Jesus trägt das Kreuz. Unterstützt von Simon von Cyrene, geht er mitten durch Jerusalem, an Obsthändlern und zufälligen Passanten vorbei. Auch einen Wirt hat das Schauspiel aus seinem Gasthaus gelockt. Mit dem Krug in der Hand steht er in der Tür und sieht dem Mann mit der Dornenkrone auf dem Kopf entgegen. Gesenkten Blicks kommt Jesus näher. Sieht er seine Mutter Maria überhaupt, die, gestützt von Johannes, gramgebeugt neben dem Soldaten am Straßenrand steht? Auf der anderen Seite schaut Veronika auf den Schmerzensmann. Ihr hat er wohl gerade das Schweißtuch zurückgegeben; sie hält es über dem Arm, das Abbild von Jesu Gesicht ist deutlich erkennbar.
„Das Schweißtuch werden Sie in fast keiner Krippe sehen“, sagt Florian Hofmann. Er kennt sich aus: Der Neuenseer ist Krippenbauer; seit 40 Jahren beschäftigt er sich mit dem Hobby.
Jesus unter dem Kreuz ist zurzeit in der Schwürbitzer Herz-Jesu-Kirche zu sehen. Es ist ein typisches Motiv einer Passionskrippe. Denn Krippen gibt es nicht nur zu Weihnachten, sondern auch zur Fasten- und Osterzeit. Und die Schwürbitzer katholische Gemeinde ist seit nunmehr zwei Jahren sogar im Besitz einer der seltenen Ganzjahreskrippen.
Am 11. November 2013 war die erste Darstellung zu sehen, der heilige Martin, der mit dem Bettler seinen Mantel teilt. Seitdem gestaltet Krippenbauer Florian Hofmann alle vier Wochen ein oder zwei neue Bilder. Was er dazu braucht, stammt nicht aus seinem eigenen Bestand, so umfangreich der mittlerweile auch ist. Die Schwürbitzer Ganzjahreskrippe verdankt ihre Existenz einer Schenkung: Pfarrer Georg Ochsenkühn aus Kulmbach, ein langjähriger Freund Hofmanns, konnte seine Sammlung nicht mitnehmen, als er aus dem Pfarrhaus auszog. „Er hat mich so lange gepiesackt, bis ich mich bereit erklärt habe“, erklärt Hofmann und schmunzelt.
Der damalige Schwürbitzer Pfarrer Martin Ninaparampil war sofort einverstanden. Kurzerhand wurde der Beichtstuhl rechts vom Eingang umfunktioniert: Die Zwischenwand wurde herausgenommen, dafür Böden auf halber Höhe eingebaut und in den oberen Teil der beiden Türen Glasfenster eingesetzt. So entstanden zwei Schaukästen, die der Krippenbauer immer wieder neu gestalten kann.
Bis zum Karfreitag war allerdings nur das linke Fenster geöffnet. Erst nach der Liturgie vom Leiden und Sterben Christi am Freitagnachmittag nahm Florian Hofmann den Vorhang vor dem rechten Schaukasten weg. Seitdem ist hier die Grablegung zu sehen.
Für den Neuenseer sind die plastischen Darstellungen aus der Bibel nicht nur schmückendes Beiwerk. Sie sollen das Evangelium vermitteln, vielleicht sogar besser, als das im Gottesdienst geschehen kann: „Wenn ich was mit den Augen sehe, ist das was Anderes, als wenn ich's nur höre.“ Bei der Predigt ist man halt doch leichter mal abgelenkt.
Deshalb findet Hofmann es auch schön, dass es jetzt die Ganzjahreskrippe in Schwürbitz gibt. Mittlerweile kommen Besucher extra wegen dieser Attraktion in das Fachwerkdorf. Bis aus dem Rheinland sind Interessenten angereist, weiß der Rentner vom Mesner. Da hat auch er gestaunt. Hauptsächlich sind es aber Freunde: Hofmann ist Mitglied bei den Bayerischen Krippenfreunden; da kennt man sich. So bekommt er auch Feedback in Form von Lob oder Kritik.
„Wenn ich was mit den Augen sehe, ist das was Anderes, als wenn ich's nur höre.“
Florian Hofmann, Krippenbauer
Für den Neuenseer steckt viel Arbeit dahinter. Es liegt in seiner Verantwortung, dass alle vier Wochen eine neue Darstellung zu sehen ist, passend zum aktuellen Evangelium. Das heißt für den Krippenbauer, er muss bibelfest sein – „und ich bin ja kein Studierter“. Deshalb investiert er viel Zeit, erst in die Suche nach einer passenden Bibelstelle, dann in die Umsetzung. Und deshalb baut er die Krippe jetzt zu Ostern nicht um: Es wird auch am Sonntag und Montag Kreuzweg und Grablegung zu sehen sein.
