Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Obermain
Icon Pfeil nach unten
Lichtenfels
Icon Pfeil nach unten

LICHTENFELS: „Fußball ist wichtig wie Brot“

LICHTENFELS

„Fußball ist wichtig wie Brot“

    • |
    • |
    Junge Frauen präsentieren hier kurz vor dem Auftakt der Fußball-EM mit ihren Kostümen die Farben der Teilnehmerländer.
    Junge Frauen präsentieren hier kurz vor dem Auftakt der Fußball-EM mit ihren Kostümen die Farben der Teilnehmerländer. Foto: Jens Büttner/dpa

    Fußball ist die „schönste Nebensache der Welt“. Fußball ist ein Weltsport. Überall wird er nach den gleichen Regeln gespielt. Dennoch weiß jedes Land andere Geschichten über den Fußball zu erzählen. Diese Redaktion befragte Mitbürger mit ausländischen Wurzeln zum Thema Fußball und Europameisterschaft. Wir kamen ins Gespräch mit Menschen, die in Rumänien, Polen, Italien, Frankreich und der Türkei geboren sind, aber im Landkreis Lichtenfels ihre Heimat gefunden haben. Santo Rigatuso steht in seinem Lichtenfelser Restaurant „Pizzeria Sicilia“ und zögert. Er möchte eigentlich nicht mit dem Reporter sprechen, gleich kommen die Gäste und dann wird er gebraucht. Ob er nicht vielleicht doch ein paar Worte sagen will, zur Europameisterschaft und zum Fußball allgemein? „Die beste Mannschaft muss gewinnen“, sagt er. „Ich wünsche mir Italien gegen Deutschland im Finale.“ Der Deutsch-Italiener lehnt sich an seine Bar.

    „Das Spiel der Italiener gegen Belgien war sehr gut. Wir haben Respekt vor Belgien, viele Italiener arbeiten dort. Es war wie ein Freundschaftsspiel.“ Und Santo Rigatuso, der erst nichts sagen wollte, beginnt nun zu erzählen: von seinem Geburtsland und der Politik und dem Nationalsport. „Fußball ist wichtig wie Brot. Kein Brot zu Hause ? - macht nichts. Aber Fußball muss.“

    Fußball als Türöffner

    Während der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland hieß das Motto der Gastgeber „Die Welt zu Gast bei Freunden“. Auch Santo Rigatuso lebte das Motto. Zum Finale trafen sie sich in seiner damaligen Pizzeria, Deutsche und Italiener, und er hat Pizza ausgegeben und Bier und Wein. Bei der Erinnerung muss Santo Rigatuso lachen: „Wir haben zusammen gefeiert,“ sagt er lapidar. Patrick Sartre aus Niederau, einem Ortsteil von Ebensfeld, hat hingegen die „Tür“ zum Fußball vor einigen Jahren zugemacht. Der gebürtige Franzose schaute sich früher gerne Fußballspiele an. Inzwischen aber sagt er, der Profifußball habe für ihn „seinen Charme verloren.“ Warum? „Es ist wahnsinnig viel Geld im Spiel. Das Spiel mag schön sein – aber verbandsintern gibt es zu viel Lügerei.“ Diesen Gegensatz verkörpere der ehemalige französische UEFA-Präsident Michel Platini: „Er war ein superguter Spieler. Jetzt sitzt er fast im Gefängnis.“

    Patrick Sartres Bruder wohnt noch in Frankreich. Er zeige sich seinem Bruder gegenüber begeistert von der Europameisterschaft. „Die Stimmung in Paris ist gigantisch. Es herrscht ein großes Fieber, alle freuen sich total“, erzählt Sartre. Haben die Leute keine Angst vor dem Terror? „In Deutschland ist die Angst sehr, sehr stark. Die Menschen in Frankreich sind zwar auch vorsichtig, aber sie haben wenig Angst. Dort gibt es seit Jahren Anschläge.“

    Fußball als Ausweg

    Viele Einwandererfamilien leben in Frankreich unter sich in den Vororten der Großstädte. Für die Kinder und Jugendlichen sei der Weg von dort in die Mitte der Gesellschaft ein weiter. So mancher Nationalspieler sei ihn erfolgreich gegangen. „Viele Fußballspieler sind richtige Helden für die Jugend“, sagt Sartre.

    Ganz andere Eindrücke als Sartres Bruder schildern die Freunde des gebürtigen Rumänen Christian Rus, der seit 2012 in Lichtenfels lebt. Sie waren für das Eröffnungsspiel vom Obermain nach Frankreich gereist und wollten ursprünglich länger bleiben. Cristian Rus hat sich danach mit ihnen unterhalten. „Alle sind besoffen, es herrscht Chaos,“ hätten ihm die Freunde gesagt. Deshalb hätten sie ihre restlichen Tickets verkauft und seien nach Hause geflogen. „Fairplay!“, sagt Rus dann im Gespräch mit uns. Darum gehe es doch, auch in den Straßen und unter den Fans.

