Es soll ja Menschen geben, die den Angelsport als langweilig bezeichnen, ja gar vom „Würmer-Baden“ reden. Wenn es denn so einfach wäre! Wie facettenreich dieses Hobby sein kann und wie viele Faktoren Einfluss auf den Fischbestand haben können, wird bereits nach einigen Minuten im Gespräch mit Dr. Oliver Freiburg deutlich. Seit seinem siebten Lebensjahr frönt er dieser Leidenschaft, seit vier Jahren ist er Geschäftsführer der Mainfischereigemeinschaft Lichtenfels. Von abnehmendem Enthusiasmus kann keine Rede sein.
„Gerade das Angeln in einem Fluss ist ein immerwährender Lernprozess. Einfach gesagt: Um einen Fisch zu fangen, muss man zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein und die richtige Ausrüstung dabei haben. Doch , Zeit und Ort' sind beim Angeln sich ständig ändernde Variablen, die immer neu bewertet werden müssen. Und auch dann gehört noch ein Quäntchen Glück dazu.“
Einfach gesagt ist also noch lange nicht einfach gemacht: Neben Kenntnissen über den Fischbestand, die Gewässertopografie, die Strömungsverhältnisse, Wassertemperatur, Wetter und Ausrüstung spielen noch zahlreiche weitere Faktoren eine Rolle, ehe ein freudiges „Petri Heil!“ einen kapitalen Fang besiegelt. Doch gerade dieses komplexe Zusammenspiel scheint in jüngster Zeit – auch dank eines Booms beim Fliegenfischen – wieder mehr Anhänger zu finden. Dieses Potenzial hat auch die Mainfischereigemeinschaft erkannt. In den vergangenen Jahren wurde die Zahl der Verkaufsstellen nahezu verdoppelt.
„Eines unserer großen Ziele ist es, dass sich möglichst alle heimischen Fischarten im Main wieder selbst reproduzieren.“
Martin Goller, Gewässerwart
Außerdem können Interessierte auch geführte Angeltouren buchen oder an Kursen zum Fliegenfischen teilnehmen. „Nicht zuletzt die vielen Renaturierungsmaßnahmen in den vergangenen Jahren haben dafür gesorgt, dass die Mainangelei noch abwechslungsreicher und spannender geworden ist.“
Freiburg betont aber auch, dass – neben der Hege, also dem Fischfang – und dem Naturgenuss, die Pflege der Fischbestände im rund 30 Kilometer langen Flussabschnitt zwischen Hochstadt und Ebensfeld eine der zentralen Aufgaben der Gesellschafter, aber auch ein zentrales Anliegen der allermeisten Angler sei. Überhaupt seien nämlich höchstens zehn Prozent der Fischbestände bei uns im Main durch das Angeln tangiert. Um den Bestand an Fischen zu sichern, gelte es, dieses Verhältnis auch künftig beizubehalten.
„Der Naturschutz und der Artenerhalt stehen für uns an erster Stelle, und nicht die Angler, die möglichst nur große Fische fangen wollen, die dann letztlich nur als Trophäen für Fotos herhalten müssen.“ Der Geschäftsführer und die Beiräte sowie die Leistungsträger Harald Brandner und Holger Nickel haben sich in vielen Seminaren in der Landesfischereianstalt in Starnberg fortgebildet. Weitere Lehrgänge werden folgen. Gute Hege ist nach Freiburg nur möglich, wenn man gut ausgebildet ist.
