Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Obermain
Icon Pfeil nach unten
Lichtenfels
Icon Pfeil nach unten

LICHTENFELS/COBURG: Aufstehen und weitermachen

LICHTENFELS/COBURG

Aufstehen und weitermachen

    • |
    • |
    Anselm Grün.
    Anselm Grün. Foto: Fotos: Mathias Mathes

    Hier der Selfmademan, Jochen Schweizer, der die Dinge anpackt „mit der Hand am Arm“ – da der Mann des ruhigen Wortes, Pater Anselm Grün, der mahnt, auch einmal innezuhalten, um zu sich selbst zu finden. Zum neunten Mal fanden die Wirtschaftstage der Sparkasse Coburg-Lichtenfels statt, nach der Vorjahresveranstaltung in Lichtenfels diesmal wieder in Coburg. Wieder erwiesen sich zwei hochkarätige Referenten als Publikumsmagneten. Doch nie zuvor waren sie so unterschiedlicher Natur.

    Jochen Schweizer, heute ein Markenname für Erlebnisse zum Verschenken, hat seine Karriere als Extremsportler begonnen. Noch heute nennt er sich einen passionierten Kajak-Fahrer. Freilich ist er als „junger Wilder“ dort gefahren, wo man eigentlich nicht fahren kann. Die Wasser konnten nicht wild genug, die Wasserfälle nicht hoch genug sein. Bei einer dieser Fahrten sei es zum ersten Wendepunkt im Leben des heute erfolgreichen Unternehmers gekommen. Aus etwa 20 Metern sei er von einem Wasserfall gestürzt – allerdings senkrecht und damit potenziell tödlich. Nur indem er sich selbst an den Beinen schwer verletzt habe, sei es ihm möglich gewesen, sich aus dem mit der Spitze in den Grund des Flussbodens gebohrten Kajak herauszuwinden. „Es geht im Leben darum, einmal mehr aufzustehen, als hinzufallen“, sagt Jochen Schweizer. Und: „Schmerz generiert Erkenntnisse.“

    Es war jedenfalls nicht die Erkenntnis, mit dem Extremsport aufzuhören. Im Gegenteil: Mit dem Filmemacher Willy Bogner machte Jochen Schweizer Ende der achtziger Jahre das Bungee-Springen in Deutschland populär. „Nach einem Sprung von einer 220 Meter hohen Staumauer stellte ich bald fest, dass eine Menge Leute für so einen Sprung Geld bezahlen wollten.“

    Geschäftlich sei er da auf die Überholspur gegangen. Die Umsätze seien durch die Decke gegangen. Jochen-Schweizer-Sprunganlagen „zierten“ Fernsehtürme zwischen Hamburg und Wien. „Plötzlich war ich ein Held.“

    Nachdenklicher Moment

    Auf tragische Weise sei er auf den Boden zurückgeholt worden, eine weitere Wendung in seinem bewegten Leben. Bei einem Sprung in Dortmund kommt ein junger Mann ums Leben. Das Seil war gerissen. „Warum, weiß man bis heute nicht.“ Es ist der nachdenkliche Moment im Vortrag eines vom Leben Besessenen. Was immer kommen mag, er sei zeitlebens für den Tod eines jungen Menschen verantwortlich, sagt Jochen Schweizer. Diese Bürde bleibe.

    Aber es bleibt ihm auch, aufzustehen und weiterzumachen. Das liegt in seinem Wesen. Nach dem Unfall ging das Geschäftsmodell Bungee-Springen den Bach runter, nicht aber Jochen Schweizer. Er muss bei Null anfangen. Da fällt ihm ein, dass die Bungee-Geschenkpackung der Renner seines gescheiterten Unternehmens war. „Da könnte man doch auch andere Erlebnisse reinpacken“, meint er und soll Recht behalten. Bis heute ist er mit „einer völlig neuen Warengruppe im Einzelhandel“ erfolgreich: Erlebnisboxen mit Fallschirmsprüngen und Segelflügen oder anderen „abgefahrenen Geschenkideen“. Dass der Wandel zum Leben gehört, dessen ist sich auch der Benediktinerpater Anselm Grün bewusst. Allerdings nimmt er eine andere Perspektive als Jochen Schweizer dazu ein. „Es ist heute eine Sucht, immer etwas zu verändern“, sagt er. Manche verwechselten Veränderung mit Staub aufwirbeln. Das aber gehe am Menschen vorbei. „Denn die wahre, die innere Verwandlung, kommt aus der Ruhe.“

