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LICHTENFELS: Geteilte Meinungen beim Mindestlohn

LICHTENFELS

Geteilte Meinungen beim Mindestlohn

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    Taxifahrer im Wartestand am Bahnhof in Lichtenfels: Auf die privaten Fahrdienste hat der Mindestlohn erhebliche Auswirkungen.
    Taxifahrer im Wartestand am Bahnhof in Lichtenfels: Auf die privaten Fahrdienste hat der Mindestlohn erhebliche Auswirkungen. Foto: Roger Martin

    Er ist ein Pfeiler im Regierungsprogramm der schwarz-roten Koalition in Berlin und soll ein Meilenstein für Arbeitnehmer in Deutschland sein: der Mindestlohn. Er gilt ab 1. Januar 2015. 8,50 Euro brutto sind ab dann gesetzlich als Stundenlohn festgelegt. Darunter darf der Stundenlohn nicht gehen. Der Mindestlohn soll Dumpinglöhne verhindern und die Zahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verringern, die trotz Vollbeschäftigung auf Sozialleistungen angewiesen sind.

    Am Obermain wird die neue Errungenschaft der Berliner Koalition durchaus kontrovers gesehen. Der DGB als Arbeitnehmervertretung ist natürlich hochzufrieden, Sprecher mancher Wirtschaftsbereiche befürchten Nachteile zu Lasten von Beschäftigten, Kunden und Verbrauchern.

    „Gefahr für Familienbetriebe“

    Zu jenen, die den Mindestlohn kritisch sehen, gehört Volker Gagel. Er ist Vorsitzender des heimischen Hotel- und Gaststättenverbandes und meint, für die Gastronomie könnte der Mindestlohn zum „Desaster“ werden. Waren und Service könnten teurer werden, eine Preiserhöhung bei Essen und Getränken sei wahrscheinlich. Im Hotelgewerbe könnte es ähnlich laufen. Dort arbeiten nicht wenige Teilzeitbeschäftigte, Aushilfen oder Minijobber.

    Zur Lohnanpassung in den Niedriglohnbereichen kämen noch zusätzlich vorgeschriebene Dokumentations- und Aufzeichnungspflichten zum Nachweis für die Sozialversicherung. Und als ob das nicht reichte: Ab 13. Dezember habe die EU eine zusätzliche allergene Kennzeichnungspflicht in der Gastronomie vorgeschrieben. „Alles zusammen wird unsere Branche schwer belasten“, sagt Gagel. Er befürchtet, dass gerade kleinere Unternehmen oder Familienbetriebe angesichts dieses bürokratischen Mehraufwands auf der Strecke bleiben könnten.

    Dass Verbraucher den Mindestlohn in Form verteuerter Produkte zu spüren bekommen können, schließt auch Kreishandwerksmeister Mathias Söllner nicht aus. Der Ex-Bürgermeisterkandidat der Bündnisgrünen in Lichtenfels betrachtet die Lohnfestsetzung durch den Staat als Einmischung in die Tarifautonomie. „Das ist Staatssozialismus“, sagt Söllner.

    Völlig anders bewertet Heinz Gärtner, Vorsitzender des heimischen DGB, die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns. Er betont, dass es Gewerkschaften wie ver.di, Nahrungs- und Gaststättengewerkschaft und der DGB gewesen sein, die seit Jahren für den Mindestlohn gekämpft hätten.

    Millionen Euro zusätzliche Kaufkraft

    Gärtner ist überzeugt, dass alleine in Oberfranken dank des kommenden Mindestlohns 120 Millionen Euro zusätzlicher Kaufkraft der privaten Verbraucher geschaffen werden. Gerade im Niedriglohnbereich mache sich die Änderung bemerkbar. „Dank des Mindestlohns wird mehr Geld in den privaten Konsum fließen und obendrein in die Sozialkassen“, sagt der Schneyer. Es gebe einige Ausnahmen im Mindestlohngesetz, die er bedauere. So würden beispielsweise Langzeitarbeitslose in den ersten sechs Monaten nach einer Arbeitsaufnahme kein Recht auf Mindestlohn haben. Gärtner räumt allerdings ein, dass es im Gastronomiebereich beim Service- oder Küchenpersonal oder oder zum Beispiel im Friseurhandwerk Probleme geben könnte. „Ich gebe aber gerne einen Euro mehr beim Friseur oder beim Essengehen aus, wenn ich weiß, dass die Beschäftigten angemessen bezahlt werden“, sagt der DGB-Vorsitzende. Konkrete Auswirkungen hat der Mindestlohn auch bei den Einstiegs-Gehältern in der Logistikbranche, bei Call-Centern und in der Taxibranche.