Die Erfolge können sich sehen lassen: Erstmals seit vielen Jahren wurde wieder Zanderbrut im Main gesichtet, was Insbesondere an der jährlichen Ausbringung von Zandernestern liegen dürfte, eine nicht ungefährliche, kraftraubende Tätigkeit im Januar, bei der sich die Gewässerwarte Martin Goller, Harald Brandner, Holger Nickel, Oliver Fiedler und Tobias Gutgesell immer wieder verdient gemacht haben. Dass die 1994 als ausgestorbene Quappe wieder in erheblichen Stückzahlen da ist, freut das Team ganz besonders. Auch die Bachforellenhege zeigt erste Erfolge, ebenso die Äschenhege. „In der Hege werden wir nicht ruhen“, so Freiburg, „und setzen uns immer höhere Ziele
Ebenso sei erstmals seit vielen Jahren wieder Zanderbrut unterwegs. Dafür wurden im Winter zahlreiche ausgediente Christbäume in mühevoller Arbeit im Main versenkt. Sie dienen den Fischen als Brutstätten. „Eines unserer großen Ziele ist es, dass sich möglichst alle heimischen Fischarten im Main wieder selbst reproduzieren“, sagt Martin Goller. Denn letztlich bedeute jede Besatzmaßnahme einen Eingriff in den Genpool der Fische im Main. Sprich, Fische aus dem Main sind eben am besten an dessen Verhältnisse angepasst. Dies zeige sich besonders an der guten und gesunden Hechtpopulation im Main, rund zehn Fische mit über einem Meter Länge würden im Jahr auf der Strecke zwischen Hochstadt und Ebensfeld gefangen. Ganz anders sehe es derzeit beim Aal aus. In diesem Jahr seien erstmals keine Jungaale mehr aus ihren Kinderstuben in der Sargassosee in die heimischen Flüsse zurückgewandert. „Würden wir nicht mit Aalen besetzen, wären diese vermutlich schon in einigen Jahren bei uns ausgestorben“, ist Goller überzeugt. Ein weiteres Beispiel, wie sensibel das Ökosystem Fluss sei, zeige sich seit einigen Jahren am explosionsartigen Ausbreiten der nicht heimischen Dreikantmuscheln.
Wie dies in den Griff zu bekommen sei, stehe derzeit noch in den Sternen. Freiburg und Goller hegen jedoch die Hoffnung, dass Großkarpfen und Waller diese künftig verstärkt als Nahrungsgrundlage nutzen. Schalenfunde in den Mägen der Tiere deuten dies zumindest an.
„Gerade das Angeln in einem Fluss ist ein immerwährender Lernprozess.“
Doch nicht nur die Situation unter Wasser versuchen die Mitglieder der Mainfischereigemeinschaft sowie deren Aufseher und Gewässerwarte so gut es möglich ist im Blick zu behalten. Immer wieder sorgen Müllablagerungen an Angelstellen und in Wiesen parkende Angler für Unmut. „Eine Situation, die wir künftig verstärkt im Auge behalten werden. Es kann nicht sein, dass einige wenige den Ruf aller Angler in den Schmutz ziehen“, sind sich beide einig. Keine Überraschung also, dass die Mainfischer auch ein gutes Verhältnis zu den Kanufahrern auf dem Main pflegen. „Neben den Anglern sind sie nämlich die Ersten, denen Veränderungen im und am Gewässer auffallen. Und den Kanufahrern ist genauso daran gelegen, sich in einer intakten Natur zu bewegen, wie den Anglern“, bringt es Freiburg auf den Punkt.
Die Mainfischereigemeinschaft
Die Mitglieder der Mainfischereigemeinschaft Lichtenfels sind Eigentümer des Fischereirechts im Main auf der Strecke zwischen Hochstadt und Ebensfeld, also über 30 Kilometer. Der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts gehören rund 20 Gesellschafter an, die die früheren, vereinzelten Fischrechte am hiesigen Main zusammengefasst und auf sich vereinigt haben. Sie erhalten und verwalten dieses Fischereirecht mit einem breit aufgestellten Team, mit modernen, betriebswirtschaftlichen Managementmethoden, zum Beispiel kundenorientiertem Denken, einem Tourismuskonzept, intensiver Kommunikation mit den Anglern und anderen Nutzern und Anrainern sowie unter Anwendung rechtlicher Standards. Das Fischereirecht ist Eigentum. Eigentum berechtigt, verpflichtet aber auch. Das Fischereirecht besteht deshalb auch aus zwei gleichwertigen Teilen: einem Aneignungsrecht und einer Hegepflicht.
Das Aneignungsrecht berechtigt den Inhaber oder einen von ihm benannten Dritten, die im Fluss lebenden Fische, Krebse und Muscheln zu fangen (soweit sie nicht unter Natur- oder Artenschutz stehen). Gleichzeitig ist der Fischereiberechtigte aber zur Hege verpflichtet. Ziel der Hege ist die Erhaltung und Förderung eines der Größe, der Beschaffenheit und Ertragsfähigkeit des Gewässers angepassten, artenreichen und gesunden Fischbestandes sowie die Pflege und Sicherung standortgerechter Lebensgemeinschaften. Weitere Informationen: www.mainfischereigemeinschaft.de