    Anselm Grün hat sich die Müdigkeit, die Antriebslosigkeit zum Thema genommen. Sie sei ein Phänomen, das mehr und mehr Menschen in unserer Gesellschaft erfasse. Dafür nennt er fünf Gründe: „aus trüben Quellen schöpfen“, etwa im Streben nach Perfektion, immer die Erwartungen anderer erfüllen wollen, zu viel Energie für das Aufrechterhalten der eigenen Fassade aufwenden, Müdigkeit überspringen und nicht zuletzt äußere Gründe wie Ungerechtigkeiten am Arbeitsplatz. All dies führe zu Frustrationen, Niedergeschlagenheit und mitunter einer chronischen Müdigkeit, auch als Burn Out bekannt.

    „Ich erlebe oft, dass es Menschen schlecht geht, weil sie den Idealbildern von sich nachhängen“, berichtet der Pater. Zufriedenheit und Freude am Leben jedoch resultiere daraus, sich einmal mit sich selbst und der Welt eins zu fühlen. Diese Chance gebe natürliche Müdigkeit, die es zuzulassen gelte. Sie führe zur Ruhe „und in der Ruhe zu einer spirituellen Erfahrung“. Hierzulande hat Anselm Grün den Eindruck gewonnen, dass viele verlernt haben, Zeiten der Ruhe, der Muse, zu genießen. Typisch deutsch sei, „dass alles irgendwie anstrengend sein muss“. Der Benediktiner macht aber auch deutlich, dass Muse nicht gleich Müßiggang ist. „Es ist wichtig, einen guten Rhythmus zwischen Arbeit und Ruhe finden.“ Dann stelle sich auch nach den Ruhephasen wieder Tatkraft und Kreativität ein.

    Sich niederlegen und zur Ruhe kommen, wieder aufstehen und anpacken – hier kommen sie sich näher, die auf so unterschiedliche Weise im Leben erfolgreichen Anselm Grün und Jochen Schweizer.

    Zur Person

    Jochen Schweizer ist am 23. Juni 1957 in Heidelberg geboren. 1985 gründete er die Werbeagentur Kajak Sports Productions, aus der sich die Jochen Schweizer GmbH und im Jahr 2004 das Erlebnisgeschenkportal entwickelte. Die Unternehmensgruppe hat heute etwa 400 feste und freie Mitarbeiter und stellt über 1400 Erlebnisse bereit. Am häufigsten verkauft das Münchner Unternehmen einen Tandemsprung mit dem Fallschirm, dicht gefolgt von „Hubschrauber selber fliegen“ und „Ferrari selber fahren“. Der Umsatz 2013 betrug rund 60 Millionen Euro.

    Anselm Grün, geboren am 14. Januar 1945 in Junkershausen im Landkreis Rhön-Grabfeld, ist ein deutscher Benediktinerpater, Autor spiritueller Bücher, Referent zu spirituellen Themen, geistlicher Berater und Kursleiter für Meditation und Kontemplation. Er ist einer der meistgelesenen deutschen Autoren der Gegenwart. Seine bislang rund 200 Bücher wurden in mindestens dreißig Sprachen übersetzt. Als Cellerar der Abtei Münsterschwarzach war Pater Anselm Grün bis Mitte Oktober 2013 für die finanzielle Grundlage der 20 Abtei-Betriebe verantwortlich.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden