Er steckt mit seiner guten Laune andere gerne an. Seine 79 Jahre Lebensalter sieht man ihm nicht an. Er spricht elf Sprachen und hat die ganze Welt gesehen: Seit mittlerweile sechs Jahren kommt Marcel Derksen de Leuw zum Schützen- und Volksfest an den Obermain, um im Biergarten zu kellnern. Der Sohn einer Französin und eines Niederländers, der in Hamburg wohnt, hat sich während der zehn Tage Rummel auf dem Schützenanger nicht weit vom Festplatz in eine Wohnung eingemietet. „Knusperhäuschen“ nennt er seine vorübergehende Unterkunft.
Im Biergarten des Schützenfestes, wo bis in die Nachtstunden hinein tausende Menschen bierselig bei Blas- oder Partymusik miteinander plaudern und feiern, teilt sich der gebürtige Duisburger mit 20 weiteren Männern und Frauen den Servicedienst.
Marcel Derksen hat in Lichtenfels viele Stammgäste. Tobias Heinlein und Daniel Ivascenko, die beiden Geschäftführer der Kronacher parti GmbH, wissen um die Popularität ihres Mitarbeiters. Sie planen den drahtigen Mann als Mitarbeiter während des Schützenfestes fest ein.
Marcel Derksen sieht man an, dass er seinen Job gerne macht. „Mir macht die Arbeit Spaß. Mir macht es besonders viel Spaß, unter netten Menschen zu sein“, sagt der 79-Jährige. Die Menschen am Obermain sind für ihn angenehme Zeitgenossen. Er fühle sich in Lichtenfels sehr wohl. „Das ist ein wahnsinnig nettes Völkchen hier“, sagt er. Die Leute seien so, wie er auch. Bodenständig, nicht abgehoben.
„Gastronomie ist Unterhaltung“
Marcel Derksen legt viel Wert auf guten Service. Dazu gehört auch, positive Stimmung zu verbreiten. „Ein Lächeln hilft immer weiter“, lautet eines seiner Mottos. Der gelernte Bäcker, der sich in Amerika als Butler ausbilden ließ, ist seit vier Jahrzehnten in der Gastronomie tätig und er ist nach wie vor gefragt, wie er sagt. Er hat in Nobel-Hotels gearbeitet, Staatsoberhäupter und Regierungschefs bedient. Er hat die ganze Welt gesehen.
„Gastronomie ist Unterhaltung“, sagt der Mann mit dem freundlichen Gesicht. Der Gast habe Anspruch auf eine freundliche Bedienung. Als Mitarbeiter im Biergarten des Schützenfestes ist Marcel Derksen Teil eines Teams, das gut funktionieren muss, um die Gäste zufrieden zu stellen. Niemand soll zu lange auf seine Maß oder andere Bestellungen warten müssen.
„Wir verstehen uns sehr gut“, sagt Marcel über seine Kolleginnen und Kollegen vom Service-Team. Ganz besonders gut verstehe er sich mit Oberkellnerin Cordula, eine „witzige Person“, wie er sagt. Sein Freund Nobby arbeitet auch mit ihm zusammen im Biergarten. Mit ihm fährt er sogar gemeinsam in den Urlaub. „Gute Freunde zu haben, mit denen man gut auskommt, ist für mich Lebenselixier“, sagt Derksen. Während der Hälfte des Jahres lebt der rastlose Mann außerhalb seiner Heimatstadt Hamburg. Im Februar/März beginnen die diversen Volksfeste, bei denen er arbeitet. Dazu kommen weitere Aufträge bei Promi-Feiern. Auslandsreisen gehören ebenfalls nach wie vor zum Jahresablauf.
„Ein Lächeln hilft immer“
Marcel Derksen de Leuw, gelernter Butler und Kellner (79)
Seit einem Treffen mit dem Scheich der Vereinigten Arabischen Emirate in Hamburg vor etlichen Jahren gehört Dubai zu den regelmäßigen Reisezielen des Hamburgers. Derksen hatte den hohen Gast aus dem Wüstenstaat in der Hansestadt als Gästeführer begleitet. Darauf folgte eine Gegeneinladung und eine engere Freundschaft.
Nach seinem Arbeitseinsatz in Lichtenfels fliegt der 79-Jährige nach China. „Schuld daran“ ist seine chinesische Ziehtochter, die er in Hamburg betreut hatte, als sie in der Hafenstadt zu arbeiten anfing. Daraus sei dann nicht nur eine schöne Freundschaft entstanden, sondern auch ein chinesisches Buchprojekt mit ihm als Hauptperson. „Die Autoren haben einen Deutschen gesucht, mit dem sie die deutsche Nachkriegsgeschichte, aber auch sein Leben im Alter darstellen wollten. Sie haben mich ausgesucht“, sagt Marcel Derksen. Das Buch, seine Biografie, werde Anfang nächsten Jahres in Hongkong in Druck gehen.
Arabien und Fernost sind nur ein Teil von dem, was Marcel Derksen in seinem mehr als abwechslungs- und ereignisreichen Leben zu Gesicht bekommen hat. Nachdem er die Lehre als Bäcker, Feinbäcker und Konditor absolviert hatte, war er als junger Mann 15 Jahre Steward auf verschiedenen Schiffen, die die Weltmeere befuhren. Sesshaft ist der 79-Jährige nie geworden. Bei Koblenz versuchte sich Marcel Derksen später als Disko-Betreiber. Er heiratete. Drei Kinder wurden geboren, eine Tochter und zwei Söhne. Die Ehe ging leider schief. Das rastlose Leben ging weiter.
Auszeit in Brasilien
In Brasilien nahm sich Marcel Derksen nach seiner Scheidung eine Auszeit. Danach kehrte er nach Deutschland zurück. Er leitete bei BMW den VIP-Service. Bei einem Bremer Großgastronomen wurde er Butler. In Nobel-Hotels wie zum Beispiel Kempinski, Atlantic und Bayerischer Hof kellnerte er. Dort kam er immer wieder Promis nahe. „Putin, Schröder und Kohl habe ich bedient“, sagt er. In der Gastronomie ist er geblieben, bis heute. Elf Sprachen spricht der 79-Jährige: Deutsch, Französisch, Flämisch, Englisch, Spanisch, Portugiesisch, Schwedisch, Norwegisch und Italienisch. Beim Interview in einem Eiscafe in Lichtenfels unterhält er sich mit der aus Brasilien stammenden Pächterin in deren Heimatsprache, als wäre es das Einfachste von der Welt. Marcel Derksen wird so lange weiterarbeiten, bis es nicht mehr geht. „Ich kann nicht aufhören, zu arbeiten. Ich habe es probiert. Es geht einfach nicht “, sagt der 79-jährige. Er sei ein Ruheloser. Ohne Arbeit würde er verrückt werden.
Service-Team im Biergarten Die parti GmbH in Kronach beschäftigt während des Schützenfestes 2016 für den Service im Biergarten 21 Männer und Frauen, so Geschäftsführer Tobias Heinlein. Es seien etwa je zur Hälfte Männer und Frauen. Das Team arbeitet ansonsten hauptsächlich bei Festen im fränkischen Raum. In der Regel melden sich die Kellner und Kellnerinnen, die interessiert sind, von selbst. Die Service-Kräfte werden dann nach Erfahrung und Eignung ausgesucht. Die Service-Kräfte werden nach Provision bezahlt, also nach der Zahl der verkauften Maß Bier.