Am 24. Dezember wird der Christbaum aufgestellt – so ist es Brauch. Doch wer hält sich heutzutage überhaupt noch daran? Und wie lang bleibt der Baum traditionell in der Stube stehen?
Alle Jahre wieder um diese Zeit halten Christbäume Einzug in unsere Wohnzimmer. Die einen stellen das gute Stück erst traditionell am Heiligen Abend auf und schmücken es. Die anderen nehmen es nicht so genau und platzieren ihren Baum schon Tage oder sogar Wochen vor dem 24. Dezember in der Stube. Doch wie gehört?s sich? Gibt?s überhaupt richtig und falsch? Und woher kommen die Weihnachtsbäume, die bei uns seit dem 1. Advent angeboten werden.
Unsere Spurensuche führt zunächst auf den Parkplatz des Fachmarktzentrums in Lichtenfels. Dort verkauft Sebastian Schettel aus dem Remitzhof bei Steinwiesen seit dem 3. Dezember Christbäume.
„Zu 90 Prozent wollen die Leute Nordmanntannen. Unsere kommen aus Dänemark und halten lange die Nadeln.“
„Zu 90 Prozent wollen die Leute Nordmanntannen. Unsere kommen aus Dänemark und halten lange die Nadeln“, weiß der Christbaumverkäufer. Sicher habe man auch fränkische Tannen aus dem Frankenwald, alle frisch geschlagen, sogar die zwölf Meter hohe Fichte im Einkaufsmarkt stamme daher. Die Tendenz gehe heuer zu einem langen und schmalen Baum, an heimische Tannen oder Fichten sei die Kundschaft nicht interessiert. Das Geschäft laufe mäßig, der milde Winter sei daran schuld.
Familie Dimitri aus Lichtenfels hat sich gerade eine kleine Nordmanntanne ausgesucht. Sie kamen aus Russland, sind evangelisch und feiern die Christnacht wie alle Christen in Lichtenfels. Die Lichter am Baum im Wohnzimmer werden nach der Christandacht angezündet. Doch einem Unterschied gibt es: Dort, wo sie herstammen, kommt der Weihnachtsmann (Ded Moroz - „Väterchen Frost“) erst am 31. Dezember und bringt die Geschenke. Die Kinder brauchen aber nicht so lange warten, sie werden wie alle in Lichtenfels auch am Heiligen Abend beschert.
Szenenwechsel: Auf dem Edeka-Parkplatz in Creidlitz ist beim Christbaumverkauf allerhand los. Hier bedient Palogiewitz Bartek die Kunden. Der Umsatz sei gut, seit zwei Wochen stehe er mit seinen Bäumen hier auf dem Platz. Seine Erfahrung ist: „Die meisten Bäume gehen zwischen dem 18. und dem 24. Dezember weg.“ Familie Rohr aus Ebersdorf schwärmt für kleine Nordmanntannen. In diesem Jahr ist sie 1,20 Meter hoch und kostet 32 Euro. Der Baum komme schon jetzt ins Wohnzimmer, in der Regel schon viel früher. „Schließlich wollen wir etwas von dem teuren Bäumchen haben“, sagen sie.
Neben dem Verkauf auf öffentliche Plätzen boomt der Christbaumverkauf in örtlichen Gärtnereien. In Buch am Forst sucht man seit der dritten Adventswoche vergebens nach einem Christbaum. „Wir haben alle verkauft“, sagt Gärtner Meinhard Stürke. Sein Geheimnis: Die Bäume werden drei Tage vor dem elften Vollmond des Jahres geschlagen. „Vollmondbäume halten länger“, weiß der 60-Jährige, der seine Bäume im Oberen Frankenwald selber aussucht.
„Vollmondbäume halten länger.“
Meinhard Stürke, Gärtner
Ein Trend schwappt von Amerika zu uns herüber: Künstlichen Weihnachtsbäume mit Dekoration und warmer LED-Beleuchtung aus Kunststoff oder Spritzguss. In einer Minute ist der zusammenklappbare Baum aufgebaut. „Immer mehr Menschen erfreuen sich an einer makellosen künstlichen Pracht, die ihr Heim wie frisch vom Wald mit glücklichen Augen um die Wette strahlen lässt“, verspricht die Werbung. Ab 120 Euro kostet so ein „Kunstwerk“.
Aber es gibt auch Leute, die keinen Trend mitmachen. Sie wollen ihren Christbaum aus den heimischen Wäldern, unbehandelt und natürlich aufgewachsen. Aber den Baum gibt es eigentlich nicht mehr. Doch im Herzoglich-Bayerischen Forstamt Banz werden wir fündig. Betriebsleiter Sebastian Huth am Telefon: „Sie können sich selber eine Fichte aussuchen“. In der Abteilung „Vogelherd“ des 866 Hektar großen Forstgutes wachsen 120 Jahre alte Buchen. Dazwischen kleine Fichten, die sich versamt hatten. „Wir pflanzen hier keine Bäume“, sagt der Diplomingenieur für Wald- und Forstwirtschaft. Naturverjüngung, keine Monokulturen sei das Waldbauprinzip.
Duft nach Moos und Wald
Unser Baum steht am Rande des Forstweges im Distrikt Steglitz. Er misst 1,80 Meter und hat an drei Seiten gleichmäßige Zweige. Die vierte ist etwas schütter, da sich die Fichte eng an die Nachbarbäume lehnte. Doch schon auf der Heimfahrt duftet der Baum nach Moos und Wald. Und das Gedicht von Rainer Maria Rilke kommt in Erinnerung: „Es treibt der Wind im Winterwalde die Flockenherde wie ein Hirt, und manche Tanne ahnt, wie balde sie fromm und lichterheilig wird“. Allein auf die Flockenherde müssen wir wohl in diesem Jahr verzichten.
Bleibt zum Schluss die Frage, wann man ihn wieder abbaut. Auch darauf hatten die Lichtenfelser eine Antwort: „Am 2. Februar, also zu Mariä Lichtmess. Dann ist der liturgische Weihnachtsfestkreis beendet“. Es geht aber noch extremer: Christbaumverkäufer Bartek hat die Antwort parat: „Eine Kundin hat mir einmal erzählt, sie und ihr Ehemann bauen den Christbaum jedes Jahr zu ihrem Geburtstag ab – und der ist Anfang März“.
Der Großteil der Deutschen jedoch, und da sind sich Verkäufer und Brauchtums-Experten einig, lässt seinen Baum wahrscheinlich bis zu den Heiligen Drei Königen am 6. Januar stehen. „Recht viel länger überlebt er es vermutlich eh nicht“, scherzt der Christbaumverkäufer. „Bei den hohen Raumtemperaturen heutzutage.“