkt wussten es viele der Mitarbeiter schon, was ihnen gesagt werden würde. Im Rahmen des halbstündigen Treffens in einer Fertigungshalle lernten sie erstmals Rechtsanwalt Joachim Exner, den vorläufigen Insolvenzverwalter von der Kanzlei Dr. Beck & Partner, kennen.
Produktion geht weiter
„Die Produktion wird auf dem derzeit hohen Niveau aufrecht erhalten, so dass der Geschäftsbetrieb nahtlos fortgeführt werden kann“, betonen Exner und die Geschäftsleitung von Scherer & Trier in einer Pressemitteilung. „Die Stabilität der Lieferkette zu den Automobilherstellern wird weiter vollumfänglich gewährleistet.“ In den nächsten Tagen mache sich der vorläufige Insolvenzverwalter ein exaktes Bild von der wirtschaftlichen Lage und prüfe alle Sanierungsoptionen.
Weiter heißt es, dass jeweils nur die deutschen Gesellschaften der Firmengruppe Insolvenz angemeldet hätten. Die beiden eigenständigen Gesellschaften in den USA und Mexiko seien nicht von der Insolvenz betroffen. Der Insolvenzverwalter habe bereits direkten Kontakt mit den wichtigsten Kunden und Lieferanten aufgenommen.
„Ein wichtiges Signal“
„Die Kunden und Lieferanten, mit denen ich bisher gesprochen habe, halten alle dem Unternehmen die Stange. Das ist ein wichtiges Signal und zeigt das Vertrauen in die Qualität und Leistungsfähigkeit von Scherer & Trier.“ Derzeit bestehen nach Unternehmensangaben keine Lohnrückstände. Die Löhne und Gehälter für die nächsten drei Monate seien nebst den tariflichen Zulagen über das Insolvenzgeld in vollem Umfang abgesichert. Die Arbeitnehmervertretung, bestehend aus dem Betriebsrat und der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) seien frühzeitig mit einbezogen worden. „Dies ist ein gutes Zeichen in diesen schwierigen Zeiten. Die Rechte der Belegschaft werden durch uns konsequent im weiteren Verlauf vertreten“, erklärt Astrid Meier, die stellvertretende Landesbezirksleiterin der IG BCE. Der Umsatz der Scherer & Trier-Gruppe betrug nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr rund 240 Millionen Euro. Der Kunststoffspezialist habe trotz guter Auftragslage Insolvenz anmelden müssen, nachdem Gespräche über eine Anschlussfinanzierung gescheitert seien.
Heinz Gärtner, Kreisvorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), ist skeptisch. „Drei Monate bekommen die Leute ihr Geld weiter, dann geht's ans Eingemachte“, vermutet er. „Wir haben die Geschichte bei Scherer & Trier verfolgt und waren schon sehr überrascht von der Beruhigungstaktik, die die Geschäftsleitung verfolgt hat. Es wurde stets auf Zeit gespielt.“
„Schonungslos aufarbeiten“
Der Insolvenzverwalter müsse die Angelegenheit nun schonungslos aufarbeiten, fordert Gärtner. „Er muss die Ursachen erforschen und alles durchleuchten. Er muss vereidigte Sachverständige ins Boot nehmen, die herausfinden, wie es so weit kommen konnte, dass eine so große Firma wie Scherer & Trier an die Wand fährt.“ Der DGB-Kreisvorsitzende hat für sich die Ursache bereits gefunden: „Die Verantwortlichen sitzen oben. Hier wurde Missmanagement betrieben. Und die Betroffenen an der Basis müssen es nun ausbaden. Diejenigen, die immer ihre Arbeit getan haben und für die ganze Misere nichts können.“ Der Schneyer sieht nun die Politik und die Wirtschaftsförderung am Landratsamt in der Pflicht. Er gibt sich streitbar: „Wir kämpfen um jeden Arbeitsplatz! Die Firma in ihrer Betriebsgröße zu erhalten, das muss das Ziel des Insolvenzverwalters sein. Und dazu müssten die Hosen ‘runter.
Landrat Christian Meißner zeigt sich in einer Stellungnahme sorgenvoll. „Nach den Meldungen der vergangenen Monate kam die Mitteilung, dass Scherer & Trier Insolvenz anmeldet, nicht ganz überraschend“, sagt er. „Ich habe in den vergangenen Monaten versucht, an einer tragfähigen Lösung mitzuwirken, um diese einschneidende Entscheidung abwenden zu können.“
Landrat fordert Unterstützung
Landrat, Landkreis und Wirtschaftsförderung würden alle Kraft in die Sicherung des Standortes setzen. „Ich biete konstruktive Gespräche mit allen an, die dazu beitragen können, dass möglichst alle Arbeitsplätze erhalten bleiben.“
Insbesondere fordert Christian Meißner Unterstützung von der Staatsregierung aus München. „Quelle in Fürth, Loewe in Kronach, Siemens in Bad Kissingen – das alles sind Beispiele für die tatkräftige Unterstützung durch den Freistaat in vergleichbaren Situationen. Ich fordere dieses Entgegenkommen auch für den Kreis Lichtenfels.“
„Schmerzhafter Einschnitt“
Auch Bundestagsabgeordnete Emmi Zeulner und Landtagsabgeordneter Jürgen Baumgärtner sind besorgt. „Die Insolvenz bedeutet für die Region einen gravierenden und schmerzhaften Einschnitt“, betont Zeulner. „Nun gilt es, alles daran zu setzen, die Arbeitsplätze in Michelau zu halten.“
Die Technologien von Scherer & Trier seien zukunftsträchtig und die Produkte nachgefragt. „Wir müssen Möglichkeiten finden, das Know-How von Scherer & Trier und den dort beschäftigten Mitarbeitern in Deutschland zu halten.“ Dieses Ziel verfolge sie mit aller Kraft gemeinsam mit Landrat Christian Meißner und Landtagsabgeordneten Jürgen Baumgärtner. Letzterer fügt an: „Wir werden alles daran setzen, eine gute Lösung für Mitarbeiter und Unternehmen zu finden. Scherer & Trier muss wieder in ein sicheres Fahrwasser gebracht werden.“
Für kommenden Montag ist bei Scherer & Trier in Michelau eine weitere Betriebsversammlung angesetzt.
„„Die Verantwortlichen, die gesteuert haben, sitzen oben. Hier wurde Missmanagement betrieben. Und die Betroffenen an der Basis müssen es nun ausbaden. “
Heinz Gärtner Deutscher Gewerkschaftsbund