Wer ein Fahrzeug besitzt, weiß, wie wichtig die Batterie ist, um das Gefährt in Gang zu bringen. Batterien sehen von außen unspektakulär aus, haben aber ein hoch kompliziertes Innenleben. Gertrud Moll-Möhrstedt könnte darüber Vorträge halten. Ihr Unternehmen ist das einzige der Branche, das noch unabhängig ist und in Deutschland produziert. In Bad Staffelstein gibt es MOLL-Batterien seit 1945. Zur Zeit finden dort 240 Menschen eine Beschäftigung.
Wenn alles so läuft, wie geplant, wird die Mitarbeiterzahl im Unternehmen in den nächsten Jahren wachsen und die Marke MOLL international weiter an Bedeutung zunehmen. Die Firma hat nämlich einen neuen Partner und Gesellschafter gewonnen, der allerdings auf den ersten Blick von der Dimension her den des mittelständischen Familienunternehmens am Obermain sprengt. „Die Welt verändert sich“, sagt die Firmenchefin und „man muss sich auch als Mittelständler global aufstellen“, ergänzt ihr Managing Partner, Dr. Klaus Eichhorn. Global aufstellen bedeutet im Fall Moll den nachhaltigen Einstieg in den riesigen chinesischen Markt.
1,7 Milliarden Jahresumsatz
Eine Woche war Gertrud Moll-Möhrstedt zusammen mit Entwicklungsleiter Dr. Manfred Gelbke kürzlich in Changxing, um die neue strategische Partnerschaft mit dem börsennotierten Batteriehersteller Chaowei zu unterzeichnen. Das Unternehmen produziert Masse: An 16 Standorten werden alljährlich insgesamt 130 Millionen Batterien pro Jahr auf den Markt gebracht. Der Jahresumsatz liegt bei 1,7 Milliarden Euro und erhöhte sich im Vergleich zum vorangegangenen Jahr um satte 50 Prozent. „Das ist eine wahnsinnige Dynamik“, fügt Managing Partner Eichhorn an, wenn seine Chefin solche Zahlen nennt. Zum Vergleich: Moll kommt - je nach Bleipreis - auf 40 bis 50 Millionen Euro Jahresumsatz. David und Goliath gehen eine ungleiche Partnerschaft ein, möchte man da meinen. „Wir sind auf Augenhöhe“, sagt hingegen die Firmenchefin aus Bad Staffelstein. Das „Unternehmen China“ wurde sehr gut vorbereitet. Unterstützt wurde MOLL dabei durch Dr. Klaus Eichhorn mit seinem Team von der Auditax Management Beratung. Das Bad Staffelsteiner Unternehmen kannte chinesische Geschäftspartner bislang im Rahmen von Lieferungen in das Ersatzteilgeschäft. Dass es nun den führenden chinesischen Batteriehersteller als Partner gewonnen hat, ist nicht zuletzt der Innovationskraft seiner Entwicklungsabteilung und dem Fleiß seiner Mitarbeiter zu verdanken.
„Weltweiter Durchbruch“
Nachdem MOLL im Jahre 2012 unter Leitung von Gelbke die völlig neu entwickelte Bleibatterie in EFB (Enhanced Flooded Battery)-Techonolgie für die die neue Start-Stopp-Funktion in Autos wie Audi A1 und A3 sowie VW Golf auf den Markt gebracht hatte, habe es Anfragen zur neuen Technologie aus aller Welt gegeben, so die Firmenchefin im Gespräch mit dem OT.
Millionen Euro an Entwicklungskosten am Standort Bad Staffelstein seien in dieses Produkt gesteckt worden, das dann so prächtig auf dem Markt einschlug. „Das war unser weltweiter Durchbruch“, so Moll-Möhrstedt. Mit den Anfragen konnte das Unternehmen aus dem heimischen Landkreis dann auswählen, mit wem das Know-How für eine Globalisierung des Qualitätsprodukts geteilt werden soll. Als mittelständisches Unternehmen im Ausland eigene Produktionsstätten aufzubauen würde Moll überfordern. Also wählte man einen Partner unter den Kandidaten, die sich angeboten hatten.
MOLL entschied sich für den Markt mit dem weltweit größten Wachstum, den besten Wachstumsprognosen und weiteren verheißungsvollen Indikatoren. Einige Zahlen, die das verdeutlichen: 2005 produzierten deutsche Automobilhersteller im Reich der Mitte 430 000 Fahrzeuge, 2013 waren es bereits 3,5 Millionen.
„Wir sind auf Augenhöhe.“
Gertrud Moll-Möhrstedt Geschäftsführende Gesellschafterin MOLL-Batterien
VW/Audi, seit vielen Jahren von MOLL mit Batterien beliefert, verkaufen ein Vielfaches in China wie in Deutschland, 2013 über 3 Millionen Autos. 75 Prozent aller Autofahrer Chinas wollen sich in den nächsten zwei Jahren ein neues Auto kaufen, erfuhr Gertrud Moll-Möhrstedt bei ihrem Besuch dort. Diese ungeheure Nachfrage nach neuen Fahrzeugen, die aus Gründen der CO2-Reduzierung mit Start-Stopp-Funktion ausgestattet sein werden, ist für die Produzenten der dazugehörigen Batterien eine Riesenchance: In den verkehrsreichen Großstädten Chinas müssen Autofahrer schon auf dem Weg zur Arbeit und zurück zigfach kurz anhalten und weiterfahren.
Gertrud Moll-Möhrstedt ist nach den bisher gesammelten Erfahrungen ihrer Sache ganz sicher. Sie weiß um die Stärke und die Innovationskraft ihres Unternehmens, in dem 20 Mitarbeiter für die Entwicklung neuer Produkte eingesetzt werden. Sie hat sich auch nach den Umweltstandards in China erkundigt. Sie seien deutlich angehoben worden und entsprächen nun westeuropäischem Niveau, sagt sie. 2012 seien 500 Batteriefabriken in China geschlossen worden, weil sie Auflagen nicht erfüllten.
Standort am Obermain stärken
Das Geschäft ist perfekt. Es soll aber nicht nur den Chinesen besseres Know How bescheren. Das Unternehmen in Bad Staffelstein will nun durchstarten: „Wir planen Investitionen in Höhe von 6,5 Millionen Euro in den Standort in Bad Staffelstein“, so Gertrud Moll-Möhrstedt. Die Mitarbeiterzahl soll dank China-Connection kontinuierlich weiterwachsen. Qualifizierte Arbeitskräfte wie Elektrochemiker oder Verfahrenstechniker würden demnächst gesucht. Besonders stolz ist die Firmenchefin, dass diese Investitionen dank frischem Kapital durch den neuen Gesellschafter ohne Bankenhilfe geschultert werden könne. „Das stärkt unser Unternehmen“, sagt die Chefin.
„An Qualität hapert es noch“
Chaowei sei trotz seiner enormen Größe ein Familienunternehmen wie MOLL, sagt Gertrud Moll-Möhrstedt. Dies habe die Entscheidung erleichtert. Man sei sich - nicht zuletzt beim Essen mit Stäbchen - auch menschlich schon näher gekommen, habe Sitten und Gebräuche kennen gelernt: Pünktliches Essen in China sei wichtig, das Essen sei ausgesprochen schmackhaft und die anfänglich gewöhnungsbedürftige Angewohnheit, beim Essen zu schlürfen und zu schmatzen, sei eine Anerkennung und ein Zeichen dafür, dass es gut schmeckt.
In der nächsten Zeit wird es regelmäßige Austauschbesuche von Delegationen zwischen Bad Staffelstein und Changxing geben. MOLL Batterien will, so sagt es Dr. Gelbke, das große chinesische Unternehmen auf die Technologie- und Qualitätsebene führen, die in Westeuropa und bei den deutschen Automobilherstellern verlangt wird, denn diese Technologie ist neu und an „Qualität hapert es dort noch“.
