Der Firmengründer ist 1987 verstorben, mit 52 Jahren viel zu früh. Darum hat der Orthopädieschuhmachermeister Georg Skotnica nicht mehr erlebt, dass seine Tochter Viola und sein Schwiegersohn Karlheinz Wirth zusammen seinen großen Traum wahr gemacht haben: „Ein Haus, in dem alles angeboten wird“ – so beschreibt Karlheinz Wirth die Wirth GmbH.
Sukzessive haben die beiden die Firma erweitert, um Orthopädie-Technik mit Prothesen, Orthesen und Stützmiedern, um das Sanitätshaus mit Bandagen, Kompressionsstrümpfen, Gehstützen und Brustprothetik und zuletzt um die Reha-Hilfsmittel mit Rollatoren, Alltagshilfen und Rehabetten. „Viele Kunden brauchen eine Versorgung in verschiedenen Bereichen. So müssen sie nicht zu drei oder vier Anlaufstellen, sondern haben einen Ansprechpartner für alles“, erklärt Viola Wirth.
Mit dem Angebot ist der Platzbedarf gewachsen – sowohl für den Laden als auch für Beratungsräume und in der Werkstatt. Zumal auch die Mitarbeiterzahl gestiegen ist. „1982 sind wir im Pabstenweg eingezogen, mit vier Mitarbeitern. Wie soll der gleiche Platz für die heute 35 Mitarbeiter reichen?“, fragt der Geschäftsführer. 900 Quadratmeter hatte das Unternehmen am alten Standort zur Verfügung. Eine Erweiterung war nicht mehr möglich.
Schon vor zweieinhalb Jahren fassten die Wirths deshalb das Gebäude ins Auge, in das sie jetzt umgezogen sind: Robert-Koch-Straße 4, dort, wo früher das AWG-Mode-Center untergebracht war. Jetzt kann sich die Firma auf 1700 Quadratmetern ausbreiten. Statt vier Beratungszimmern stehen neun zur Verfügung. Und die sind geräumiger als früher: Wo die Prothesen angepasst werden, sind beispielsweise eine kleine geneigte Strecke mit Handlauf und ein paar Stufen zum Testen angelegt worden. Und wo Gipsverbände abgenommen werden, können die Kunden auch eine Dusche zum Reinigen nutzen.
Statt mehrerer Ladenräume wartet jetzt ein großer auf Kundschaft, so dass die Möglichkeit zu einer übersichtlicheren Präsentation besteht. Und auch die Mitarbeiter in der Werkstatt freuen sich über mehr Platz. Dazu kommt Barrierefreiheit, die Karlheinz Wirth, wenn auch unfreiwillig, nach einem Unfall auf der Baustelle gleich selbst ausgetestet hat.
Die beiden Geschäftsführer freuen sich über die Parkplätze vor der Tür. Am alten Standort gab es die zwar auch, aber die Kunden mussten sie sich mit den Patienten der nahe gelegenen Arztpraxen teilen. Und durch die Parkuhren standen sie immer unter Druck, erinnert sich Karlheinz Wirth. Der Umzug in die Robert-Koch-Straße ist nicht der erste in der Geschichte des Unternehmens, die 1959 begann: Damals gründete Schuhmachermeister Georg Skotnica den Betrieb in einem Hinterhof am Marktplatz von Lichtenfels. Zuerst produzierte und reparierte er hier Schuhe. Aber schon fünf Jahre später legte er die Meisterprüfung in Orthopädie-Schuhtechnik ab.
„Viele Kunden brauchen eine Versorgung in verschiedenen Bereichen. So müssen sie nicht zu verschiedenen Anlaufstellen, sondern haben einen Ansprechpartner für alles.“
Viola Wirth, Geschäftsführerin
„Es war damals schon klar, dass die Weichen so gestellt sind“, erklärt Viola Wirth: Von der Schuhmacherei allein konnte man auf Dauer nicht mehr leben. Dazu kam, dass sich die Orthopädie in der Nachkriegszeit erst so richtig entwickelte, fügt ihr Mann an – wegen der vielen versehrten Veteranen. Heute sind es in erster Linie Erkrankungen wie Diabetes und Arthrosen oder Unfallfolgen, die orthopädische Hilfsmittel notwendig machen, verdeutlicht Karlheinz Wirth.
