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LICHTENFELS: Als „Madonnenräuber“ in Isling waren

LICHTENFELS

Als „Madonnenräuber“ in Isling waren

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    Eine Million Mark wert: Diese wertvolle, aus dem Jahr 1524 stammende Schnitzfigur von Tilmann Riemenschneider wurde im Jahr 1962 von der „Madonnenräuberbande“ aus der Kapelle „Maria im Weingarten“ bei Volkach gestohlen.
    Eine Million Mark wert: Diese wertvolle, aus dem Jahr 1524 stammende Schnitzfigur von Tilmann Riemenschneider wurde im Jahr 1962 von der „Madonnenräuberbande“ aus der Kapelle „Maria im Weingarten“ bei Volkach gestohlen. Foto: Red

    Mit seinem Vortrag „Die Madonnenräuberbande – Tatorte der Volkacher Madonnenräuber 1962 von Erlach bis Istanbul“ erinnerte Rainer Zeh aus Hirschaid im Rahmen einer CHW-Veranstaltung in der ehemaligen Synagoge an den aufsehenerregenden Diebstahl der wertvollen Schnitzfigur aus dem Jahr 1524 „Madonna im Rosenkranz“ von Tilman Riemenschneider.

    Im Raum Bamberg hätten sich Anfang der 1960-er Jahre einige Kleinkriminelle zusammengefunden, die ihren Lebensunterhalt hauptsächlich durch Straftaten finanzierten, berichtete der Referent. Auf Initiative eines Bamberger Bildhauers, der sich mit ihnen verband, und der den Wert von Kunstgegenständen einschätzen konnte, habe sich die Bande schließlich auf den Diebstahl von Heiligenfiguren aus Kirchen konzentriert.

    Ermutigt durch einige erfolgreiche Aktionen, plante die Bande schließlich mit dem Einbruch in die einsam inmitten von Weinbergen in der Nähe von Volkach gelegene Wallfahrtskapelle „Maria im Weingarten“ den ganz großen Coup, erläuterte Rainer Zeh.

    Der spektakuläre Kunstraub habe sich in der Nacht zum 7. August 1962 ereignet, als sich einer der Diebe an einem Seil zu einem Kirchenfenster hochhangelte, durch ein Klappfenster in das Kircheninnere gelangte und dann problemlos die durch einen Vorlegebalken gesicherte Kirchentür öffnen konnte. Neben anderen Figuren hätten die Diebe die durch das unsachgemäße Abnehmen von ihrem Standort und beim Abtransport beschädigte etwa drei Zentner schwere und 2,8 Meter hohe „Madonna im Rosenkranz“ entwendet. Das imposante Schnitzwerk aus Lindenholz von Tilman Riemenschneider, das auf einen Wert von einer Million Mark geschätzt wurde, stellt die auf einem Wolkensockel und der Mondsichel lebensgroße Marienfigur mit dem Jesuskind auf dem Arm dar, die von einem ovalen Kranz aus 50 stilisierten Rosen und fünf Medaillons mit den fünf Geheimnissen des freudenreichen Rosenkranzes eingerahmt wird.

    Das Verschwinden des einmaligen Kunstwerkes habe die ganze Nation erschüttert. Was die Diebe, die das Kunstwerk zunächst in einem Garten bei Hollfeld vergruben, nicht bedacht hatten: Durch den hohen Bekanntheitsgrad des Werkes wurde es praktisch unverkäuflich.

    Zum Retter der Madonna im Weingarten sei schließlich Henri Nannen, der Gründer und Chefredakteur der Zeitschrift „Stern“, geworden, der sich als Kunstkenner für die Wiederbeschaffung der gestohlenen Madonna mit allen Mitteln einsetzte, unterstrich der Referent. So habe er im Stern und in rund 100 Zeitungen im fränkischen Raum unter der Überschrift „Gebt die Madonna von Volkach zurück“ in einem Aufruf den Dieben 100 000 Mark für die Rückgabe des Kunstwerkes geboten und gleichzeitig auf die Unmöglichkeit eines Verkaufs hingewiesen. Tatsächlich seien die Diebe im November 1962 auf den Deal eingegangen, so dass die Riemenschneider-Madonna, durch moderne Technik gesichert, heute wieder die Wallfahrtskapelle schmückt.

    Die Stadt Volkach habe Henri Nannen für sein engagiertes Eintreten die Ehrenbürgerwürde verliehen, andererseits sei aber Nannen mit einem Strafverfahren wegen Begünstigung konfrontiert worden, das aber eingestellt wurde.

    Trotz vieler weiterer Einbrüche in Gotteshäuser, wie etwa dem Zeiler Käppele, oder in weltliche Gebäude und vieler Diebstähle habe sich für die Bande bald der Name „Madonnenräuberbande“ im Volksmund durchgesetzt, betonte Rainer Zeh.

    Erst 1967 habe der Fall geklärt werden können, nachdem sich ein wegen einer anderen Sache inhaftiertes Bandenmitglied gegenüber einem Zellengenossen selbst verriet. 1968 und 1971 seien die insgesamt zehn Bandenmitglieder auf Grund des „Madonnenraubs“ und wegen einer Vielzahl anderer Straftaten von der Staatsanwaltschaft Bamberg angeklagt und zu Freiheitsstrafen bis zu neun Jahren verurteilt worden.

    Einbruch in Islinger Friedhofskapelle

    Natürlich ging Rainer Zeh auch auf den Einbruch der Madonnenräuberbande in die Friedhofskapelle zum Heiligen Kreuz von Isling ein. Die Diebe hätten des Öfteren ein FKK-Gelände in der Nähe besucht und seien dadurch auf die etwa 500 Meter von Isling an der Staatsstraße 2203 gelegene Kapelle aufmerksam geworden. Nach bewährter Manier gelangen die Täter am 27. November 1963 mit Hilfe einer Leiter über ein Fenster in das von dem Staffelsteiner Baumeister Thomas Nißler 1745 errichtete barocke Gotteshaus.

    „Neben zwei hölzernen Altarkreuzen stahlen die Diebe aus einer Nische des linken Seitenaltars eine Marienfigur mit dem Jesuskind auf dem Arm, die dem Gnadenbild aus dem 14. Jahrhundert in der Kirche Obere Pfarre von Bamberg nachgebildet war und im 17. Jahrhundert gefertigt wurde“, erklärte der Referent. So hätten die Leser des Lichtenfelser Tagblatts folgende Schlagzeile sehen müssen: „Muttergottesstatue wurde Beute eines frevelhaften Diebstahls.“ Die Täter seien zunächst unerkannt geblieben, und die Beute sei nie mehr aufgetaucht. Erst viele Jahre später konnten die Madonnenräuber als Täter ausgemacht werden.

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