Diese Ecke von Lichtenfels ist ein beschauliches Fleckchen Erde. Entlang der stark aufsteigenden Schloßstraße am Burgberg gibt es nicht nur Wohnhäuser, sondern auch viel Natur. Gärten aller Art und Größe sind hier zu finden, manche mit stattlichen Bäumen.
Dr. Erich und Christa Schöner wohnen in der Straße. Sie genießen jeden Tag ihre „grüne Lunge“ mitten in der Stadt. Sogar ein kleines Fußballfeld hat in ihrem großen Garten Platz gefunden. Dort übte der Sohn früher Freistöße, bevor er es beim FC bis in die Landesliga schaffte. Heute toben sich die Enkel im Garten aus.
Seit ein paar Tagen machen sich die Schöners Sorgen um einen markanten Bestandteil ihres Gartens: Eine knapp 20 Meter hohe Stieleiche ganz hinten an der Ecke ihres Grundstücks zeigt deutliche Spuren von Verfall. Die Blätter werden braun und gelb oder fallen gar ganz aus. „Der Baum war bis vor kurzem kerngesund. Der fühlte sich sehr wohl bei uns“, sagt der Hausherr.
1976 selbst gepflanzt
Die Stieleiche gehört seit Anbeginn zum Garten der Familie Schöner. 1976 hatte Christa Schöner die jetzt so heftig in Mitleidenschaft gezogene Stieleiche von ihrem Vater zur Anlage des Gartens geschenkt bekommen. Dieser Baum ist im Übrigen die in Mitteleuropa am weitesten verbreitete Eichenart. Es sei ein bescheidenes Pflänzchen gewesen, erinnert sich die Beschenkte heute noch genau. Fast 40 Jahre ist die Eiche heute alt und geht mächtig in die Höhe. Jetzt droht sie zu sterben. Den plötzlichen Schwächanfall ihres Baumes konnten sich die Schöners zunächst nicht erklären. Sie zogen einen befreundeten Baumpfleger zu Rate. Was ein Laie kaum erkennen kann, sah der Fachmann mit geschultem Blick: An fünf Stellen im ausgehenden Wurzelwerk ist der Baum angebohrt worden. Kleine Ursache, große Wirkung. Die Löcher sind kaum einen Zentimeter breit und etwa drei Zentimeter tief. Sie reichten aus, so vermutet es der Baumpfleger, um eine giftige Flüssigkeit – vielleicht Salzsäure – einzubringen und so den Wurzeln und damit der Vitalität des ganzen Baumes lebensbedrohlich zu schaden. Christa und Erich Schöner reagierten entsetzt und schockiert. Das Ehepaar war gerade aus dem Urlaub zurückgekommen. „Das war ein schreckliches Erwachen“, sagt Christa Schöner. Sie kann überhaupt nicht verstehen, wie ein Mensch einer Pflanze so etwas antun kann. „Für mich bedeuten Bäume Leben. Die Pflanzen können uns viel erzählen“, sagt sie.
Sachbeschädigung, kein Umweltdelikt
Ihr Mann, früher Chefarzt der Radiologie am Klinikum in Lichtenfels, ging sofort zur Polizei und erstattete Anzeige gegen unbekannt. Die Ordnungshüter registrierten seine Meldung als Sachbeschädigung. Ein Umweltdelikt sei es nicht, wie Schöner erfuhr. Dies wäre dann der Fall, wenn mehrere Bäume beschädigt worden wären. Aber auch so ist die Empörung bei Familie Schöner groß. Der materielle Schaden ist zwar überschaubar. Auf 200 Euro wird er momentan geschätzt. Aber an der Stieleiche hängt, wie an allen anderen Pflanzen im Garten, viel Herzblut der Burgberger.
Im Haus der Familie Schöner wird darüber diskutiert, wer – offensichtlich mit guter Kenntnis für die Wirksamkeit von Baumattacken – die fünf Bohrlöcher an das Wurzelwerk gesetzt und danach flüssige Schadstoffe eingebracht hat. Einen Verdacht hat das Paar, kann aber nichts beweisen.
Fest steht zweifelsfrei, dass einer der Nachbarn im vergangenen Jahr über einen Rechtsanwalt die Familie Schöner hatte wissen lassen, dass die nahe Stieleiche „seine Lebensqualität“ stark beeinträchtige. Das hänge auch mit den Vögeln zusammen, die sich in den Ästen der Eiche nahe an der Grundstücksgrenze tummeln, so der Anwalt damals. Christa und Erich Schöner hatten die Vorwürfe damals durch Fachleute prüfen lassen und dem Anwalt geantwortet. Danach sei Funkstille gewesen.
„Keine Beeinträchtigung“
Sogar der jetzige Kreisfachberater Michael Stromer sei gekommen, um die Lage zu begutachten. „Er hat klipp und klar gesagt, dass der Baum keine Beeinträchtigung darstellt“, so Erich Schöner. Zwar ragen einige Äste des Baums ins Nachbargrundstück, allerdings erst ab einer Höhe von sieben Metern. Zudem werde der Baumbestand durch den Baumpfleger alljährlich zu- und – wenn nötig – auch zurückgeschnitten. „Mehr kann man nicht tun“, sagen die Schöners. Die Burgberger hoffen nun, dass die Stieleiche die brutale Attacke überleben wird. „Wir wässern das angegriffene Wurzelwerk ständig, damit die tödliche Substanz ausgewaschen wird“, sagt Christa Schöner. Sozusagen eine Dauerinfusion für den Baumpatienten.