Vor kurzem kam ein kleiner Junge zusammen mit anderen Flüchtlingen in Redwitz an. Unter seiner tropfnassen Regenjacke hatte er nur seine Unterwäsche an. Daran erinnert sich Rosemarie Göhring sehr gut. Solche Bilder vergesse man nicht.
Organisationen wie das Rote Kreuz versuchen zu helfen, indem sie die Flüchtlinge unter anderem mit Kleidung versorgen. Rosemarie Göhring kümmert sich als Leiterin der sozialen Aufgaben um die Kleiderkammer, außerdem ist sie 2. Vorsitzende des BRK-Kreisverbands Lichtenfels.
Ziemliche Untertreibung
Die neue Situation mit einer großen Zahl von Bedürftigen stellte die Helfer in den vergangenen Monate vor neue Herausforderungen. Die eigentliche Kleiderkammer im Gebäude des BRK-Kreisverbandes in Lichtenfels reichte bei weitem nicht mehr aus, um dort Kleidung zu lagern, zu sortieren und auszugeben. Das Wort Kleiderkammer ist mittlerweile auch eine ziemliche Untertreibung. Zwei Mal in der Woche kümmern sich Freiwillige um die Kleiderspenden und müssen mittlerweile das halbe Haus dafür in Beschlag nehmen. Für die Ausgabe steht nun ein extra Raum im ehemaligen Altenheim der Maiacher Stiftung zur Verfügung. „Wir nennen es ja schon den BRK-Shop!“, sagt Göhring lachend zur Expansionsentwicklung der Kleiderkammer. Der Wunsch nach einem geeigneten Raum ist groß und absolut gerechtfertigt.
An zwei Tagen in der Woche geht es im BRK-Haus also zu wie in einem Bienenstock, danach muss alles wieder irgendwo verstaut werden. An diesen Tagen stapeln sich die Schachteln im unteren Teil des Gebäudes in Abstellkammern, im Flur, dem Treppenabsatz und den Seminarräumen.
Nicht nur Kleidung wird gebraucht
Und es sind nicht nur Kleider, die verteilt werden. In den Kisten liegen Kleiderbügel, Bettwäsche, Handtücher, Spielsachen, Koffer, Fahrradhelme, Federmäppchen und vieles mehr. Gebraucht werden im Moment mehr Koffer, Rucksäcke und Taschen (vor allem für die Schule), Kinderwagen, Kleiderständer (für die Ausgabe), Malbücher und Schulsachen wie Stifte und Blöcke. Manchmal seien auch schon kuriose Spenden eingegangen, erzählt Göhring: „Zum Beispiel ein Gebiss.“
Gisela Schardt koordiniert die Arbeit. „Das erste Mal, wenn die Leute hier sind, fühlen sich die Leute erschlagen“, beobachtet sie. Viele Spenden seien in jüngster Zeit eingegangen, entweder über die Container, die Klappe in der Wand der Kleiderkammer oder sie sind direkt in der Geschäftsstelle abgegeben worden.
Die Helfer sind fast nur Frauen, Rentner, aber auch Jüngere mit Kindern.“
In zwei Räumen wird vorsortiert nach Kleidung für Herren, Damen und Kinder. Im nächsten Schritt wird genauer hingeschaut: „Winter, Sommer, Herren, Babys, Frauen, Größen – wird alles getrennt“, so Schardt. Sie betont, wie wichtig es sei, sich auf die Mitarbeiter verlassen zu können. Zu viele Fehler beim Sortieren halten alle zu lange auf. Und so gehen manche Kisten aus der Ausgabehalle wieder Retour, weil sie falsch beschriftet sind und der Inhalt für andere Ausgaben bestimmt ist, zum Beispiel direkt in der Berufsschule.
Kaputte und sehr dreckige Kleidung landet in einem Container, der sie nach Bayreuth bringt, wo sie in den Reißwolf kommt. „Etwa 20 Prozent macht das aus“, erläutert Göhring. Manches müsse aber auch dazu gekauft werden, Unterwäsche zum Beispiel. Von Spenden besorgt Göhring die benötigten Kleidungsstücke.
Starke Männer willkommen
Nach einem Aufruf an die Bevölkerung gibt es im Moment viele helfende Hände. Anfangs packten sieben Freiwillige mit an, mittlerweile sind es 42. „Die Helfer sind fast nur Frauen, Rentner, aber auch Jüngere mit Kindern“, so Göhring. Alle arbeiten ehrenamtlich, auch Göhring und Schardt. Über die wenigen Männer freut man sich besonders, denn die Kisten sind zum Teil groß und schwer.
Flüchtlinge als Helfer
Unter den Helfern sind zwei junge Männer, die selbst vor einigen Monaten als Flüchtlinge in Lichtenfels angekommen sind: Amadu Abdulai Sow aus Sierra Leone und Justin Auslem aus Nigeria. Seit etwa drei Monaten helfen sie bei der Kleiderkammer mit, erzählt der 24-jährige Sow. Die Arbeit dort mache ihm Spaß.
Der Zusammenhalt unter den Helfern, sei wichtig, so Schardt. Immer wieder kämen die Helfer bei Kaffee und Brötchen zusammen: „Wir werden bestens versorgt.“ Mit den Autos bringen die Helfer die Schachteln in die Ausgabestelle im ehemaligen Altenheim, wo etwa alle drei Wochen Ausgaben für Flüchtlinge stattfinden.
Für alle Bedürftigen hat die Ausgabe am letzten Freitag im Monat geöffnet. Neuankömmlinge werden natürlich sofort mit dem Nötigsten versorgt, bekommen Kleidung und Handtücher – so wie der kleine Junge in Redwitz.