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LICHTENFELS: Rattan auf eine neue Stufe heben

LICHTENFELS

Rattan auf eine neue Stufe heben

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    Forschen für neuen Werkstoff: Julian Reuter, Peter Kraft und Tobias Essler (v.li.) im Innovationszentrum Lichtenfels. Hier demonstrieren sie, wie mit einer Pumpe Farbe durch Rattanstangen gepresst wird.
    Forschen für neuen Werkstoff: Julian Reuter, Peter Kraft und Tobias Essler (v.li.) im Innovationszentrum Lichtenfels. Hier demonstrieren sie, wie mit einer Pumpe Farbe durch Rattanstangen gepresst wird. Foto: Roger Martin

    Julian Reuter, Peter Kraft und Tobias Essler haben ein großes Ziel: Die drei Hochschul-Absolventen wollen einen neuen Werkstoff erfinden, mit dem die Herstellung von Möbeln und Einrichtungsgegenständen revolutioniert werden soll. Der Rohstoff, mit dem sie dies erreichen wollen, ist bei uns bestens bekannt: Rattan. Ort des Geschehens: das Innovationszentrum für Marketing, Design und Technologie in Lichtenfels.

    Flechtprodukte und Möbel aus Rattan sind Markenzeichen unserer Region und weit verbreitet. Als Gartenmöblierung sind sie sehr gefragt. Die Widerstandsfähigkeit und Lebensdauer von Rattan ist allerdings beschränkt, folglich seine Weiterentwicklung für künftige Einsatzmöglichkeiten.

    Julian Reuter hat an der Hochschule Coburg Design studiert und seine Bachelor-Arbeit dem Thema Rattan gewidmet. Dabei hat 28-Jährige aus dem Allgäu, wie er unserer Zeitung erzählt, eine erstaunliche Entdeckung gemacht. Rattan-Holz mit ausreichend dickem Durchmesser hat eine ganz besondere Beschaffenheit, es ist nämlich durchsetzt mit feinen Kapillaren. „Ich habe durch ein Rattan-Holzstück durchgeblasen und gemerkt, da kommt Luft durch“, sagt der Hochschul-Absolvent.

    Wenn man diese Kapillaren mit Farbe oder Festiger füllt, könnte ein völlig neuer Werk- und Verbundstoff Rattan entstehen, dachte sich der junge Mann. Diese Idee war der Ansatz für ein Forschungsprojekt, das seit August im Innovationszentrum in Lichtenfels stattfindet und ein Jahr dauern soll.

    „Ich habe durch eine Rattan-Stange durchgeblasen und gemerkt, dass da Luft durchkommt.“

    Julian Reuter RTA-Forscher

    Mit seinen Kollegen fasste der Allgäuer seine Idee in Worte und beschrieb auch die Perspektiven vielversprechend. Daraus wurde ein Antrag für ein EXIST-Gründerstipendium des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Der Antrag wurde befürwortet. Mit den damit verbundenen Zuschüssen, die durch den Europäischen Sozialfonds (ESF) unterstützt werden, konnten die jungen Männer ihre Forschungen finanzieren.

    „RTA“ heißt das Projekt, das den Erfolg bringen soll. Hinter den Buchstaben verbirgt sich der Titel „Rattan Tech Art“. Den Namen für den neuen Werkstoff haben die drei Tüftler ebenfalls schon gefunden: RTAmaterials soll die Erfindung heißen. „Ein Patent für die angestrebte Erfindung haben wir bereits angemeldet“, sagt Julian Reuter.

    Seit kurzem wird also im heimischen Innovationszentrum geforscht. Noch steckt das Projekt in den Kinderschuhen. Mit einer über das Verbraucher-Portal Ebay erworbenen Pumpe, mit deren Hilfe Farbe durch die Kapillaren gepresst wird, haben die Forscher erste Rattan-Stangen gefärbt. „Die Kanülen im Rattan funktionieren wie ein Schlauch“, sagen sie. Das ist der Anfang. Nun müssen weitere Ergebnisse her, um Investoren für die weitere Umsetzung anzulocken.