    „Dank des Mindestlohns wird mehr Geld in den privaten Konsum fließen und obendrein in die Sozialkassen.“

    Heinz Gärtner, DGB-Vorsitzender

    Bei der Baur Gruppe, größter Arbeitgeber im Landkreis, betrifft der Mindestlohn ausschließlich den Call Center und die Einstieggruppen bei Baur Fulfillment Solutions (BFS), den Logistik-Dienstleister der Baur-Gruppe, so Baur-Pressesprecher Manfred Gawlas. Bei der 1600 Mitarbeiter zählenden BFS sei die Lücke zwischen Ist-Lohn und künftigem Mindestlohn in den Einstiegsgruppen in den vergangenen Jahren ohnehin immer kleiner geworden: Von 2009 bis 2014 sei dort der Bruttostundenlohn von 6,90 auf acht Euro gestiegen.

    Ab 2015 gelte natürlich hier und in den Call-Centern der Mindestlohn. „Wir wollen ein attraktiver Arbeitgeber bleiben“, so Gawlas. Dass die höheren Personalkosten an anderer Stelle „kompensiert werden müssen“, sagte der Pressesprecher aber auch. Schließlich stehe Baur in einem „knallharten Wettbewerb“.

    Konkrete und weniger angenehme Konsequenzen für Mitarbeiter und die Kundschaft sieht Manfred Dütsch, Eigentümer des größten Taxi-Unternehmens in Lichtenfels. In der Taxibranche wird viel mit Aushilfskräften gearbeitet. Dütsch zum Beispiel beschäftigt zehn feste Mitarbeiter und 20 Aushilfen. „Die Taxi-Bereitschaft meines Unternehmens wird ab 2015 verkleinert“, kündigt er an. Die gesamte Taxi-Flotte werde kleiner. Dies bedeute, dass es unter Umständen länger dauern könne, bis ein Taxi zum Kunden komme. Es könne auch passieren, dass der Taxi-Kleinbus nicht zur Verfügung steht.

    Weiterhin stehe die Rund-um-die-Uhr-Bereitschaft zur Disposition. „Wenn es sich für uns nicht mehr rechnet, werden wir nur noch bis zum letzten Zug um 0.30 Uhr fahren“, so der Unternehmer, der selbst Kundschaft fährt. Ein gravierendes Problem sei auch die Festlegung, dass Minijobber Anrecht auf einen Mindest-Stundenlohn von 8,50 Euro netto haben. Der Arbeitgeber müsse dann die Sozialabgaben alleine zahlen. Der Stundenlohn steige dann effektiv auf 10,20 Euro. „Das funktioniert nicht“, sagt Dütsch. Seine festangestellten Mitarbeiter dürfen sich über steigende Bruttolöhne freuen: Bei 242 Stunden steigt der Brutto-Monatslohn um satte 400 Euro.

    Behindertenfahrten gekündigt

    Dütsch hat im Zuge von Neuverhandlungen wegen des Mindestlohns auch die Verträge mit der Regierung von Oberfranken für die Behindertenfahrten in seinem Bereich gekündigt. Ein weiteres heimisches Taxiunternehmen und ein sozialer Hilfsdienst hätten sich dieser Kündigung angeschlossen. Die Regierung habe als Kompensation für die Mehrausgaben durch den Mindestlohn „viel zu wenig“ geboten. „Wir warten auf ein akzeptables Angebot, ansonsten gibt es 2015 bis auf Weiteres keine Behindertenfahrten“, so Dütsch.