    Wie wichtig ist Fußball für seine alte Heimat Rumänien? Cristian Rus grinst: „Sehr wichtig. Fußball ist erster Platz.“ Für diese Europameisterschaft rechnet er mit Italien im Finale – und einer Überraschungsmannschaft. „Wie Griechenland 2004. Das war schön. Immer Deutschland und Spanien ist langweilig.“ Trotzdem drückt er den Deutschen genauso die Daumen wie den Rumänen, auch wenn er nur noch zwei bis drei Spieler kennt: „Die Mannschaft ist neu, mit vielen jungen Spielern.“ Wenn er Zeit hat, schaut er die Spiele beim Public-Viewing am Lichtenfelser Marktplatz. „Das letzte Mal war viel los, das war schön“, sagt Cristian Rus.

    Auch Barbara Held schätzt die Lichtenfelser Fanmeile als Versammlungsort. Die gebürtige Polin betreibt mit ihrem Mann das Eiscafé am Markt in der Korbstadt. Ihr Arbeitsplatz liegt also ganz nahe zur Leinwand.

    „Mein Mann und meine Tochter sind auf der deutschen Seite, ich auf der polnischen. Bei einem Null zu Null wird keiner traurig.“

    Barbara Held, gebürtige Polin

    Während des ersten Spiels der deutschen Mannschaft sei sie noch ein wenig enttäuscht gewesen von der Stimmung. „Es war ein bisschen zu ruhig, auch wegen des Regens. Deutschland schießt das Eins zu Null“, beschreibt Barbara Held und hebt die Arme und jubelt: „Jaaa!“ So sähe gute Stimmung aus. Sie lacht. Wem sie die Daumen drückte, als Deutschland gegen Polen spielte? „Mein Mann und meine Tochter sind auf der deutschen Seite. Ich bin auf der polnischen Seite. Bei einem Null zu Null wird keiner traurig.“ Für das nächste Spiel hat ihr Sohn sie nach Coburg eingeladen. Barbara Held strahlt jetzt: „Mein jüngster Sohn, mein ältester Sohn und ihre deutschen Kumpels: Wir schauen alle zusammen. Das ist immer lustig.“

    Polens Nationalmannschaft wird von Robert Lewandowski angeführt, der bei Bayern München spielt. „Die besten Fußballer in Polen werden überallhin verkauft“, sagt Barbara Held. „Es geht ums Geld. Die Fans in Polen freuen sich über die guten Spieler – wenn sie gehen, sind sie traurig.“ Wer weg möchte vom Fußball als Geschäft, der ist in der Jugendarbeit am besten aufgehoben. Über die Jugendarbeit im Fußball hat Ahmed Peker viel zu erzählen. Der aus der Türkei stammende Lichtenfelser sitzt an einem Tisch in seiner Dönerbude in der Mainau. „Die deutsche Jugendarbeit ist weltweit die beste“, sagt Peker und blickt auf seinen Enkel, der neben ihm steht. „Er ist fünf Jahre alt und spielt schon in einem Verein.“

    Ahmed Peker ist im Alter von vier Jahren nach Deutschland gezogen. Er hat viele Jahre in der Region Fußball gespielt. Sein Sohn Tayfun spielt aktuell für den TSV Staffelstein – in der Türkei wäre das so nicht möglich, sagt der Vater: „Dort haben nur die Vereine der ersten zwei, drei Ligen eine Jugendabteilung. Einen Verein mit einer Jugendabteilung wie beim FC Lichtenfels gibt es dort nicht.“

    Fußball und Talent

    In der Türkei treffen sich die Kinder auf eingezäunten Kunstrasenplätzen, die überall in den Städten zum Spielen einladen. Mit organisierten Jugendlichen wie in Deutschland sei das nicht vergleichbar, sagt Peker weiter. Nur die größten Talente hätten die Chance, von einem Scout für die Jugendabteilung eines großen Vereins entdeckt zu werden.

    Die Unterschiede in der Jugendarbeit wirken sich auch auf die Nationalmannschaften aus, meint Peker. In der türkischen Mannschaft fänden sich zwar viele Kämpfer, aber die Disziplin ließe zu wünschen übrig. Ganz anders als in Deutschland: „Von klein auf“ würden Nachwuchsspieler hier Disziplin lernen. Ahmet Peker zur Frage nach dem kommenden Europameister: „Deutschland ist Favorit“.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden