Hübsch gemachte „Bräute“ können manchmal voll böser Überraschungen stecken. Vor allem, wenn sie aus Kalifornien oder Florida kommen. Wahre Schönheiten auf den ersten Blick: Da ist diese wunderbare Linie, der all die Jahrzehnte scheinbar nichts anhaben konnten. Doch ist einmal der Lack ab, zeigt sich: alles nur Schminke.
„Hinter glänzendem Lack steckt dann meist jede Menge Rost, Kunstharz und Spachtel. Darin sind die Amerikaner wahre Meister: Rosthauben in strahlende Blender zu verwandeln“, lacht Markus Pietza. In Zeiten, in denen Zinsen gegen Null laufen und Aktien aufgrund des Risikos gemieden werden, lohnt es sich dennoch, rollende Wracks wieder in die „alte Heimat“ zu bringen und aus ihnen ehrliche Straßenschönheiten zu machen. Luxus-Oldtimer werden mehr und mehr zur Kapitalanlage. Deshalb landet so mancher Klassiker nach einer Schiffsreise quer über den Atlantik im idyllischen Bad Staffelstein.
„Bei Restaurationsobjekten wuchs der Wert innerhalb eines Jahres um bis zu 30 Prozent.“
Markus Pietza
Vor der Werkstatt des Autohauses Pietza steht eine Gitterbox voll mit rostigen Blechen. Der ausrangierte Original-Unterboden eines Kultwagens: Mercedes 190 SL. Gebaut wurden die schnittigen Roadster von 1955 bis 1963. 16 500 Mark musste man damals dafür beim Autohändler auf die Theke legen. Heute geht der legendäre Einser-Zustand (wie neu) bei 130 000 Euro los, kann aber leicht auch auf weit über 150 000 Euro klettern. „Bei Restaurationsobjekten wuchs der Wert innerhalb eines Jahres um bis zu 30 Prozent“, schätzt Markus Pietza. Ein Ende des Preisanstiegs ist nicht zu sehen. Da ist es rentabel, weiter den US-Markt abzugrasen. Auch wenn die Substanz der Klassiker immer schlechter wird.
Der SL galt als das Auto der Schönen und Reichen. Der Roadster war das Markenzeichen der Edelprostituierten Rosalie Marie Auguste (alias Rosemarie) Nitribitt, deren geheimnisvolle Ermordung das Wirtschaftswunder-Deutschland in Aufruhr brachte. Hinter dem SL-Steuer saßen auch Gina Lollobrigida, Frank Sinatra, Grace Kelly, Alfred Hitchcock, Ringo Starr und Toni Sailer. Wer einen Mercedes 190 SL fährt, der holt ein Stück Mystik zurück auf den Asphalt des 21. Jahrhunderts. Das lassen sich betuchte Zeitgenossen etwas kosten, dass weiß man auch im Autohaus Pietza. Auch wenn hier in erster Linie moderne Nissan-Fahrzeuge verkauft werden.
Die SL-Restauration ist eher die Kür für das Oldtimer verliebte Vater-Sohn-Gespann. Denn zumindest das Auto der Reichen ist der 190 SL und der noch mondänere 300 SL geblieben. Doch die verrosteten Bleche in der Gitterbox und die entkernte Karosserie auf der Hebebühne sehen nach viel Arbeit und weniger nach Schickeria aus. Aber genau das ist es, was Seniorchef Andreas und Geschäftsführer Markus Pietza reizt. Ein Auto wieder so aufzubauen, dass es aussieht wie zu Rosemarie Nitribitts Zeiten. Dabei bleibt keine einzige Schraube nicht umgedreht. Über 18 Monate dauert ein kompletter Neuaufbau.
Tausende Fotos entstehen dabei, die den Kunden die Restaurierung dokumentieren. Unzählige Stunden gehen für die Ersatzteil- und Accessoire-Recherche drauf. „Obwohl bei Mercedes-Modellen die Ersatzteile relativ leicht zu bekommen sind“, so Markus Pietza. Aber eben vor allem bei anderen Marken in unterschiedlichsten Preislagen und bei Nachbauten in verschiedensten Qualitätsanforderungen.
Mit dem Wasserstrahler
Der Junior-Autohauschef lässt auf seinem Bildschirm einen kleinen Film laufen. Ein Mann mit dem Wasserstrahler verschwindet in seinem leuchtenden Regenmantel, die SL-Karosserie vor ihm in einem grauen Gischtnebel. Der Strahler presst das Wasser mit einem Druck von 2500 Bar auf das Blech. Lack, Rost, Spachtel wird scheinbar mühelos abgetragen, bis nur noch das Metall glänzt. Die Arme der Männer mit der Strahllanze schmerzen. Sie müssen alle zehn Minuten wechseln, den starken Druck zu halten, erfordert starke Muskeln. „So können wir am meisten von der Substanz retten, ohne das Blech anzugreifen. Sandstrahlen ist die wesentlich aggressivere Methode“, erklärt Markus Pietza.
Der 33-Jährige hat sich selbst gerade einen Oldie restauriert. Im Vergleich zum SL ein Jungspund auf vier Rädern. Nicht die klassische Linie wie die Mercedes-Ikone, das durchgestylte Asphaltmannequin. Der Datsun 260 Z ist ein Highway-Rabauke aus den 1970-er Jahren. Japans Antwort auf den Ford Mustang. Ein echtes Männerspielzeug, dem Markus Pietza noch Ledersitze maßschneidern ließ. Zweifarbig, ziemlich kernig sieht das aus. Und eigentlich gehört der Datsun vollgetankt auf die limitfreie Piste und nicht zur beschaulichen Oldtimerausfahrt mit Aufgabenstellung.
Das Geschäft mit den klassischen Autos ist so vielfältig wie die Modelle, die angeboten werden. Wer hätte je gedacht, dass man für einen unverbastelten 1-er Golf GTI (im Bestzustand) laut der Preisliste von „Oldtimer Markt“ 17 000 Euro hinblättern muss. Neu hatte die Blech-Rennschachtel im Jahr 1975 exakt 13 850 Mark gekostet.
Die Ente ist ebenfalls ein gesuchter Straßenveteran. So mancher grau-melierte Oberarzt kauft sich nun für gerne 'mal 15 000 Euro einen 2CV zur Sonntagsausfahrt. Natürlich in einem vielfach besseren Zustand, als die Ente, die er noch als Medizinstudent fuhr. Damals trennte ihn vielleicht der TÜV von seiner großen Liebe auf vier Rädern. Schön, wenn dann ein Stück Jugend in der Garage steht.