Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Obermain
Icon Pfeil nach unten
Lichtenfels
Icon Pfeil nach unten

ALTENKUNSTADT: „Die reinste Kostenexplosion“

ALTENKUNSTADT

„Die reinste Kostenexplosion“

    • |
    • |
    Jede Menge Papierkram: Die Großmutter von Thomas Wollner (unser Foto) wohnt im Kathi-Baur-Alten- und Pflegeheim St. Heinrich der Caritas in Burgkunstadt. Ihr Eigenanteil steigt um 500 Euro. Beim Bezirk Oberfranken beantragt der 49-jährige deshalb Hilfe zur Pflege.
    Jede Menge Papierkram: Die Großmutter von Thomas Wollner (unser Foto) wohnt im Kathi-Baur-Alten- und Pflegeheim St. Heinrich der Caritas in Burgkunstadt. Ihr Eigenanteil steigt um 500 Euro. Beim Bezirk Oberfranken beantragt der 49-jährige deshalb Hilfe zur Pflege. Foto: Stephan Stöckel

    Thomas Wollner brütet über einem Berg von Akten und Unterlagen. Sein Blick senkt sich auf zwei Rechnungen, die Finger zeigen auf zwei Summen: „Im Dezember vergangenen Jahres betrug der Eigenanteil meiner Großmutter Anna Fischer, die im Kathi-Baur-Alten- und Pflegeheim St. Heinrich der Caritas in Burgkunstadt wohnt, noch 1415 Euro, ab 1. März werden monatlich 1917 Euro fällig“, erzählt der 49-Jährige mit nachdenklicher Miene. Als er Ende Januar zum ersten Mal die neue Abrechnung in Händen gehalten hatte, sei er aus allen Wolken gefallen und habe nur ungläubig mit dem Kopf geschüttelt: „500 Euro - das ist doch die reinste Kostenexplosion. Das kann doch nicht sein?“

    Noch immer ist der Burgkunstadter, gesetzlicher Betreuer seiner 94-jährigen Großmutter, aufgebracht: „Im Falle des Limburger Bischofs Tebartz van Elst wurden Millionen Euro in den Sand gesetzt und in Altenkunstadt wird für ein paar Patres das Pfarrhaus kostspielig umgebaut.“

    „Meine Großmama war keine Managerin eines Dax-Unternehmens, sondern nur eine gelernte Schneiderin, die von 1300 Euro Rente leben muss.“

    Thomas Wollner Enkel, der seine Großmutter betreut

    Bei einer Informationsveranstaltung Anfang Februar im Burgkunstadter Pflegeheim hatte er sich von Friederike Müller, Bereichsleitung für die trägereigenen Einrichtungen im Caritasverband der Erzdiözese Bamberg, eines Besseren belehren lassen müssen. Als Grund für die Erhöhung hatte die Expertin das im vergangenen Jahr vom Bundestag verabschiedete Pflegestärkungsgesetz angeführt. Es sieht vor, dass Pflegeeinrichtungen ihre tariflichen Personalkosten ab diesem Jahr in vollem Umfang geltend machen können.

    Auf die Heimbewohner umgelegt

    Um den Betrieb am Laufen zu halten, hatte die Caritas bislang pro Pflege- und Hauswirtschaftskraft rund 5000 Euro zugeschossen. Ab dem 1. März wird das Geld auf die Heimbewohner umgelegt, die zwischen 100 und 500 Euro mehr bezahlen müssen.

    Zum 31. Dezember 2013 erhielten in Deutschland laut statistischem Bundesamt rund 247 000 Personen Hilfe zur Pflege. Auch Anna Fischer, die in der Pflegestufe II eingruppiert ist, wird sie voraussichtlich einmal erhalten, denn aus eigenen Mitteln kann die Erhöhung nicht mehr lange geschultert werden. „Meine Großmama war keine Managerin eines Dax-Unternehmens, sondern nur eine gelernte Schneiderin, die von 1300 Euro Rente leben muss“, sagt Wollner. Die Rente lange vorne und hinten nicht. Schon vor der Erhöhung habe man monatlich einen Teil vom Ersparten abzwacken müssen, so der 49-Jährige.