Aber egal, ob es um Sportverletzungen oder die Folgen von Krankheiten geht: „Wir sind immer bemüht, eine gute Lösung zu finden“, betont Viola Wirth, die genau wie ihr Mann Orthopädieschuhtechnikermeister ist und sich im Betrieb auch um Marketing und Kundenservice kümmert, während Karlheinz Wirth den kaufmännischen Bereich abdeckt und in der Kundenberatung tätig ist. „Wobei ich auch nach wie vor an der Maschine stehe, wenn was ist. Ich bin gerne bei den Kunden draußen. Das ist das Schönste für mich“, betont der Geschäftsleiter.
Man nimmt es ihm sofort ab, wenn er versichert, dass er sich nach wie vor keinen anderen Beruf vorstellen könnte. Das muss wohl vererbt sein, ist er doch in der siebten Generation Schuhmacher. Die Handwerksdynastie wird aber wohl mit den beiden enden: Der Sohn erfüllt sich seinen Kindheitstraum und studiert Wirtschaftsingenieur für Eisenbahnwesen, die Tochter Medizin. „Aber wir haben so ein tolles Team, so tolle Mitarbeiter, auch junge Leute, da ist es uns nicht bange, dass es weitergeht“, versichert Viola Wirth.
Stolz auf Mitarbeiter
Ohne ihre Mitarbeiter, so betont die 48-Jährige, wäre die positive Entwicklung des Unternehmens nicht möglich gewesen. Mitarbeiter, die sich einbringen, die sich auch weiterbilden, um sowohl technisch auf dem neuesten Stand zu sein als auch die gestiegenen Anforderungen der Krankenkassen erfüllen zu können. Dass die Wirth GmbH mit 50 Prozent Mitarbeiterinnen in der Werkstatt auch die Frauenquote erfüllen würde, kommentieren die beiden Geschäftsführer mit einem Lächeln. „Für uns ist die Eignung das Entscheidende, nicht das Geschlecht. Das würde auch keinen Sinn machen“, erklärt Karlheinz Wirth. Vielleicht, so merkt er an, ist es für sie auch deshalb so selbstverständlich, weil Viola Wirth selbst auf der Meisterschule war, damals noch als einzige Frau unter lauter Männern.
Neben dem Ehepaar arbeiten zwei weitere Meister – in Orthopädietechnik – im Betrieb; jeder Bereich hat seinen eigenen Bereichsleiter. Momentan lernen hier auch drei Auszubildende in den verschiedenen Gewerken, im Herbst kommt ein vierter dazu.
Damit haben sie dann so viele Auszubildende in der Werkstatt wie schon lange nicht mehr, fehlt es doch gerade im Handwerk an Nachwuchs. Dabei handelt es sich um interessante Berufe, findet Viola Wirth, gerade durch die Kombination mit Technik und Computerarbeit. „Wir geben unsere Begeisterung fürs Handwerk gerne weiter“, betont die Geschäftsführerin. Aber auch, weil es nötig ist, um den eigenen Bedarf zu decken. Und der ist da: „Wir würden uns sogar wünschen, zwei Jahre weiter zu sein“, gesteht ihr Mann mit einem Lächeln ein.
Der Blick voraus ist wichtig. Man muss sich damit auseinandersetzen, was die Zukunft bringt, meint Viola Wirth. Die Kunden ändern ihr Einkaufsverhalten; sogar ein Orthopädie-Vollanbieter wie die Wirth GmbH bekommt die Auswirkungen des Online-Handels zu spüren. Aber es nütze nichts zu jammern oder zu versuchen, die Zeit aufzuhalten. Deshalb werde in ihrem Bereich die Spezialisierung wichtiger: auf alles, was eine persönliche Anpassung braucht, fachmännische Beratung und Know-how. Und das wiederum für jede Generation – vom Baby, das eine Spreizhose benötigt, bis zum Senioren, der zu Hause gepflegt werden möchte.
Seit den Anfängen im Hinterhof ist die Wirth GmbH beständig gewachsen und hat dabei auch den Mut zum Risiko gehabt, das jede Investition bedeutet. Viola Wirth: „Natürlich gab es Rückschläge, aber wir haben daraus gelernt, immer nach vorn geschaut und den nächsten Schritt gewagt.“ Und so letztlich den Traum ihres Vaters Wirklichkeit werden lassen.
Neugierig geworden? Die Wirth GmbH lädt an diesem Freitag und Samstag, 1. und 2. April, von 8.30 bis 18 Uhr zum Tag der offenen Tür ein.