Der sexuelle Missbrauch eines Kindes findet praktisch immer ohne Zeugen statt. Es gibt nur Täter und Opfer. Im Fall eines 52-jährigen Familienvaters aus dem Landkreis Lichtenfels sieht das anders aus. Der Täter hat die Übergriffe auf seine Tochter mit der Videokamera aufgezeichnet.
Bei der Verhandlung am Landgericht Coburg gab sich der aus einfachen Verhältnissen stammende Mann geständig. Leugnen hätte wegen der Videoaufzeichnungen ohnehin nichts genutzt. Die Tatvorwürfe räumte er vollständig ein.
Angeklagt waren sechs Fälle des sexuellen Missbrauchs. Jeweils hatte der 52-Jährige seine Tochter genötigt, ihn mit der Hand zu befriedigen. Dies geschah, als das Mädchen zwischen neun und elf Jahre alt war. Nach den Angaben der Mutter leide die Tochter noch heute unter den Übergriffen in der elterlichen Wohnung in den Jahren 2008 bis 2010. Sie befinde sich in psychiatrischer Behandlung. Die Mutter hatte ihren Mann angezeigt. Als sie auf der Suche nach Weihnachtsdekoration im Spätherbst vergangenen Jahres im Keller gewesen sei, habe sie die Videokamera ihres Mannes in die Hände bekommen.
„Das Mädchen wird das schlimme Erlebnis das ganze Leben mit sich herumtragen.“
Kristina Freifrau von Imhoff, Anwältin
Schließlich der Schock: Aufzeichnungen lieferten den Beweis, dass die Tochter vom eigenen Vater sexuell missbraucht wurde. Als die Mutter ihren Mann mit den Bildern konfrontierte, habe dieser noch gedroht, dass er sie und die ganze Familie – der Angeklagte hat noch einen Sohn – umbringen werde. Bei der Polizei legte der 52-Jährige jedoch ein Geständnis ab und gab sich reumütig. „Wenn ich die vielen Einträge in ihr Strafregister sehe, stellt sich die Frage, wie es weitergehen soll“, erklärte Richter Gerhard Amend. Der Arbeiter hat zwölf Vorstrafen, darunter zwei einschlägige wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern und wegen Vergewaltigung. Die Verurteilungen liegen allerdings schon 20 und mehr Jahre zurück. Unmissverständlich machte Amend dem Angeklagten jedoch klar, dass er beim jetzigen Verfahren nur knapp um ein psychiatrisches Gutachten herumgekommen sei. Dann gehe es um eine dauerhafte Unterbringung in einer Therapieeinrichtung. „Ich habe einen großen Fehler gemacht, ich weiß nicht was ich mir gedacht habe“, gab sich der Vater zerknirscht.
Staatsanwalt Dr. Philipp Karr musste nicht weit ausholen. Die Schuld des 52-Jährigen im Sinne der Anklage stehe fest. Anzurechnen sei dem Angeklagten insbesondere, dass wegen seines Geständnisses der Tochter die Aussage vor Gericht erspart geblieben sei. Nicht wegzureden seien allerdings die einschlägigen Vorstrafen. Der Staatsanwalt beantragte eine vierjährige Haftstrafe. An das Leid der Tochter erinnerte Anwältin Kristina Freifrau von Imhoff , die als Nebenklägerin die Mutter vertrat. „Das Mädchen wird das schlimme Erlebnis das ganze Leben mit sich herumtragen.“ Dem Vater warf sie vor, das in ihn gesetzte Urvertrauen der Tochter auf übelste Weise ausgenutzt zu haben.
„Wenn ich die vielen Einträge in ihr Strafregister sehe, stellt sich die Frage, wie es weitergehen soll.“
Gerhard Amend, Richter
Verteidiger Till Wagler konnte und wollte dem nicht viel mehr hinzufügen. Er wies lediglich darauf hin, dass für seinen Mandanten eine Therapie gut wäre, um ihm die Chance zur Resozialisierung zu geben.
Die Kammer verurteilte den Mann zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten. „Bei Verfahren um den sexuellen Missbrauch von Kindern gibt es immer nur Verlierer“, gab sich der Richter nachdenklich. Auch in diesem Fall sei eine Familie aus der Bahn geworfen worden.