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MICHELAU: Wenn aus Patienten Freunde werden

MICHELAU

Wenn aus Patienten Freunde werden

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    Kennen und vertrauen sich seit vier Jahrzehnten: Alfred Backert, Hausarzt Dr. Roland May und Josef Persak.
    Kennen und vertrauen sich seit vier Jahrzehnten: Alfred Backert, Hausarzt Dr. Roland May und Josef Persak. Foto: M. Drossel

    Es gibt Tage, die vergisst man nie wieder, so tief haben sie sich ins Gedächtnis eingebrannt. Dr. Roland May hat viele solcher Tage erlebt. Beispielsweise, als er als Notarzt zum schweren Verkehrsunfall zwischen Lettenreuth und Weidhausen gerufen wurde – und er eine der vier Toten persönlich sehr gut kannte. Oder auch, als ein kleiner Junge beim Fußballspielen in den Mühlbach stürzte und von den Helfern nur noch tot geborgen werden konnte. „Komme ich an den Unglücksstellen vorbei, sind die Bilder plötzlich alle wieder da“, sagt er leise. Da war aber auch die Hausgeburt der kleinen Simone – ein ganz besonderer, zauberhafter Moment. Seit vier Jahrzehnten ist Dr. May nun schon Allgemeinarzt in Michelau. 40 Jahre, in denen aus vielen Patienten nicht nur gute Bekannte und Vertraute, sondern oftmals auch Freude wurden.

    Dass er einmal als Facharzt für Allgemeinmedizin in der Korbmachergemeinde landen würde, hatte der junge Dr. May selbst nicht auf der Rechnung. „Eigentlich wollte ich ja Chirurg werden, am Klinikum Erlangen“, sagt der gebürtige Burgellener, der in (Bad) Rodach bei Coburg aufgewachsen ist. Er grinst verschmitzt. „Bis mich der Gagel-Hans überredete.“ Dieser – seines Zeichens Zweiter Bürgermeister von Michelau – lag nämlich, vor etwas mehr als vier Jahrzehnten, im Krankenhaus Lichtenfels. Da, wo der junge ambitionierte Dr. Roland May zu dieser Zeit Dienst tat. „Und er erzählte mir, dass in Michelau zwei Hausärzte aus Altersgründen aufhören würden. Dass man dringend einen Nachfolger suche.“

    „Eigentlich wollte ich ja Chirurg werden, am Klinikum Erlangen.“

    Dr. Roland May über seine früheren Pläne

    Damals wohnte May noch im Schwesternhaus neben dem Klinikum. Mit Michelau verband ihn rein gar nichts. Und trotzdem rückte er von seinen Plänen ab, nach Mittelfranken zu gehen. Er entschied sich für das Hausärzte-Dasein – und hat es nie bereut.

    „An meinen allerersten Tag, an den 1. April 1976, erinnere ich mich noch ganz genau.“ Vor Roland Mays geistigem Auge werden wieder Erinnerungen lebendig. Neben ihm sitzt Josef Persak, dessen Grinsen immer breiter wird. May erzählt: „Ich hatte meine Praxis in der Gagelstraße. Punkt 7.30 Uhr sperrte die Vermieterin die Tür zur ersten Sprechstunde auf. Als ich dann um 8 Uhr kam und ins Sprechzimmer lugte, saß da wirklich schon jemand.“ Es war der 33-jährige Postbeamte Persak aus Trieb, der vom neuen Arzt gehört hatte. Dessen bisheriger Hausarzt aus Altersgründen die Praxis geschlossen hatte. Und der jenen Dr. May eh schon kannte: „Als Student hat er bei uns in der Post Pakete sortiert.“

    Es waren taube Finger, die May und Persak dieses zweite Mal zusammenführten. Der Hausarzt wusste Rat, verschrieb ein Armbad. Bald waren die Beschwerden passé, der Postbeamte hochzufrieden – und er blieb dem Doktor nunmehr schon 40 Jahre treu. Seit Jahrzehnten verbinden den 71-jährigen Arzt und seinen 73-jährigen Patienten freundschaftliche Bande, seit Jahrzehnten schätzt man sich, vertraut man sich vieles an – und ist natürlich „per Du“. Letzteres ist für den beliebten Mediziner aber keine Seltenheit, sondern eher Usus: „ich bin mit der Hälfte meiner Patienten per Du.“

    Die Feuerwehr half beim Hausbau

    Mays offene, ehrliche und direkte Art half ihm, schnell in Michelau Fuß zu fassen. Dank der Mundpropaganda wuchs der Patientenstamm schnell. Der Doktor half den Michelauern, die Michelauer halfen dem Doktor. Beispielsweise, als er nach zwei Jahren von der Gagelstraße in die Alte Schulstraße umziehen wollte. „Wir von der Feuerwehr sind die direkten Nachbarn. Wir bauten zu diesem Zeitpunkt unser Feuerwehrhaus, und da halfen wir auch auf der Baustelle beim Doktor. Es bot sich eben an“, sagt Alfred Backert. Er ist Mays zweitlängster Patient. Die Erkrankung seines Sohnes führte Backert damals in Mays Praxis. Mittlerweile zählen alle Familienmitglieder zu den „Stammkunden“. Der Umzug in die neuen Räume erfolgte damals ganz nach Roland-May-Manier: schnell, direkt, schnörkellos – und effektiv. „Um 18 Uhr behandelte ich noch Patienten in der Gagelstraße. In der Nacht des Gründonnerstags 1978 schafften wir alles in die neuen Räume.“

    Manchmal haderte Dr. May ein wenig mit seinem besonderen Los. „Als Hausarzt ist man Tag und Nacht erreichbar“, erklärt er. Vor allem, wenn man sein Wohnhaus nahtlos an die Praxis anbaut – und zwischen den Eingangstüren keine fünf Meter liegen.

    Als Hausarzt durch und durch konnte Roland May zu keiner Zeit aus seiner Haut. „Ich war und bin 24 Stunden am Tag für Wehwehchen jeglicher Art bei meinen Patienten zuständig. Für Verletzungen ebenso wie bei Ehekrach, finanziellen Engpässen, Nachbarschaftsstreitigkeiten oder Problemen mit den Kindern.“ Der 71-Jährige hat immer ein offenes Ohr.

    Als erster Notarzt im Landkreis

    Dr. Roland May war auch der erste Mediziner, der für das Bayerische Rote Kreuz einen geregelten Notarztdienst im Landkreis versah, 20 Jahre lang. Noch heute ist er als BRK-Chefarzt verantwortlich für die ehrenamtliche Ausbildung. May ist eine Koryphäe, eine Institution, man schätzt und wertschätzt ihn. Dennoch wird er diesen Posten im Jahr 2017 abgeben, in jüngere Hände. Die Suche nach einem Nachfolger läuft auf Hochtouren. Gleiches gilt für den Vorsitz des ärztlichen Kreisverbands, dem May zwei Perioden vorstand.

    „Opa im Einsatz“

    Wehmütig blickt der May auf den 1. Oktober. „Dann bin ich 72 Jahre alt, dann gebe ich meine kassenärztliche Zulassung zurück.“ Der Entschluss steht fest, ist unumstößlich. Seine Tochter Judith übernimmt die Praxis. Und auch, wenn auf dem roten Auto des 71-Jährigen längst „Opa im Einsatz“ steht: Er kann nicht komplett ohne sein Ärztedasein. „Ich bleibe dem Praxisteam als Assistent erhalten. Und ich würde mich freuen, wenn mich der ein oder andere noch braucht.“

    Die Familie der Tochter und er werden dann auch die Wohnhäuser tauschen, Roland und Liane May ziehen an den Ortsrand. „Das ist schon im Laufen, geschieht nach und nach. Die ersten Bilder sind abgehängt.“ Er hält kurz inne, sagt dann: „Ich hatte immer gedacht, es wäre ein schöner Moment, doch es ist schwer, loszulassen.“ Vielleicht aber werden ihn die vier Enkel auf andere Gedanken bringen, um die er sich dann noch mehr, ganz verstärkt, kümmern will. Nicht mehr als Arzt im Dauerdienst, sondern als das, was der Aufkleber auf dem Autoheck schon sagt: als „Opa im Einsatz“.

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