Schicht um Schicht bildeten Musik, Poesie und ein guter Schuss Humor einen köstlichen Erich-Kästner-Abend. Die Kirsche auf der Torte: Kästners Texte auf Fränkisch und Hessisch. Das hätte ihm wahrscheinlich gefallen, sagte er doch „Satire darf alles, nur nicht sterben.“ Rund 150 Leute waren vergangenen Sonntag in das Stadtschloss gekommen, um Kästners Poesie wiederzuentdecken, eigentlich „wiederzusehen“ in einer Erich-Kästner-Revue.
Denn zusammen mit Tanja Schaller und Thomas Schimmel vereinte und umgarnte Krebs Kästners Texte mit Musik. Der Pianist Schimmel vertonte einige Texte, aber auch autonome Musik wie Smetanas „Moldau“, Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ oder Beethovens „Neunte Symphonie“ wurde an einen passenden Platz gerückt. Die verschiedenen Instrumente, meist gespielt von Schaller und Schimmel, von der Ukulele bis zur Piccolo-Flöte verliehen Kästners Poesie leuchtende Farben. Ein Akkordeon ist ja wie gemacht für Kästners schelmische Reime!
„Wir sind so frei“, lautete das Motto des Trios. Und so wagten sie es tatsächlich, Kästners Texte in fränkischer Sprache wiederzugeben. Welch‘ herrlicher Einfall! „Ein Beispiel von ewiger Liebe“, konnte man so von Krebs auf Hessisch erleben, während Schaller „Die Fabel von Schnabels Gabel“, frankonisierte. Die Fakten über Erich Kästner lieferte der Schriftsteller selbst in seinem Gedicht „Kurzgefasster Lebenslauf“: „Nun bin ich etwa 31 Jahre und habe eine kleine Versfabrik. Ach, an den Schläfen blühn schon graue Haare, und meine Freunde werden langsam dick“, schrieb er.
„Zusammenfassend lässt sich sagen: Ich kam zur Welt und lebte trotzdem weiter“, rezitierte Krebs, dessen Vortrag immer von seiner klaren Artikulation und ausdrucksreichen Mimik lebte. Aber Kästner erzählt in seinen Gedichten nicht nur von sich selbst. Es sind oft kleine Geschichten, die in Reimform erzählt, oft zunächst konventionell scheinen und dann ein überraschendes Ende nehmen.
„Zusammenfassend lässt sich sagen: Ich kam zur Welt und lebte trotzdem weiter.“
Erich Kästner
Ironie und Satire sind Kästners beste Zutaten. Wie etwa die Marionettenballade, die über ein vergnügliches Schäferstündchen am Strand erzählt, das nach der Entdeckung durch den Ehemann wenig heiter endet: „Nahm er sein Schießgewehr – junger Mann lebt nicht mehr.“ Diese Wendung sieht man lange nicht kommen. Auch Kästners schlüpfrige Gedichte kamen nicht zu kurz. Manch einer im Publikum schaute ein bisschen pikiert ob der sexuellen Komponente im kästnerschen Werk.
Etwas braver als andere Verse, aber mit Offenbachs „Cancan“ hübsch untermalt, rezitierte Krebs aus dem „Abendlied eines Kammervirtuosen“: „Komm wie ein Cello zwischen meine Knie, und lass mich zart in deine Seiten greifen. Lass mich in deinen Partituren blättern. (Sie sind voll Händel, Graun und Tremolo.)“
Aber auch die Ironie des Alltags durfte bei Kästner nicht fehlen, wie etwa das Gedicht über den Pechvogel, der immer wieder feststellen muss: „Wenn irgendwo ‘ne Tür zufällt, hab ich die Finger drin!“ Ein weiterer Klassiker: „Der Handstand auf der Loreley“. Die musikalische Version des bekannten Loreley-Liedes (Musik: Friedrich Silcher, Text: Heinrich Heine) mit Ukulele und Flöte muss man gehört haben.
Manche Zuschauer besuchten am Tag zuvor schon den Joachim-Ringelnatz-Abend in der Alten Darre. „Ringelnatz und Kästner kamen sich an diesem Wochenende schon sehr nahe“, meinte Schaller, denn tatsächlich sind sich die Zeitgenossen und beide in Sachsen geborenen Humoristen nie begegnet. „Satire darf alles, nur nicht sterben“, sagte Kästner einst. Dass seine Satire, sein Werk bestehen, zeigte dieser Abend. Viele waren gekommen, um seine Texte zu hören. Sehr organisch und stimmig wirkte das Programm von Krebs, Schaller und Schimmel, was gut in einem Wort zusammengefasst werden kann: „Gelungen“, befand nämlich eine Zuschauerin.