Welche Mietobergrenze ist für Sozialleistungsempfänger angemessen? Diese Frage muss der Landkreis Lichtenfels in den nächsten Monaten klären. Auslöser dafür ist ein Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vor zwei Jahren, das einem Hartz-IV-Empfänger mit seiner Klage gegen das hiesige Jobcenter Recht gab. Der Mann hatte für die Bedarfsgemeinschaft, in der er laut Gesetz wohnt, eine höhere Beteiligung des Landkreises an den Kosten für die Unterkunft gefordert. Der heimische Landkreis, der gesetzlich dazu verpflichtet ist, die Kosten für die Unterkunft von Bedarfsgemeinschaften in einem „angemessenen Umfang“ mitzutragen, hatte damals einen geringeren Teil als gefordert übernommen. Seine Begründung: Die von der Bedarfsgemeinschaft eingeforderten Kosten lagen über dem von ihm „angemessenen Betrag“.
„Durch das Urteil wurde klar, dass das Jobcenter und der Landkreis ohne neue Mietwerterhebung auch bei allen weiteren Klagen wegen Unterkunftskosten von Sozialleistungsempfängern unterliegen würden.“
Andreas Grosch Pressesprecher des Landratsamtes
Derzeit übernimmt der Landkreis für einen Hartz-IV-Empfänger die Kosten für Kaltmiete inklusive kalten Nebenkosten wie Wasser bis zu einer Höhe von 247,50 Euro. Dabei legt er eine Wohnungsgröße von maximal 50 Quadratmeter zugrunde. Der Unterstützungsbetrag steigert sich für eine Bedarfsgemeinschaft aus fünf Personen und einer Wohnungsgröße bis zu 105 Quadratmeter auf 394,80 Euro, so die Auskunft des Jobcenters Lichtenfels.
Die Definition des Landkreises Lichtenfels für angemessene Unterkunftskosten, die aus einer eigenen Erhebung im Jahre 2010 stammt, könne nicht die Standards des Bundessozialgerichts erfüllen, so das Sozialgericht, das den Landkreis dazu verurteilte, höhere Unterhaltskosten zu übernehmen. Gleichzeitig erhielt der Landkreis die Auflage, eine neue Angemessenheitsgrenze zu erarbeiten.
Um Rechtssicherheit zu bekommen, hat - wie bereits berichtet - der Landkreis eine Erhebung gestartet, die inzwischen abgeschlossen ist. Ziel der Erhebung ist ein so genannter „grundsicherungsrelevanter Mietspiegel“. Dessen Zahlen sollen klären, welche Miete angemessen ist, und welche nicht. „Wegen des Gerichtsurteils wurde es notwendig, die Angemessenheitsgrenzen neu festzulegen“, erklärt Andreas Grosch, Pressesprecher des Landkreises Lichtenfels. „Durch das Urteil wurde klar, dass das Jobcenter und der Landkreis ohne neue Mietwerterhebung auch bei allen weiteren Klagen wegen Unterkunftskosten von Sozialleistungsempfängern unterliegen würden“, so Grosch weiter.
Der Mietspiegel, der künftig als Grundlage für die Ansprüche von Sozialleistungsempfängern dient, wird vom Hamburger Forschungsinstitut „Analyse und Konzepte“ erstellt. Das Unternehmen orientiert sich neben den Erhebungen aus dem Landkreis an Vorgaben des Bundessozialgerichts. Im Rahmen der aufwändigen und breit angelegten Erhebung hatte das Landratsamt Lichtenfels 2000 Personen angeschrieben, die für einen derartigen Mietspiegel Daten liefern können. Helmut Kurz vom Landratsamt Lichtenfels erklärt das Vorgehen: „Wir haben Bestandsmieten bei Vermietern kleinerer Wohnungen und bei Wohnungsunternehmen erhoben.“ Darüber hinaus sei auch auf die Mietdaten von Hilfeempfängern beim Jobcenter des Landkreises zurückgegriffen worden. Das vom Landkreis beauftragte Institut habe über Anzeigen in den Medien und in Internetportalen auch die Angebotsmieten über einen Zeitraum von fünf bis sechs Monaten erhoben. Die Daten werden derzeit anonymisiert in Hamburg ausgewertet. „Anhand der gesammelten Daten berechnet das Institut die Mietobergrenze“, sagt Kurz.
Auf Basis der Angebotsmieten und des Nachfragevolumens bei den günstigen Wohnungen werde danach geprüft, ob zu den Mietpreisen auch ausreichend günstiger Wohnraum im Landkreis Lichtenfels vorhanden ist. Die errechnete Mietobergrenze diene schließlich, so das Landratsamt, als Referenz für die Übernahme von Unterkunftskosten durch die Behörde.
Ende August 2014 bezogen 2049 Personen im heimischen Landkreis Leistungen vom Jobcenter Landkreis Lichtenfels nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II. Diese leben in 1120 Bedarfsgemeinschaften, so Jobcenter-Geschäftsführer Wolfgang Franz auf Nachfrage. Für die anerkannte Miete, Nebenkosten sowie Heizung seien im April 2104 (letzte verfügbare Daten) 341 686 Euro vom Jobcenter erstattet worden. Im gesamten Jahr 2013 zahlte der Landkreis 3,3 Millionen Euro für die Unterkunftskosten von Hartz IV-Empfängern. Der Bund erstattete davon 1,1 Millionen Euro. Der Landkreis musste den Rest, also 2,2 Millionen Euro, aus eigener Kasse stemmen. Die Kosten beinhalten Unterkunft (Kaltmiete) und Heizung, die nicht getrennt erfasst werden, so das Landratsamt.
Sollte der künftige grundsicherungsrelevante Mietspiegel über dem jetzigen liegen, würden höhere Ausgaben auf den Landkreis zukommen. Die Ergebnisse der Erhebung könne man noch nicht abschätzen, erklärt Helmut Kurz dazu. Von daher könne man auch nicht sagen, ob Sozialhilfeempfänger künftig mehr Hilfe bei der Mietübernahme erwarten können oder nicht. Bislang wird von Fall entschieden, wenn Unterkunftskosten über der Mietobergrenze liegen. Liegen sie darunter, muss der Landkreis die gesamten Unterhaltskosten zahlen.
Der Mietspiegel wird, wie das Landratsamt weiter mitteilt, im öffentlichen Teil einer Kreisausschuss-Sitzung vorgestellt und beraten. Wahrscheinlicher Zeitpunkt sei Januar 2015. Interessierte Bürger können, so das Landratsamt, an der jeweiligen Sitzung teilnehmen oder die Ergebnisse im Sitzungsprotokoll nachlesen. Bis zur endgültigen Verabschiedung des neuen Mietwertspiegels gelten die Zahlen der Mietwerterhebung aus dem Jahr 2010.
Mietwerterhebung
Menschen mit Anspruch auf Grundsicherung (Hartz IV) haben gesetzlichen Anspruch auf angemessene Übernahme von Unterkunftskosten. Der Landkreis ist Träger der Sozialhilfe und muss die angemessenen Kosten zahlen. Was angemessene Kosten sind, soll nun durch die Mietwerterhebung geklärt werden, mit deren Hilfe der grundsicherungsrelevante Mietspiegel erstellt wird.