Das mit den Schwarzgrannen ist ein gehöriger Bluff. Von wegen dunkle Tiere. Die Kaninchen, die da in ihren Käfigen im frischen Stroh mümmeln, sehen eher wie Schneehasen aus. Das soll schwarz sein?! „Ja, ja, aber die Spitzen des Fells, die sogenannten Grannen, die sind dunkel.“ Sagt Egon Haselmann, 63 Jahre alt und in Lichtenfels eine Züchterlegende.
Dann ist da noch die Sache mit dem neuen Rammler. Genauer gesagt: der Rammler aus Oberviechtach. Das klingt ja mal kernig, draufgängerisch. Haselmann hat von dem Zuchtwunder auf vier Pfoten schon in höchsten Tönen gesprochen. Aber jetzt im Stall, direkt neben dem Wohnhaus: Wer ist von all den Kaninchen vor der Kamera so richtig schüchtern? Wer verzieht sich zur Sicherheit mal lieber ins hinterste Eck? Der Rammler aus dem bayerischen Wald, der bei den Lichtenfelser Stallbunnies aus dem Hause Haselmann den Ton angeben und für Nachwuchs sorgen soll.
„Sie sind absolut sozial verträgliche Tiere mit einem sehr sanften Charakter.“
Egon Haselmann, über seine Kaninchen
Der 63-Jährige zeigt deshalb gleich zur Ehrenrettung den Leistungsbeweis und holt ein Neugeworfenes aus dem Stroh. Das hebt in der Handfläche zitternd und noch mit geschlossenen Augen das Schnäuzchen. Also doch, der Rammler aus dem finstren Wald ist ein echter Kerl. Auf Wikipedia ist zu erfahren, dass seine Vorfahren einst im Dienst des Sozialismus entstanden. Schwarzgrannen waren besonders in der DDR und der Tschechoslowakei beliebt.
In Bayern hielten sie spätestens nach der Wende als Ostimport ihren Siegeszug. Siegeszug im wahrsten Sinne des Wortes für Egon Haselmann: Der wurde 2010 mit vier von den possierlichen Tieren glatt Landesmeister. Der größte Erfolg des heimischen Züchters.
Sozialistische Vergangenheit hin oder her: Schwarzgrannen sind, wie alle Kaninchen, nicht gerade geborene Klassenkämpfer. „Sie sind absolut sozial verträgliche Tiere mit einem sehr sanften Charakter“, sagt der Züchter. Kaninchen zählen zur Familie der Hasenartigen. Den Hasen als Symbol zu Ostern, den findet der Lichtenfelser sehr passend.
Für den Nachbarjungen Joshua und Enkelin Maya zählen weniger Symbole oder Titel. Auch wenn natürlich die Trophäensammlung im Haus Haselmann nicht nur für Kinderaugen recht imposant ausschaut.
„Das Fell ist so superweich“, meint die Zehnjährige, die vom großväterlichen Streichelzoo „Mümmelmann“ mehr als begeistert ist. Der sechsjährige Josua kommt ebenfalls immer gerne zu Besuch. Egon Haselmann nimmt sich gerne die Zeit, um Kindern die Welt der Langohren zu erklären. Schließlich hatte er als selber als Junge sein Herz für die „possierlichen Tiere“ entdeckt. Damals, in den 1950-er Jahren, dienten Stallhasen und Kaninchen zur Aufbesserung des Speiseplans. „Zucht als Hobby, das begann erst gut 30 Jahre später im Verein Lichtenfels-Burgberg“, erzählt Haselmann, der sich heute als Kassier auf Vereins- und Kreisebene engagiert.
Das mit dem Speiseplan bleibt immer so ein Thema bei vielen Züchterfamilien. „Ab und an landet natürlich noch eines meiner Tiere im Ofen“, sagt der Züchter fast entschuldigend. Tochter Silke Stibitz, die gerade mit ihrer Maya zu Besuch ist, rollt immer noch ein wenig mit den Augen.
„Als Kind hab ich das nicht so toll gefunden, wenn ein Kaninchen aus dem Stall auf den Teller gewandert ist“, erinnert sie sich an die eine oder andere Träne aus Kinderzeiten.
Tiere hoppeln in ganz Deutschland
Vielleicht gibt der 63-Jährige deswegen nicht einmal dem Rammler aus Oberviechtach einen Namen. Ein wenig Distanz schadet nicht. „Im Sommer hab ich bis zu 40 Tiere in meinen Ställen und im Auslauf“, erklärt er.
Ein schönes Leben sollen die Vierbeiner bei ihm haben, verspricht er. Nicht so, wie es bei der Massentierhaltung zugeht. Da kann selbst einem sanftmütigen Züchter die Hutschnur hochgehen. „Das ist unglaublich, wie da Kaninchen und Hasen gequält werden. Muttertiere werden da zu wahren Gebärmaschinen.“
Kommt der Frühling, wird der Auslauf im Garten Haselmann aufgebaut. Inklusive Schutz gegen Raubvögel. Dass der so unbedingt notwendig ist, bezweifeln zwar Frau und Tochter augenzwinkernd. Aber Züchter Haselmann geht auf Nummer sicher. Überraschungsangriff aus der Luft: ausgeschlossen.
Schließlich will er, dass seine Tiere weiterhin Preise holen und in ganz Deutschland hoppeln. Denn bei Schauen sind seine Kaninchen bei anderen Züchtern gefragt. Auch die vier Tiere, die den Bayerntitel holten, wurden noch bei der gleichen Schau verkauft. „Nur der eigene Stamm, der muss immer erhalten bleiben“, sagt der Züchter. Ab und an kommt dann ein neuer Rammler ins Spiel, wie der Mümmelmann aus Oberviechtach. Sein Vorgänger ist übrigens auch noch im Stall. Derzeit jedoch arbeitslos. „Aber die Bratpfanne droht ihm nicht“, lacht Haselmann. Er wird bei einem anderen Züchter für neue, kleine Schwarzgrannen sorgen.