    Dazu muss die Ausrüstung aufgerüstet werden. Die jetzige – provisorische – Pumpvorrichtung reicht nicht aus. Die drei Forscher wollen demnächst eine neue Pumpe anschaffen, die auch wissenschaftlich verwertbare Daten speichern kann. Tobias Essler, diplomierter Ingenieur aus Grub, übernimmt den maschinenbaulichen Part.

    Pilotanlage bauen

    Der 30-Jährige ist nicht nur verantwortlich für die Weiterentwicklung der jetzigen Pumpe zu einer Pilotanlage, mit der dann Einrichtungsgegenstände in Serie produziert werden können. Er wird die nächsten Monate häufig auch im Labor der Hochschule Coburg verbringen: Dort wird Essler Materialforschung betreiben. Das neue Rattan auf Herz und Nieren prüfen und analysieren, dessen mechanische und biologische Eigenschaften ergründen. Sollte das Projekt den Erfolg erzielen, den die Erfinder anstreben, dann könnte von Lichtenfels aus in der Tat eine bahnbrechende Neuerung für die Produktion von exklusiven und qualitativ hochwertigen Einrichtungsgegenständen ausgehen. „Wir denken da nicht nur an Möbelhersteller, sondern auch an die Automobil-, Verpackungs-, Parkett- oder Oberflächenindustrie“, sagt Peter Kraft.

    Der 27-jährige Designer aus dem Allgäu, ebenfalls Absolvent der Hochschule Coburg, ist sicher, dass zum Beispiel die Wetterbeständigkeit von Rattanmöbeln mit dem neuen Werkstoff stark verbessert werden kann. „Rattan könnte ein ganz anderes Aussehen bekommen, anders verarbeitet und länger haltbar werden“, sagt er. Obendrein könnte ein Erfolg des Projekts „dem Rattan ein besseres Image verschaffen“, so Kraft.

    „Die drei machen etwas, was zuvor noch nie gemacht wurde.“

    Professor Auwi Stübbe Innovationszentrum Lichtenfels

    Nicht nur die drei jungen Forscher versprechen sich viel von „RTA“. Professor Auwi Stübbe, Vorsitzender des Designforums Coburg und einer der Leiter des Innovationszentrums, gerät geradezu ins Schwärmen. „Die drei machen etwas, was zuvor noch nie gemacht wurde“, sagt er. Sie könnten dem Rattan völlig neue Eigenschaften geben. „Im Falle eines Erfolges wäre dies ein Geschäftsmodell, das weltweit vermarktbar wäre“, meint Stübbe weiter.

    Die betriebswirtschaftlichen Chancen ihrer angestrebten Existenzgründung verbinden die drei jungen Forscher ganz entscheidend mit dem Standortvorteil, den sie in Oberfranken und in unserer Region haben. „Die Region Oberfranken bietet für die Herstellung dieser Produkte, mit den größten Anbietern von Rattan-Rohmaterial in Deutschland und einzigartigem Know-how der Rattanverarbeitung, ideale Voraussetzungen für den Betriebsstandort der RTA“, sagen sie. Im späteren Verlauf der Unternehmung solle eine zusätzliche Produktion in Indonesien und der Vertrieb von den RTAmaterials in Form von Stangen, Platten und Furnieren an ausgewählte Hersteller stattfinden.

    Die drei jungen Männer haben sich vor Beginn ihres Forschungsprojekts mit dem Rohstoff Rattan vertraut gemacht. „Wir wollten den Prozess von der Ernte bis zur Verarbeitung sehen“, sagt Julian Reuter.

    Die Entwicklung und Erprobung für eine mögliche Produktion von RTA-Material in Fernost soll ebenfalls in Oberfranken geschehen. Die deutsche Möbelindustrie habe im Jahr 2013 einen Umsatz von rund 16,250 Milliarden Euro erreicht und liege im europäischen Vergleich nur knapp hinter Italien. Unter Berücksichtigung der relevanten Produktgruppen, dem Anteil des hochpreisigen Möbel-Segments und dem Umsatzvolumen von Herstellern mit ähnlichen Produkten schätzen die jungen Forscher das Umsatzpotenzial der RTA auf 64,8 Millionen Euro.

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