Im zarten Alter von drei Jahren hat Victoria Kunze einen Mann mit einer goldenen Harfe gesehen. Davon war sie so beeindruckt, dass sie unbedingt auch Harfe lernen wollte. „Aber meine Eltern haben mir erst einmal eine Blockflöte in die Hand gedrückt“, erinnert sich Victoria Kunze. Mittlerweile besitzt sie eine eigene Konzertharfe, und im Januar nächsten Jahres stehen für die sympathische junge Frau die Prüfungen zum Bachelor of Music in den Fächern Harfe und Gesang an. Davor nimmt sie noch am Bundeswettbewerb Gesang in Berlin teil.
Einen Eindruck von dem, was sowohl die Jury des Wettbewerbs als auch ihre Prüfer erwarten können, gab die gebürtige Bambergerin am Donnerstagabend bei einem viel beachteten Konzert in der ehemaligen Synagoge in Lichtenfels. Auf dieses Konzert hat sich Stadtarchivarin Christine Wittenbauer schon ein ganzes Jahr gefreut. Victoria Kunze war vor fast einem Jahr schon einmal an gleicher Stelle zum 75. Jahrestag der Reichspogromnacht zu hören. Ein Konzert, das unter die Haut ging, wie sich Wittenbauer erinnert. Mit Volker Söllner (Gitarre und Klavier) hatte die 25-Jährige einen kompetenten Liedbegleiter mitgebracht.
Mystische Klanglandschaften
Den Auftakt des beinahe ausverkauften Konzertes bildeten mittelalterliche Weisen, gefolgt von irischer Volksmusik und Werken aus der Klassik und Romantik. Betörende Klänge auf der Konzertharfe wechselten sich mit irisch-gälischen Liedern ab. Mal sanft, mal kraftvoll vermochte Victoria Kunze Klanglandschaften voll mystischem Zauber aufleben zu lassen. Lieder, in denen die Natur und die Liebe eine Rolle spielen. Darunter aus dem Bereich der Kunstlieder Felix Mendelssohn Bartholdys „Auf Flügeln des Gesanges“ nach einem Text von Heinrich Heine.
Smetanas bekannteste Komposition „Die Moldau“ dürfte vielen hauptsächlich als Orchesterwerk bekannt sein. Dass sich das eindrucksvolle Tongemälde auch für die Harfe eignet, davon konnten sich die Zuhörer nach der Pause überzeugen. Hochkonzentriert zeichnete die Harfenistin den Lauf der Moldau von ihren Quellen bis zur Mündung nach. Von den zart plätschernden Moldau-Quellen über den Nymphen-Reigen einer Mondscheinnacht hin zu den wilden Fluten der Stromschnellen und der majestätischen Stadt Prag. „Ich war froh, dies einmal spielen zu dürfen“, gesteht Victoria Kunze am Ende. Das Publikum quittiert das Stück mit einem minutenlangen Applaus und begeisterten Bravo-Rufen.
„Ich war froh, dies einmal spielen zu dürfen.“
Victoria Kunze über „Die Moldau“ von Smetana
Dass ihre Stimme über einen kräftigen und hellen Sopran verfügt, wird besonders bei den Opernarien deutlich. Hier fallen auch ihre mimische Darstellungskraft und ihr sensibles Verständnis für die jeweilige Arie auf. Und hier kommt auch jenes Gänsehautfeeling auf, von dem Christine Wittenbauer eingangs gesprochen hatte. Jedes Lied erhält begeisterte Bravorufe.
Einfühlsamer Liedbegleiter
Volker Söllner erwies sich als einfühlsamer und aufmerksamer Liedbegleiter auf beiden Instrumenten (Gitarre und Klavier), der immer die richtige Balance fand und die virtuosen Elemente seines Parts herausarbeitete.
Über die Blockflöte war Victoria Kunze nicht allzu traurig. „Die habe ich sogar gerne gespielt“. Später durfte sie dann Harfe lernen. Derzeit studiert sie an der Hochschule für Musik Saarbrücken sowohl den Bachelorstudiengang Gesang-Musiktheater bei Ruth Ziesak, als auch Harfe bei Annette Jansen-Zacks und Elementare Musikpädagogik bei Michael Dartsch. Eine goldene Harfe steht heute nicht mehr auf ihrer Wunschliste.