Nina-Regina Nötzelmann lächelt, wenn sie über das Flechten spricht. Die Dozentin gibt den zweitägigen Kurs „Freies Fitzen“ für die Sommerakademie Flechten an der Berufsfachschule für Flechtwerkgestaltung in Lichtenfels.
„Es ist eine luftige Technik“, beschreibt Nina-Regina Nötzelmann das freie Fitzen, „es werden weniger bestimmte Produkte geschaffen, sondern Objekte.“ Es sei ähnlich wie in der Kunst, nur „spinnermäßig“, scherzt Nötzelmann. Man wisse nie, was dabei herauskommt. Die Teilnehmer, bestehend aus sechs Frauen und zwei Männern, flechten eifrig. Einige haben bereits Erfahrung gesammelt, andere sind Anfänger. Die meisten haben einen langen Weg auf sich genommen, um an diesem Kurs teilzunehmen.
„Meine Frau Lydia und ich sind 450 Kilometer gefahren, um hierher zu kommen“, erzählt Johann Schwaninger aus Wattens in Tirol. Lydia Schwaninger interessiere sich für kreatives Weidenflechten und habe den Kurs im Internet gefunden. Seitdem sie vor fünf Jahren bei einem Flechttreffen des Flechtwerks Deutschlands teilgenommen habe, fände sie es toll.
„Ich will immer mehr wissen und betreibe das Flechten als Hobby zuhause regelmäßig“, erzählt sie. Mit dem Fitzen wolle sie nun eine neue Technik ausprobieren. „Das Flechten ist sehr anstrengend im Finger“, ergänzt Johann Schwaninger. Von Schmerzen im Daumen berichten die meisten Kursteilnehmer.
„Man muss das Geflecht immer festhalten, was natürlich mit Druckausübung verbunden ist“, erklärt Nina-Regina Nötzelmann. Das sei für ungeübte eine sehr ungewöhnliche Handhaltung, die im Alltag selten vorkomme. Deshalb sei ein Flechtkurs zunächst auch mit Handschmerzen verbunden. In ihrem Workshop „Freies Fitzen“ wird ungeschälte Weide verflochten.
Die Daphnoides Salix – wie die Weide in der Fachsprache heißt – sei unten dicker und oben dünner, was im freien Fitzen in der Objektgestaltung inszeniert werden kann. „Man nimmt circa 20 Ruten und steckt sie in Form“, erklärt Nina-Regina Nötzelmann, „danach sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Man kann rauf und runter flechten.“
Das Fitzen ist die Technik, bei der zwei geschwungene Weiden genutzt werden, um die anderen Weiden zu fixieren. Man könne ohne Form oder Konstruktion, frei aus dem Bauch heraus arbeiten. Gabriele Volz hat diesen Rat befolgt und einfach darauf los geflochten.
Als Hobby betreibt die Crailsheimerin das Flechten bereits länger, doch es war ihr wichtig, professionelle Tricks mitzubekommen. „Es gibt zum Beispiel bestimmte Kniffe, wie man am besten an der Weide ansetzt“, sagt sie.
„Man kann wahnsinnig skurrile Formen daraus machen.“
Nina-Regina Nötzelmann Dozentin der Sommerakademie
Zuhause flechte sie hauptsächlich mit frischer Weide, die noch auswachsen kann. Im Kurs wird getrocknete verwendet, die vorher in Wasser eingeweicht wurden. „Die frischen Weiden werden ein dreiviertel Jahr durchgetrocknet“, erklärt Nina-Regina Nötzelmann, „wenn man sie dann nicht vorher einweichen würde, könnte man sie nicht so eng flechten. Sie würden brechen.“ Und je enger geflochten, desto stabiler werden die Objekte schließlich.
Peter Fackler aus Bamberg interessiert sich seit einem Jahr fürs Flechten und das „Freie Fitzen“ ist sein erster Kurs. „Ich habe mich recht spontan drei Tage vorher dafür angemeldet“, erzählt er. Als junger Mann habe er sich anfangs mit diesem Hobby viel anhören müssen. „Meine Frau lacht etwas“, gesteht er, „und auch Bekannte und Freunde waren anfangs skeptisch. Aber als ich ihnen erklärt habe, was ich genau mache, fanden sie es toll!“ Und Menschen, die dennoch nicht verstehen, wieso er flechtet, sagt er schlicht folgendes: „Es macht einfach Spaß!“
Aus der Schweiz kam Beatrix Ebneter extra angereist. Dort gebe es leider zu wenige Angebote für Flechtkurse. „Und auch nicht in der Vielfalt wie hier“, sagt sie. Dozentin Nina-Regina Nötzelmann, die bereits viel Kurserfahrung hat, gefällt das freie Fitzen besonders gut. „Es ist vielseitig. Man kann wahnsinnig skurrile Formen daraus machen oder in etwas reinarbeiten, um große Wandbilder zu schaffen.“ Um als Laie die Technik 100 Prozent rauszuhaben, müssen man jedoch schon einige Stücke flechten. „Natürlich kommt es auf die Person an und nicht jedem liegt jede Technik“, erklärt sie. Anfänger müssten außerdem ein Gefühl für das Material entwickeln: Zieht man zu fest, knickt die Weide. Lässt man zu locker, leidet eventuell die Stabilität.
Ihre eigenen Produkte verkauft Nina-Regina Nötzelmann oder stellt sie aus. Bis Mitte Oktober ist ihre Ausstellung „Geflecht + X“ im Korbmuseum zu sehen. „Ich habe einfach Alltagsgegenstände genommen und mit Geflechten kombiniert, beispielsweise einen Reifen. Ich wollte weg vom Gegenstand und ihn verfremden.“
Claudia Höcht aus Wunsiedel kam gleich mit dem Wohnmobil nach Lichtenfels. Sie habe in den vergangenen Jahren regelmäßig geflochten und habe sich für zwei Kurse der Sommerakademie angemeldet. „Im nächsten Kurs werde ich noch einen Gartenkorb machen“, freut sich Claudia Höcht. Sie habe bereits verschiedene Kurse belegt und möchte das Flechten gerne als Hobby weiterführen.
Am schwierigsten fände sie das Verlängern von Fitzen. Dies benötige wieder die bekannte Daumenkraft. Anfängern rät sie, direkt einen Kurs zu besuchen. Hiltrud Schön-Abt kombiniert Flechtkurs gleich mit Urlaub. „Als ich gesehen habe, dass es eine Sommerakademie für das Flechten gibt, habe ich mich sofort angemeldet!“, strahlt sie. Am Wochenende werde sie noch an einem Korbkurs teilnehmen.
Leider halten die Weidenflechtwerke nicht ewig. Nach ungefähr fünf Jahren, je nach Standort, löst sich die Rinde, es wird grau und zerfällt. Für diejenigen, die es nicht so weit kommen lassen wollen, hat Nina-Regina Nötzelmann noch einen ungewöhnlichen Tipp:
„Geflochtenes sieht wunderschön aus, wenn man es verbrennt.“ Zuerst glühe es und dann flechte es sich wieder auf. Es gefiele ihr mit einem Material zu arbeiten, dass verschwinden kann. „Man kann immer wieder etwas Neues schaffen. Das ist spannend und schön“, erzählt sie.