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EBENSFELD/NEUSTADT B. COBURG: Bahnhof für die Nachwelt erhalten

EBENSFELD/NEUSTADT B. COBURG

Bahnhof für die Nachwelt erhalten

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    Schon im Treppenhaus hört man leise das monotone Surren der Computer. Im Arbeitszimmer sitzt Thomas Oswald, Fotograf, Visagist und seit zehn Jahren auch Modellbauer an dem schuhkartongroßen Modell des Ebensfelder Bahnhofs. Er hat den Auftrag erhalten, das Gebäude, das bald abgerissen wird, nachzubauen.

    Nachdenklich zwirbelt der Neustadter die Enden seines Schnurrbartes und rückt seine Brille zurecht. Im Regal hinter ihm türmen sich fast schon antik aussehende Bücher neben hochmodernen Wälzern über Fotografie und Modellbau. Zuckersachen eines bekannten schwedischen Möbelhauses, eine blaue Tabakdose und ein voller Aschenbecher, die den Arbeitsplatz zieren, schiebt er auf die Seite, um Platz zu schaffen.

    Auf Kartonstreifen hat Oswald die grünen Türen und weißen Fenster des Bahnhofs aufgezeichnet und die Glasflächen ausgeschnitten. In der rechten Hand hält er eine Tube Kleber, mit der er den Karton einstreicht. „Im Vergleich zu anderen Gebäuden war das eine Kleinigkeit", sagt er er und klebt die Fenster seines Ebensfelder Modells auf die Innenseite des Modells.

    Mit einem prüfenden Blick rutscht der versierte Bastler die Fensterreihe noch an die richtige Stelle und erzählt: „Eigentlich habe ich ja mit dem Modellbau nichts am Hut gehabt." Vor 30 Jahren habe er mit dem Bau von Modelleisenbahnen begonnen. Der Auftrag eines Kunden habe den Stein ins Rollen gebracht: „Ich sollte für ihn eine Anlage bauen und habe mich auf dem Markt erst einmal umgeschaut. Doch vieles, was ich brauchte, gab es nicht. Die Qualität war zu schlecht oder es war schlichtweg zu teuer“. Deshalb habe er sich entschieden, selbst in den Modellbau einzusteigen.

    Vor zehn Jahren kaufte er den ersten Laser, mit dem er Teile für Modelleisenbahnzubehör aus Karton und Spanplatten ausschneiden konnte. Seine Bauten profitieren von seinen verschiedenen beruflichen Standbeinen: Wie schon vorher das Fotografieren brachte er sich das Modellbauen selbst bei. „Ich habe für meine Modelle wichtige Techniken aus der Fotografie übernommen und verbessert", erzählt er. Die Technik, mit der er die Gebäude bemalt, übernahm er aus seiner Ausbildung zum Maskenbildner in den 80er Jahren.

    Vor einigen Jahren fragte dann Josef Brandl, „Guru der Modellanlagenbauer“, wie Thomas Oswald ihn nennt, den Neustadter, ob der auch Gebäude für ihn bauen könnte. „Der Kunde von Brandl hat mein erstes Gebäude gesehen und war von der Anlage so begeistert gewesen, dass er die restlichen 80 Gebäude auch in dieser Qualität haben wollte", sagte Oswald. Ab da seien seine Modelle weltweit gekauft worden. „Ich habe Kunden in Südafrika, Buenos Aires, Amerika und Norwegen", erzählt er stolz. Auch preislich sind Oswalds Werken keine Grenzen gesetzt: „Das fängt so bei zehn bis fünfzehn Euro für ein Gebäude an." Sein teuerstes Werk ist ein Modell der Dresdner Semper Oper. „Der Bausatz kostet 200 000 Euro.“ Seine Ideen hat Oswald oft von den Wünschen seiner Kunden: „Ich baue entgegengesetzt zu den großen Herstellern, die etwas auf dem Markt werfen und sagen ,so lieber Kunde, das kaufst du jetzt.“ Er frage, „was braucht ihr denn“ und verwirkliche es, wenn es sich realisieren lasse. Ähnlich sei es auch bei dem Modell des Ebensfelder Bahnhofs gewesen: Ein Seßlacher Architekt hatte Oswald auf den geplanten Abriss des Bahnhofs aufmerksam gemacht und ihn beauftragt, ein Modell zu bauen. Das Urmodell des Bahnhofs bekommt nach der Fertigstellung der Architekt, der Bausatz geht in das Sortiment des Künstlers und ist für jeden zu bestellen. Wer weiß, vielleicht steht ein Modell des Bahnhofs vielleicht auch bald in Amerika?

    Der Bahnhof Ebensfeld

    Das Bahnhofsgebäude in Ebensfeld ist ein Sandstein-Ensemble aus den Jahren 1845/46. Architekt war Friedrich Bürklein (1813-1872). In den zwei Jahrzehnten nach Mitte des 19. Jahrhunderts galt der Architekt als der bedeutendste bayerische Baumeister seiner Zeit. Mit dem Fürther Rathaus führte der gerade Fünfundzwanzigjährige bereits eines der wichtigsten Bauprojekte Bayerns aus. Zehn Jahre später entwarf er mit dem Münchner Bahnhof ein international beachtetes Bauwerk. Der Architekt plante den größten und vornehmsten Bau Münchens zwischen 1850 und 1870 und prägte als Pionier europäischer Bahnhofsarchitektur dessen Form entscheidend mit.

    Vor vier Jahren kam die Idee auf, den Ebensfelder Bahnhof, der dem Neubau der ICE-Trasse weichen muss, zu versetzen, in die Nähe der Bahntrasse. Befürworter war unter anderem Bezirksheimatpfleger Prof. Dr. Günter Dippold. Trotz hoher Förderung und Beteiligung der Bahn an den Kosten lehnte der Gemeinderat (120000 Euro von zu erwartenden 1,2 Millionen Euro kommunaler Anteil) ab. Der Beginn des Abrisses steht noch nicht fest, die Ausschreibungen dafür laufen. (rö)

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