Mit Taschenlampen leuchten zwei Männer die bis zu fünf Meter hohen Wände des unterirdischen Gewölbes ab. Der Strahl macht unterschiedliche Gesteinsschichten in Braun-, Ocker- und Orangetönen sichtbar, die sich vom feuchten Boden abheben. Der Gang verjüngt sich hinter einer Biegung, erhöhte Flächen an der Seite lassen seinen ursprünglichen Zweck erahnen.
Auch wenn die Szene an eine geologische Untersuchung erinnert, sind die beiden Männer keine Höhlenforscher. Sondern Pfarrer Till Roth und Mesner Manfred Mahr, die einen der Keller im Redwitzer Mühlberg zeigen, deren Erhalt und Sicherung vorbereitet wird.
Es gibt zwei Gründe, warum derzeit viel beraten wird über die 14 Kelleranlagen an der „Lende“, einem natürlichen Anlegeplatz an der Rodach. „Eigentlich müsste der gesamte Bereich hier unter Denkmalschutz gestellt werden“, unterstreicht Pfarrer Roth die historische Bedeutung des Ensembles. Es besteht aus Fluss, Schloss, der auf dem Mühlberg thronenden Ägidius-Kirche sowie einigen Häusern und bildete die erste Siedlung, von der aus sich die heutige Gemeinde ausbreitete.
Brisanter ist allerdings der sich stetig verschlechternde Zustand der historischen Keller: „Der Hang arbeitet“, meint der 45-jährige Geistliche und deutet auf Risse im äußeren Mauerwerk. Bemerkenswert: Ausgerechnet ein Maßnahmenpaket aus den Jahren 2000/01 hat mehr geschadet als genutzt. Damals wurden die Kellereingänge bis auf faustgroße Öffnungen zugemauert.
Was nicht bedacht wurde: Dadurch waren die im Boden eingelassen Abflussrinnen unterbrochen; die Luft zirkulierte nicht, weil es keine Abluftkanäle gibt. In der Folge staute sich das durch Gesteinsritzen einsickernde Wasser zentimeterhoch, griff im Laufe der Jahre den porösen Sandstein immer mehr an. Nun hängen „Einsturzgefahr“-Warnschilder an mehreren der 14 Eingänge.
Während der seit 2002 für Redwitz zuständige Pfarrer, angesichts der vor 15 Jahren getroffenen Entscheidungen den Kopf schüttelt, versucht der Mesner zu erklären: „Als Laie glaubt man natürlich, dass die Vorgaben der Behörde richtig sind.“ Das große Interesse der evangelischen Kirchengemeinde an den Kellern hat nicht nur damit zu tun, dass ihr elf davon gehören (die restlichen drei sind im Besitz der Gemeinde Redwitz). „Zwei Keller reichen bis unter die Kirche“, verdeutlicht Mahr, dass ein Einsturz fatale Folgen für das Gotteshaus haben können. Jetzt arbeiten die Redwitzer erneut mit dem Bayerischen Amt für Denkmalpflege zusammen. Die Gespräche mit Bernhard Häck, der für sämtliche Kelleranlagen im gesamten Freistaat ist, seien positiv gewesen, befinden die Kirchenvertreter. Ein erster Schritt war das Entfernen der 2000-er Eingangsmauern (bis auf die an einem Keller, der bereits teilweise eingebrochen ist). Das Anbringen von Lüftungsschächten und vor allem die Wiederherstellung der Entwässerung sollen folgen.
Ehrenamtliche Helfer
Zur Vorbereitung befreiten ehrenamtliche Helfer bei zwei Arbeitseinsätzen die Keller vom Unrat, den die Nutzer in den Jahren bis 2000 ansammelten, bevor Kirche und Kommune die Lagerstätten übernahmen. „Ein großer Container reichte nicht“, beschreibt Manfred Mahr den Müll, der ans Licht befördert wurde – von alten Reifen über einen Schreibtischstuhl bis hin zu einem Kühlschrank und kompletten Toiletten. Komplettiert werden soll die Säuberungsaktion im September.
„Der Kirchengemeinde kommt es auf die Sicherheit an“, gibt Till Roth als Ziel aus. Ist diese gewährleistet, sei die Ansiedelung von Fledermäusen denkbar. Auch die Möglichkeit, in und um die (stabilen) Keller Feste zu veranstalten, sei „nicht außer der Welt“. „Führungen wie in Lichtenfels bieten sich aber nicht an. Dafür sind die meisten Keller zu klein, außerdem hängen sie nicht zusammen“, ergänzt Mahr. Dabei wäre der 66-Jährige der geeignete Mann, um Besuchern die Katakomben unter dem Kirchberg näher zu bringen: Der Mesner hat die Länge aller Gänge eigenhändig vermessen. Kann erklären, an welchen Stellen Fleisch und Fässer aufbewahrt wurden, bevor es elektrische Kühlgeräte gab. Weiß, dass eingeritzte Jahreszahlen wie 1836 und 1839 nur den Zeitpunkt von Erweiterungen markieren und die ursprünglichen Keller vermutlich wesentlich älter sind. Und er lässt Geschichte lebendig werden, wenn er beschreibt, wie die Flößer aus dem Frankenwald die Rodach entlang fuhren und die Gänge auch als Holzlager benutzt wurden.
Nicht zuletzt, weil es bestimmt noch mehr Menschen im Landkreis gibt, die sich an den „Höhlen“ unter dem Berg interessieren, kann man den Redwitzern nur wünschen, dass ihre Bemühungen für Erhalt und Sicherung von Erfolg gekrönt sind.
Teure Sicherungsarbeiten
Pfarrer Till Roth geht davon aus, dass alleine für die Sicherung der Hangmauer „an die 100 000 Euro“ anfallen. Die Kosten teilen sich die Kirche und die Gemeinde. Aufwändig werden die Arbeiten vor allem, weil sie in manchen Bereichen bis zu fünf Meter hoch ist. Zugleich ist der darüber liegende Hang mit einem Gefälle von bis zu 45 Grad sehr steil und belastet die Mauer stark. Deshalb sind Sandsteine zum Teil nach außen gedrückt und gebrochen. Geprüft wird zurzeit, ob auch in den Kellern selbst Sicherungsmaßnahmen vorgenommen werden müssen. Einen genauen Zeitpunkt für Beginn und Abschluss der Arbeiten gibt es noch nicht.