    „Die Taxi-Bereitschaft meines Unternehmens wird ab 2015 verkleinert.“

    Manfred Dütsch, Eigentümer des größten Taxi-Unternehmens in Lichtenfels

    Für die Einzelhändler sei der Mindestlohn nicht das große Problem, sagt hingegen Thorsten Becker, Geschäftsführer des Einzelhandelsverbandes in Oberfranken. Die Tarife im Einzelhandel lägen über 8,50 Euro. Einstiegsgehälter bei Vollzeitstellen lägen bei 1700 Euro brutto. Probleme könne es allerdings wegen neuer bürokratischer Vorschriften geben.

    „Das ist ein riesiger Papiertiger“, so Becker. Sehr problematisch sei auch die seiner Ansicht nach „Ungleichbehandlung“ zwischen geringfügig beschäftigten Minijobbern, die den Mindeststundenlohn brutto für netto erhalten, während reguläre festangestellte Mitarbeiter Bruttolöhne erhalten. Als einen ganz wichtigen Impuls für die Motivation von Mitarbeitern bezeichnet Roberto Bauer, der Vorsitzende des heimischen Einzelhandelsverbandes, die Einführung des Mindestlohns. „Arbeitnehmer müssen anständig bezahlt werden. Dann arbeiten sie auch gerne für ihren Betrieb“, so Bauer.

    Mindestlohn auf einen Blick

    Durch das ab 1. Januar 2015 geltende Mindestlohngesetz (MiLoG) steigen für rund 3,7 Millionen Beschäftigte in Deutschland die Löhne auf mindestens 8,50 Euro in der Stunde. Das MiLOG gilt für alle Arbeitnehmer, die in Deutschland beschäftigt werden, also auch für Ungelernte oder Teilzeitbeschäftigte. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Arbeitgeber im In- oder Ausland ansässig sind.

    Auch Minijobber sind von der Regelung zum Mindestlohn betroffen. Effekt: Sie dürfen mit ihrer Verdienstobergrenze von monatlich 450 Euro ab 2015 nur noch höchstens zwölf Stunden pro Woche und maximal 52 Stunden pro Monat arbeiten. Keinen Anspruch auf den Mindestlohn von 8,50 Euro haben Langzeitarbeitslose in den ersten sechs Monaten ihrer Beschäftigung sowie Auszubildende und Arbeitnehmer unter 18 Jahren ohne Berufsabschluss. Speziell bei Praktikanten sind einige Arbeitsverhältnisse von der Mindestlohnregelung ausgenommen:

    • betriebliche Einstiegsqualifizierung oder Vorbereitung zur Berufsausbildung • Tätigkeit im Rahmen einer verpflichtenden Schul-, Ausbildungs- oder Studienordnung • Orientierung für Berufs- oder Studienwahl (maximal drei Monate) • freiwilliges berufs- oder hochschulbegleitendes Praktikum (maximal drei Monate), wenn nicht bereits zuvor ein derartiges Praktikantenverhältnis mit demselben Arbeitgeber bestanden hat. In einigen Bereichen, etwa in der Zeitarbeit, im Friseurhandwerk und für Zeitungszusteller gelten bis Ende 2016 noch Übergangs- oder Ausnahmeregelungen. Außerdem können noch bis Ende 2016 einzelne Branchen mit länger laufenden Tarifverträgen von der gesetzlichen Lohnuntergrenze nach unten abweichen.

    • Unternehmen haften auch, wenn ihre externen Auftragnehmer die MiLoG-Pflichten nicht erfüllen. Sie müssen bereits bei der Auftragsvergabe an Subunternehmen sowie bei ausgegliederten Werk- und Dienstleistungen sehr genau auf die Zuverlässigkeit der Auftragnehmer achten. • Bei Verstößen gegen das MiLoG drohen Geldbußen bis zu 500 000 Euro. Die Einhaltung des Gesetzes wird die Zollverwaltung kontrollieren. Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS), die bisher schon im Rahmen des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes für Branchen wie das Baugewerbe zuständig ist, darf Unternehmen branchenunabhängig überprüfen und Einsicht in Lohn- sowie Meldeunterlagen nehmen (Quelle: evocis).

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