Dann können die Chinesen mit ihren Batterien problemlos Kunden wie Audi, VW und andere Marken vor Ort beliefern. In Changxing entsteht aufgrund der oberfränkisch-chinesischen Zusammenschlusses bereits eine neue Produktionsstätte für Batterien: Ungefähr 20 Fußballfelder groß. „Die haben eine Geschwindigkeit drauf, die für uns unvorstellbar ist,“ sagt die Firmenchefin.
Geschäftsbeziehungen heimischer Firmen mit China gibt es schon seit Jahrzehnten
Geschäftsbeziehungen mit China sind für Unternehmen im heimischen Landkreis nichts Außergewöhnliches. Eine Umfrage unserer Zeitung hat ergeben, dass es sie zum Teil schon Jahrzehnten gibt. Bei den Korbwaren zum Beispiel haben die Chinesen die Lücke ausgefüllt, die nach dem Niedergang der heimischen Korbindustrie auf Produktions- und Fertigungsseite entstanden war.
Michael Dinkel, Chef des Korb- und Flechtwaren-Handelsunternehmens Adam Schmidt in Lichtenfels, zählt derzeit 40 Firmen aus dem Reich der Mitte zu seinen Geschäftspartnern. Sie machen mit ihren Lieferungen via Schiffscontainer an den Obermain rund die Hälfte des gesamten Geschäftsvolumens aus, so Dinkel. 1,5 Millionen Dollar setzt das Unternehmen, das rund 3000 Kunden in Deutschland und Europa hat, damit um. Dinkel schätzt die große „Kreativität“ der Chinesen, gerade bei den Flechtwaren. Auf den Messen dort sehe er immer wieder neue Materialien oder neue Flechttechniken.
Als „sehr geschäftsfreudig“ bezeichnet auch Andreas Scherer von der gleichnamigen Michelauer Handelsfirma seine Partner in China. Das 1929 gegründete Unternehmen importiert aus China Rohrattan und Peddigrohr, das von den Chinesen aus Rohmaterialien hergestellt wird. Die Geschäftsbeziehung seit seit 2000 so richtig in Gang gekommen. Das Material aus China liefert Scherer an Kunden in Deutschland und angrenzenden Ländern für die Produktion von Korbwaren oder Korbmöbeln. Auch im medizinischen Bereich werde Rattan und Peddigrohr eingesetzt. In der Ergotherapie oder in der Psychotherapie würden die Materialien Bestandteil für die Fingerfertigkeit oder die einfache Beschäftigung von Patienten eingesetzt. Rattanstangen aus China würden auch zur Fertigung von Bogen hergenommen, sagt Scherer. Den Geschäftsanteil seines Unternehmens mit China beziffert Scherer auf 50 Prozent. Ohne China würde auch das Geschäft der Möbelfirma Heinz Hofmann in Michelau nicht funktionieren. 60 Prozent des gesamten Geschäftsvolumens entfallen hier auf Aufträge mit China. Hilmar Fischer, beteiligter Geschäftsführer, beziffert die Zahl der Partner im Reich der Mitte mit 20. Seit etwa 25 Jahren gibt es die Geschäftsbeziehungen. Wesentlicher Grund für die stabile Auftragslage seien die günstigen Preise, sagt Fischer. Die Michelauer Firma handelt unter anderem mit Klein- und Rattanmöbeln.
Stark vertreten auf dem Weltmarkt sind die Chinesen bei den Spielwaren. Die Michelauer Firma Sieglinde Bayer Chic importiert Spielwaren, Puppenwagen und Puppenzubehör aus dem Reich der Mitte, um sie vom Obermain aus an die Kunden zu verkaufen. Mit farblichen Designvorgaben aus Michelau werden die Exemplare in China gefertigt, sagt Hartmut Glatzer, Prokurist der Firma. Das China-Geschäft läuft bereits seit 25 Jahren.