Florian Hofmann ist keiner, der sich nur auf die gewohnten Motive beschränkt. Davon zeugen seine alljährlichen Ausstellungen zur Advents- und Weihnachtszeit in Neuensee. Dort gibt es dann auch einmal eine Darstellung von Maria zu sehen, die Bezug nimmt auf das alte Weihnachtslied „Maria durch ein Dornwald ging“. Oder einen Josef, der Brei kocht. Oder Hirten, die vor dem Stall stehen und hineinspähen – das eigentliche Weihnachtsgeschehen wird der Fantasie überlassen.
Viel mehr Motive
Kein Wunder, dass er Passionskrippen mag, bietet doch die Fasten- und Osterzeit von Haus aus mehr Motive, vom Einzug in Jerusalem über das letzte Abendmahl und das Gebet im Garten Gethsemane bis zu Kreuzigung, Auferstehung und Erscheinung vor den Jüngern in Emmaus. Und so war es auch Florian Hofmann, der vor über 20 Jahren als Mitglied der Bamberger Krippenfreunde die Passionsausstellung in der Maternkapelle mit angestoßen hat. Auch heuer ist er dort vertreten, mit den üblichen Darstellungen, aber auch mit einer ungewöhnlichen: Er zeigt das dritte Wunder von Vierzehnheiligen – die Nothelfer erscheinen einem Hirtenjungen. Was das mit einer Krippe zu tun hat? Für Hofmann ganz einfach: „Für den Hirtenjungen war das Weihnachten.“
Einige weitere Passions- und Osterkrippen hat er heuer im Marktzeulner Kindergarten Sankt Michael aufgebaut. Die Einrichtung legt viel Wert auf Anschaulichkeit, erklärt Hofmann. Da wird das Abendmahl verdeutlicht, indem die Kinder miteinander Brot brechen. Oder es wird eine aus Dornenzweigen gewundene Krone mitgebracht, damit die Kleinen erleben können, wie schmerzhaft die Berührung ist. Und seit Palmsonntag können sie nun die Passions- und Ostergeschichte nicht nur anhören, sondern mit Hilfe von Hofmanns Krippen auch anschauen.
Dort wird er die Darstellungen bald wieder abbauen. In der Schwürbitzer Kirche aber lohnt der Blick in den ehemaligen Beichtstuhl das ganze Jahr über. Der Krippenbauer kann hier aus dem Vollen schöpfen, wie ein Blick in die Sakristei zeigt. Dort beherbergt ein Schrank die gesammelten Figuren Pfarrer Ochsenkühns. Die Tiere der Arche Noah warten hier genauso auf ihren Einsatz wie Adam und Eva, die Königin von Saba oder die Hohenpriester. Die Akteure aus Altem und Neuem Testament sind hier friedlich vereint.
Es ist aber nicht damit getan, ein paar Figuren aufzustellen. Eine Seitentür im ehemaligen Beichstuhl verbirgt aufeinander gestapelte Schubladen, die die volle Höhe des Raumes einnehmen. Schön thematisch geordnet enthalten sie Handwerkszeug, Speisen und Getränke, Obst und Gemüse, Pflanzen und Tiere, Lampen und Geschirr im Miniaturformat. Darüber liegen Felsen und Holzteile, die man zu Ställen, Hütten oder Häusern zusammenbauen kann, im Regal.
Die Details sind es, die die Darstellungen so besonders machen. Florian Hofmann macht sich immer wieder mal einen Spaß daraus, etwas Besonderes einzubauen, um zu sehen, ob das auch bemerkt wird. Ein Mäuschen in der Weihnachtskrippe zum Beispiel. Seine Erfahrung: Erwachsene muss man darauf hinweisen. Kinder entdecken es von ganz alleine, die schauen ganz anders hin. „Manchmal baue ich auch einen Fehler ein“, verrät Hofmann. In dem „Letzten Abendmahl“, das gerade in der Maternkapelle in Bamberg zu sehen ist, ist einer drin. Welcher das ist, wird hier nicht verraten. Wer mag, kann sich die Ausstellung ja mal anschauen – sie ist noch bis 13. April täglich von 13 bis 17 Uhr geöffnet.