Georg Meißner rumpelt durch das Paradies. Während der vergangenen Tage hat es viel geregnet, heute aber scheint die Sonne auf den Trampelpfad entlang des Baggersees Oberwallenstadt. An einer knöcheltiefen Furche passiert es: Das rechte Rad von Meißners Handbike bleibt stecken. „Können Sie mir mal kurz helfen?“, fragt er. Dann rumpelt er weiter die Wiese entlang.
Auf dem Pfad der Flechtkultur sind auch heute einige Menschen unterwegs. Die Touristen des nahegelegenen Campingplatzes wandern hier ebenso wie die Einheimischen. Aber nicht für jeden ist der Weg geeignet: Mit Rollstuhl, Rollator, Gehhilfen, Kinderwagen oder Stützrädern am Fahrrad ist der Pfad an zwei Passagen nur schwer zu bewältigen.
Um das zu ändern, hat Georg Meißner, der Behindertenbeauftragter des Stadtrats ist, Anfang 2015 einen Antrag bei der Stadt eingereicht. Die Verbindungen zwischen Baggersee und Weidenlabyrinth sowie zwischen Flussbad und Obi-Parkplatz sollen auf 1,50 Meter Breite ausgebaut werden. Dafür soll die Wiese zunächst ausgehoben, dann mit Steinen und Kies aufgefüllt und anschließend planiert werden. Damit wäre der Weg barrierefrei.
„Jeder soll die Natur hier genießen können.“
Georg Meißner, Stadtrat
Am 24. März 2015 wurde über den Antrag im Bauausschuss beraten. „Jeder fand die Idee gut“, sagt Erster Bürgermeister Andreas Hügerich im Gespräch mit dieser Redaktion. Deshalb wurde der Antrag damals auch nicht abgelehnt, sondern zurückgestellt. „Das Bauamt hatte einfach andere Prioritäten: die Gewerbe- und Wohngebiete.“
Im Januar reichte die SPD-Fraktion dann einen eigenen Antrag ein, der eine Aufwertung des gesamten Gebiets am Baggersee vorsieht. „Dort wird der Weg auch thematisiert“, so Hügerich. Nun wird ein Gesamtkonzept erstellt, das viele Fragen beantworten soll: Wie kann das Gelände grundsätzlich aufgewertet werden? Müssen neue Parkmöglichkeiten geschaffen werden – und, wenn ja, wo? Und eben auch: Wie soll der neue Weg aussehen und wo soll er entlangführen? Dabei muss laut Andreas Hügerich der Hochwasserschutz beachtet werden.
Georg Meißner fährt weiter am Ufer des Baggersees entlang. Seit seinem Unfall vor 18 Jahren ist er an den Rollstuhl gebunden. „Allein die Atmosphäre hier“, sagt Meißner, „wunderschön.“ Sein Arm beschreibt einen Halbkreis vom Campingplatz über den kleinen „Karibikstrand“ bis hin zum Trampelpfad, der entlang des Seeufers führt. Es brummt und summt und zwitschert am See, das Schilf biegt sich im Wind. „Ich komme mit meinem Handbike schon durch, auch wenn es mich ganz schön durchstaucht“, erklärt er. „Aber es geht ja nicht um mich. Jeder soll die Natur hier genießen können.“
„Einfach nicht begehbar“
An einem Steg spielen zwei Kinder. Mutter und Opa sitzen auf einer schattigen Bank und schauen ihnen zu. Ein Mann löst sich aus der Gruppe und läuft Georg Meißner entgegen. „Herr Meißner, grüß Gott, darf ich mal etwas anbringen?“, fragt Georg Engels und fährt gleich fort: „Ich bin fast täglich hier. Der Trampelpfad ist doch keine Lösung. Für viele Leute ist er einfach nicht begehbar“, schimpft der Rentner. „Es muss doch ein Wille da sein, hier was zu ändern.“
Insgesamt sechs Grundstücksbesitzer würde der Ausbau nach den Plänen von Georg Meißner betreffen. Mit der Deutschen Bahn wollte die Stadt sprechen, von den fünf Privateigentümern hat Meißner vier bereits für ein Gespräch getroffen. Eine Eigentümerin ist dafür sogar extra aus München angereist. „Alle sind grundsätzlich bereit, einem Ausbau des Weges zuzustimmen“, fasst Meißner die Gespräche zusammen.
Karin und Gerhard Lanitz verbringen ihren Urlaub fast jedes Jahr am Campingplatz „Maincamping“. Gerade sind sie auf dem Rückweg von einer Wanderung. „Uns gefällt die Gegend richtig gut, wir kommen sehr gerne hierher“: Karin Lanitz stützt sich beim Reden auf ihre Nordic Walking-Stöcke, die Spitzen bohren sich in die weiche Erde. „Aber das hier ist kein schöner Weg, das muss man schon sagen.“
„Kein schöner Weg“
Ein paar Schritte weiter führt der Pfad der Flechtkultur auf eine befestigte Straße, die sich am Weidenlabyrinth vorbeischlängelt bis zum Main. Dort finden Spaziergänger ein Flussbad mit Grillplatz und Volleyballfeld vor. „Früher war hier mehr los“, meint Georg Meißner. Den Weg von hier Richtung Innenstadt würde Georg Meißner ebenfalls gerne ausbauen lassen. „Gerade bei Regen und in den Folgetagen ist es ganz schlimm, hier zu laufen“, findet Karin Ament. Mit ihrem Hund spaziert sie regelmäßig auf dem dicht bewachsenen Pfad zwischen Obi-Parkplatz und Flussbad. Sie kennt die Tücken für Spaziergänger: „Mit dem Kinderwagen ist der Weg unbegehbar“, sagt sie. „Barrierefrei ist der Pfad jedenfalls nicht“, stellt Georg Meißner heraus.
Bürgermeister Andreas Hügerich fürchtet, dass ein planierter Kiesweg im Überschwemmungsgebiet an diesem Umstand nur kurzzeitig etwas ändern würde: Hochwasser könnte den Weg abtragen oder uneben machen. „Am Ende ist der Weg dann trotz der Baumaßnahmen nicht barrierefrei“, äußert er seine Bedenken. Hügerich hält einen geteerten Weg für die bessere Alternative. Möglicherweise wird der Weg dann nicht mehr direkt am See entlang verlaufen, weil er dort mitten durch die Liegewiese führt. Es wird überlegt, den Weg außen vorbei zu führen.
Im Herbst wird das Thema im Stadtentwicklungsausschuss noch einmal behandelt. „In den Haushalt kommt es frühestens 2017“, macht der Bürgermeister wenig Hoffnung auf eine schnelle Lösung. „Wir können es nicht in zwei Monaten aus dem Ärmel schütteln.“
Zwischen 60 000 und 70 000 Euro würde der Umbau nach den Plänen von Georg Meißner kosten. „Für solche Projekte gibt es Zuschüsse“, sagt der Stadtrat. Er ist sich sicher, dass die Kosten für die Stadt somit nicht hoch ausfallen würden. „Ich werde immer wieder darauf angesprochen.“ So auch von Marianne Müller. Die Rentnerin „geht auf die 90 zu“. Spaziergänge auf dem Trampelpfad meidet sie, denn sie läuft mit Rollator. „Es wäre schön, wenn da endlich was gemacht wird.“