Boutiquen in die Fußgängerzone statt Ladenketten – oder doch Wohnen in der Innenstadt und Einkaufen in Outlets am Stadtrand? Die Fußgängerzone erhalten und die Beschilderung verbessern oder die Stadtmitte für den Verkehr öffnen?
Vier Einzelhändler besuchte die Industrie- und Handelskammer (IHK), Gremium Lichtenfels, zusammen mit Erstem Bürgermeister Andreas Hügerich und dem künftigen Citymanager Steffen Hofmann am Mittwochabend und diskutierte durchaus kontrovers mit ihnen. Auch wenn es die Lösung, die alle zufriedenstellt, wohl nicht gibt, war doch Aufbruchsstimmung zu spüren. Das stellte auch IHK-Vorsitzender Wilhelm Wasikowski fest: „Das große Interesse an der Veranstaltung zeigt, dass den Leuten etwas daran liegt, dass es vorwärts geht.“
Für Dienstag, 10. Februar, hat die IHK zusammen mit der Stadt Einzelhändler und Hausbesitzer zu einer Podiumsdiskussion mit dem Titel „Innenstadtentwicklung Lichtenfels: Die Mitte neu erfinden“ ins Stadtschloss eingeladen. Von der vorbereitenden Stadtexkursion nehmen die Teilnehmer viele Themen für diese Veranstaltung mit.
Zuversichtlich präsentierte sich Elke Sünkel im „Schuhwerk Lichtenfels“. Sie zeigte sich sicher, dass der Online-Handel künftig Kunden verlieren wird. „Wer zwei, drei Mal bestellt hat, aber die Ware jedes Mal wieder zurückschicken musste, weil sie nicht gepasst hat, geht dann doch wieder in die Stadt“, meint sie. Dorthin, wo die Kunden die Ware anschauen, befühlen, anprobieren und dabei auch einen Kaffee trinken können. „Groß ist der Unterschied zur Innenstadt nicht“, sagt sie zu ihrem Standort in der Bamberger Straße. „Zu mir müssen die Kunden auch laufen, weil die Parkplätze direkt vor der Tür meistens belegt sind.“ Elke Sünkel sieht für Lichtenfels viele Chancen, gerade weil hier die großen Ladenketten fehlen. Sie erzählt von Kundinnen, die deswegen bis aus Bayreuth in die Korbstadt zum Einkaufen kommen.
Kein Angstgegner ist das Internet auch für Gerd Laatz von der „Z.I.E.L.“ GmbH, die Software für Reisebüros entwickelt und aus dem „Thüringisch-fränkischen Reisebüro“ (TFR) im selben Haus entstanden ist. Bester Beweis: „2014 war das beste Jahr in unserer Geschichte.“ 33 Prozent Neukunden, davon viele junge Leute, zeigen ihm, dass die Mensch-zu-Mensch-Kommunikation wieder wichtiger wird. Allerdings müsse das Reisebüro Social Media-Kanäle mit Call Centern vernetzen, und auch das „TFR“ müsse gewährleisten können, dass es um 23.30 Uhr noch erreichbar sei. Und wenn man dafür deutschsprachige Mitarbeiter in North Carolina, USA, einsetze. Laatz provozierte bewusst: „Ich freue mich, wenn ich zum Life-City-Center komme, weil ich sehe: Da geht was!“ Er plädierte für Outlets am Stadtrand und dafür, Wohnraum im Stadtkern zu schaffen. Bürgermeister Hügerich widersprach: „Glauben Sie wirklich, dass ein Outlet-Center alle Probleme löst?“ Er zeigte sich überzeugt, dass der Einzelhandel „nicht von der Bildfläche verschwinden“ werde: „Der Anspruch, zu kommunizieren, sich zu treffen, wird bleiben.“
Eine andere Vision als Laatz hat Roberto Bauer vom gleichnamigen Herrenmoden-Geschäft: „Wir sollten die Besonderheiten einer kleinen fränkischen Stadt rauskitzeln.“ Er wünscht sich eine Fußgängerzone mit Boutiquencharakter. Bisher seien Interessenten allerdings bei den Banken abgeblitzt: Gegen das Internet hätten sie doch keine Chance, so die Begründung. „So geht das nicht!“, ärgert sich Bauer.
Zu wenig Fachkräfte, eine Verkehrsführung, die Besucher um die Innenstadt herumleitet, ein verwirrendes Parkleitsystem, Parkhäuser, bei denen man sich vorher entscheiden muss, wie lange man drinnen bleibt: In der Diskussion wurde vieles kritisiert. Bauer vermittelte nach ersten Gesprächen mit dem künftigen Citymanager aber auch Zuversicht. „Es sind viele Fehler gemacht worden, aber jetzt müssen wir nach vorne schauen.“ Und Hügerich brachte eine Erfolgsmeldung mit: Kürzlich hat die Stadt das neue Baugebiet Wendenstraße/Egerländer Straße ausgewiesen. „Das war am Montag im Stadtrat, und am Dienstag früh um 8 Uhr standen schon sechs Familien bei mir vor der Tür, die sich ihren Bauplatz reservieren wollten.“ Junge Familien wollen also in Lichtenfels wohnen. Und bringen auch Kaufkraft mit.
Direkt in der Fußgängerzone hat Rüdiger Heidenreich sein Weinhaus eröffnet – und ist sehr zufrieden. Fehlende Parkplätze seien kein Problem: „Die Kunden kommen mit Klappsackkarren und holen vier, fünf Kartons.“ Heidenreich sprach sich vehement gegen eine Öffnung der Fußgängerzone aus. Das würde nur „die 18- bis 25-Jährigen mit Riesenauspuff“ und Motorradfahrer anlocken, die mit ihrem Lärm diejenigen störten, die ihren Kaffee oder Flammkuchen vor den Lokalen genießen wollen.
Für Lichtenfels möchte auch er mehr ausgefallene Läden und Fachgeschäfte, allerdings sieht er das Problem, dass die Häuser erst saniert werden müssten: „Wer will denn da rein?“ Woraus sich eine rege Diskussion um Fördermöglichkeiten und Denkmalpflege entwickelte.
Ein vielversprechender Abend – auch in Hinblick auf die Veranstaltung am nächsten Dienstag im Stadtschloss.