    Die Weichen, um in den Genuss der Sozialleistung zu kommen, hat Wollner bereits gestellt. Beim Bezirk Oberfranken hat er einen entsprechenden Antrag gestellt. Und stöhnt über die Bürokratie – ist doch der Antrag mit jeder Menge Aufwand und Papierkram verbunden. „Jetzt wollen sie noch weitere Unterlagen“, sagt er und kramt ein aktuelles Schreiben hervor. Der 49-Jährige findet das Ganze nervig, aber beißt in den sauren Apfel: „Was will man schon machen, wenn man keine andere Wahl hat.“

    Wäre es nicht eine Alternative, die Mutter zu Hause zu pflegen? Wollner schüttelt mit dem Kopf. „Meine Mutter, die bereits 75 Jahre alt ist, hat meine Großmutter, die an Demenz leidet, so lange gepflegt, wie es möglich war. Wir können uns nicht 24 Stunden lang um sie kümmern. Was ist, wenn Sie nachts aufsteht und hinfällt? Ab einem gewissen Zeitpunkt gibt es keine Alternative zur Einweisung in das Altenheim.“

    Die Aussage von Friederike Müller bei der Informationsveranstaltung der Caritas („Die Entscheidung für die Unterbringung eines Angehörigen in ein Pflegeheim trifft jeder selbst.“) hält er deshalb für gewagt. Da die neuen Pflegesätze immer nur für ein Jahr gelten, befürchtet er im nächsten Jahr eine weitere Erhöhung des Eigenanteils auf seine Großmutter zukommen. Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, schlägt die Gewerkschaft Ver.di vor, die Pflegeversicherung von Teilkasko auf Vollkasko umzustellen, damit die Pflege auch in Zukunft noch bezahlbar bleibt. Wollner findet das vom Prinzip her gut, gibt aber zu bedenken: „Und was ist mit den Beiträgen für die Pflegeversicherung? Ich fürchte, dass diese dann deutlich angehoben werden müssen.“

    „Die Entscheidung für die Unterbringung eines Angehörigen in ein Pflegeheim trifft jeder selbst.“

    Friederike Müller Bereichsleitung Caritas

    Auch für BRK-Kreisgeschäftsführer Thomas Petrak liegt der Fehler im System begründet: Das Pflegestärkungsgesetz versetze die Heime in die Lage, mehr Pflegekräfte einzustellen. Mehr Personal treibe allerdings die Pflegekosten in die Höhe, was wiederum zu höheren Heimentgelten und damit einhergehend, höheren Eigenanteilen bei den Heimbewohnern führe.

    In das gleiche Horn bläst auch Petra Mahr aus Nürnberg, Bezirksvorsitzende der Arbeiterwohlfahrt (AWO), die feststellt: „Die ausgezahlten Pflegeversicherungsbeträge in den einzelnen Pflegestufen wurden seit Einführung der Pflegeversicherung im Jahre 1995 bis zur Einführung des Pflegestärkungsgesetzes in diesem Jahr nur einmal erhöht. Die Erhöhungen, die in dem neuen Gesetz verankert sind, bewegen sich zwischen 41 und 77 Euro. Das deckt nicht einmal die Tariferhöhung. Wir haben in Deutschland eben kein dynamisiertes System, das bei Kostensteigerungen regelmäßig mitgeht.“

    Das BRK betreibt im Landkreis Lichtenfels das Wohn- und Pflegeheim „Am Staffelberg“, die AWO unterhält in Redwitz ein Seniorenzentrum. Wird es auch hier zu steigenden Pflegekosten für die Heimbewohner und ihre Angehörigen kommen? Sowohl Petrak als auch Mahr können hierzu noch keine konkrete Aussage treffen. Als Gründe führen beide an, dass die Pflegesatzverhandlungen mit den Kostenträgern, den Pflegeversicherungen oder dem Bezirk Oberfranken, der die Sozialhilfe gewährt, erst im Spätsommer und Frühherbst stattfänden.

    Beide verweisen darauf, dass man Sach-, Personal- oder Energiekosten auf die Heimbewohner umlegen müsse. Da diese Aufwendungen regelmäßig anstiegen, habe man bereits in den vergangenen Jahren so gut wie immer erhöhen müssen. Neu komme jetzt hinzu, dass eine Ablehnung der entsprechenden tariflichen Vergütung als „unwirtschaftlich“ nicht mehr zulässig sei. „Das Fatale bei der ganzen Geschichte ist, dass die Beiträge in der Pflegeversicherung nicht mitgegangen sind“, kommentiert Mahr die Entwicklung. Eine Feststellung, die nichts Gutes für die Heimbewohner verheißt.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden