Industrie, Handel und Handwerk in Oberfranken gehen künftig Hand in Hand, wenn es um die wirtschaftliche Weiterentwicklung des Bezirks geht. Das machten die Präsidenten der Industrie- und Handelskammer Bayreuth (IHK), Heribert Trunk, und der Handwerkskammer für Oberfranken (HWK) Bayreuth, Thomas Zimmer, bei einem Redaktionsgespräch am Donnerstag beim Obermain-Tagblatt deutlich. Die Spitzenvertreter erläuterten in Lichtenfels ein umfangreiches Strategiepapier, das unter dem Motto steht „Wir gestalten das Jahrzehnt Oberfrankens! Eine Region macht sich auf den Weg“.
Ganz oben bei diesem neuartigen „Joint venture“ steht die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft. „Die Digitalisierung ist die neue industrielle Revolution“, sagte Heribert Trunk. Sie schreite allerdings mit einer viel größeren Geschwindigkeit voran als jene im 18. und 19. Jahrhundert.
„Riesiger Wachstumsmarkt“
Die absehbare enorme Ausweitung der Rechnerkapazitäten sei eine große Chance für die Industrie und Handwerk in der Region. Thomas Zimmer meinte, der momentan bekannte Bedarf beim Ausbau der Digitalisierung in Deutschland habe ein Marktvolumen von zwei Milliarden Euro. Der Bedarf werde sich verzehnfachen. Die entsprechenden Kapazitäten für den mit der Digitalisierung verbunden Einbau von Technik habe nur das Handwerk. „Das ist ein riesiger Wachstumsmarkt“, so Zimmer.
Heribert Trunk – er vertrat auch den urlaubsbedingt fehlenden IHK-Vizepräsidenten von Lichtenfels, Wilhelm Wasikowski – betonte, dass Oberfranken im bayernweit laufenden Breitbandprogramm ganz vorne dabei ist. Der Landkreis Lichtenfels wiederum gehöre innerhalb des Regierungsbezirks zu den Spitzenreitern. Sämtliche elf Kommen am Obermain nehmen inzwischen teil und werden mit öffentlichen Geldern gefördert, um ihr digitales Netz zu beschleunigen. „Oberfranken ist in Bayern bei der Digitalisierung mit am weitesten“, so Trunk. Dies bedeute aber zunächst nur eine Zustandsbeschreibung über die Teilnahme am Förderprogramm. Es sage noch nicht alles über die verfügbaren Geschwindigkeiten im digitalen Netz vor Ort aus. „Man muss nun in die Investition“, so Trunk. Es sei nämlich absehbar, dass Breitbandhöchstgeschwindigkeiten von heute in wenigen Jahren längst überholt sind und Industrie und Handel weit mehr Kapazitäten brauchen.
Fachkräfte der Zukunft ist ein weiteres Topthema der gemeinsamen Strukturinitiative von HWK und IHK. Thomas Zimmer wies darauf hin, dass in der oberfränkischen Industrie derzeit rund 15 000 Ausbildungsplätze unbesetzt seien. Im Handwerk seien es immerhin noch 5 000. Angesichts eines „ordentlichen Schülerrückgangs“ müssten unbedingt die Mittelschulen deutlich mehr gestärkt werden. Industrie und Handwerk werden sich um eine Aufwertung dieses Schultyps bemühen, aus demnach wie die meisten jungen Leute für Berufe des Mittelstands rekrutiert werden. Die steigende Zahl junger Flüchtlinge, die zu uns kommen, bezeichneten Trunk und Zimmer vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels als „große Chance“ für Handwerk und Industrie. Bayern sei das einzige Bundesland, das den Flüchtlingen ein Berufsintegrationsjahr zur Vorbereitung auf eine Ausbildung anbiete. Vom ersten „Jahrgang“ in der Berufsschule in Kronach würden im September neun von 14 zu uns geflüchteten jungen Menschen ein Ausbildungsverhältnis beginnen.
„Junge Flüchtlinge große Chance“
Heribert Trunk lobte auch die Tatsache, dass solche Ausbildungsverhältnisse in Bayern ohne Gefahr der Abschiebung bestehen bleiben und der Ausbildungsabsolvent danach noch zwei Jahre als Geselle in Bayern weiterarbeiten dürfe. „Die Flüchtlinge sind ein super Potenzial. Das sind leistungswillige junge Leute, die wir brauchen“, so der IHK-Präsident wörtlich. Deutschland sei nach 1945 auch mit großer Hilfe von Flüchtlingen wieder aufgebaut worden. Wirtschaft und Wissenschaft einander noch näher zu bringen, ist ein weiteres Ziel von Industrie, Handel und Handwerk im Rahmen der Strukturoffensive. Oberfranken beweise mit der Technologieallianz Oberfranken (TAO) bereits, wie das funktionieren kann. Die Unis in Bamberg und Bayreuth sowie die Hochschule in Hof und Coburg seien Fundamente für die Verknüpfung von Bildung, Wissenschaft und Praxis. Heribert Trunk meinte, die mittelständischen Betriebe müssten die Scheu verlieren, bei wissenschaftlichen Einrichtungen anzufragen, um sich weiterzuentwickeln.
Zukunftsfähige Kommunen seien eine weitere Grundvoraussetzung, damit Oberfranken in den kommenden Jahren weiter vorankomme, so IHK und HWK. Er wünsche sich mehr Vertreter der Wirtschaft in den Stadt- und Gemeinderäten, so Trunk weiter. Thomas Zimmer sagte, niemand könne vor Ort besser mit Oberfrankens Pfunden wuchern als die Kommunen. Vor Ort müsse vermittelt werden, was es wert sei, wenn man kurze Wege, eine hohe Lebensqualität und weitere Möglichkeiten habe, um sich bei uns wohl zu fühlen.