Von diesem Sonntag an fahren wieder planmäßig Züge zwischen Bamberg und Lichtenfels (das OT wird darüber noch berichten). Die Wiederinbetriebnahme der Strecke gibt Anlass, auf ihre Eröffnung vor 170 Jahren zurückzublicken.
Am 21. Januar 1846 erreichte der erste von einer Lokomotive gezogene Zug, von Bamberg kommend, die Station Lichtenfels – wo die Fahrt zwangsläufig endete. Denn erst ein Dreivierteljahr später, im Oktober 1846, wurde das anschließende Stück der Ludwig-Süd-Nord-Bahn in Betrieb genommen, das bis Neuenmarkt reichte.
Über die Jungfernfahrt berichtete am 22. Januar 1846 eine Bamberger Zeitung: „Gestern Vormittags wurde die Eisenbahnstrecke zwischen hier [= Bamberg] und Lichtenfels zum ersten Male mit Dampfkraft befahren. Dieser Fahrt, welche ganz vortrefflich ausfiel und der Solidität des Baues das beste Zeugniß gibt, wohnte ein Theil des Bahnbau- und Bahnbetriebs-Personals bei.
Zur Rückfahrt wurden 45 Minuten verwendet. Schon am kommenden Montag soll der Transport des Bahnbau-Materials nach den oberen Bau-Abtheilungen und am 15. Februar der vollständige Betrieb auf dieser Strecke beginnen.“ Der ersten Fahrt mit Lokomotive waren am 10. und 11. November 1845 Probefahrten vorangegangen, bei denen man Pferde vor die Waggons spannte.
Die feierliche Eröffnung folgte, wie geplant, am 15. Februar 1846: Gezogen von der Lokomotive „Wallenstein“, fuhr am Morgen ein Zug von Lichtenfels nach Bamberg. Diese Lok stammte aus dem Jahr 1845; sie war ein Werk der Karlsruher Maschinenfabrik Keßler und war bis 1885 im Einsatz.
Auf der Rückfahrt, an der als Vertreter der bayerischen Staatsbahn der Bamberger Bahninspektor Dr. Georg Heinrich Bernhard Löhner (1804–1864) fungierte, kam die Lokomotive „Peter Henlein“, die aus der Fabrik von Joseph Anton Maffei in München stammte, zum Einsatz.
Damit begann der regelmäßige Bahnverkehr zwischen Bamberg und Lichtenfels, der wohl erst 2016, nach 170 Jahren, für über ein halbes Jahr unterbrochen war. Die Einweihung im Jahr 1846 verlief unspektakulär. Ganz anders war die Übergabe der Strecke Nürnberg–Bamberg zwei Jahre zuvor ausgestaltet gewesen: Damals hatte als staatlicher Repräsentant der bayerische Finanzminister Karl Graf von Seinsheim (1784–1864) teilgenommen, und Hunderte von Amtsträgern und Honoratioren waren als Gäste geladen. Wie die Eröffnung in Lichtenfels verlief, wissen wir nicht. Es ist lediglich bekannt, dass vom Oberen Torturm zwei große bayerische Fahnen wehten.
„Wieder sehen wir Feuerschlünde dieses von Gott gesegnete Thal durchziehen, aber wir begrüßen sie mit Jubel.“
Wilhelm Schellerer, Stadtschreiber Bad Staffelstein im Jahre 1846 zur Einweihung der Bahnlinie
In Staffelstein hielt der einflussreiche Stadtschreiber Wilhelm Schellerer eine ausgeklügelte Rede, in der er eine gewagte rhetorische Brücke zwischen den Napoleonischen Kriegen und dem Bahnbau schlug: „Auf derselben Stelle, wo wir hier stehen, empfingen wir vormals – freilich sehr unwillkommen – die Feuerschlünde des gallischen Despoten, – jeden Augenblick bereit, ihr Mordgeschoß gegen die zu richten, die sich seinem eisernen Gesetze nicht beugten.“ Gemeint waren die Kanonen des französischen Heeres. „Wieder sehen wir Feuerschlünde dieses von Gott gesegnete Thal durchziehen, aber wir begrüßen sie mit Jubel.“ Jetzt bezeichneten die „Feuerschlünde“ den Schornstein der Dampflok.
In Bamberg, wo die Lokomotive „Wallenstein“ um 6.45 Uhr morgens in den mit weißblauen Fahnen geschmückten Bahnhof einfuhr, hatten sich keine Schaulustigen eingefunden. Die frischen Krapfen, die der dortige Bahnhofswirt an diesem Tag anbot, dürften auf mehr Interesse gestoßen sein.
In Bamberg war man aber – wie eine dortige Zeitung bemerkte – „das Pfeifen der Lokomotiven schon gewöhnt“. Schließlich war die Linie von Nürnberg nach Bamberg als erstes Teilstück der Süd-Nord-Bahn bereits im August 1844 eingeweiht worden.
Obwohl der Bahnanschluss einen Meilenstein in der Geschichte der Stadt Lichtenfels darstellte, wurde das 50jährige Jubiläum nicht begangen. Man hatte 1896 irrtümlich den 15. März für den Eröffnungstermin angesehen und den tatsächlichen Jahrestag darüber versäumt.
Ein Jahrzehnt später, am 19. Februar 1906, fand hingegen ein Festabend statt, an dem die Militärkapelle aus Coburg konzertierte und der Bankier Gottlieb Bauer (1832–1907) sowie der Vorsitzende des Gemeindebevollmächtigtenkollegiums, der Kaufmann Nikolaus Schmidt (1837–1932), Toasts auf „die guten Beziehungen zwischen Eisenbahn und Stadt“ ausbrachten. Bauers Ansprache gipfelte in dem Satz: „Lichtenfels ist seit dem 60jährigen Bestehen der Eisenbahn vornehmlich in den letzten 30 Jahren, ein Handels- und Verkehrsplatz geworden, in welchem Wohlstand und Bürgerglück eingezogen“.
Gedicht zur Bahneröffnung Am 25. Januar 1846 veröffentlichte eine Bamberger Zeitung ein Gedicht auf die Eröffnung der Bahnstrecke Bamberg-Lichtenfels, das vermutlich ein – namentlich nicht genannter – Lichtenfelser verfasst hatte: „Gefeßelt ist der Fuß, das Auge starret Dem Südwest zu, und athmenlos man lauscht/Ob sich nichts reget noch; die Menge harret/Des Wagenzuges Ankunft. Fernher rauscht/Ein dumpfes Dröhnen. Sieh! wie sich dort zeiget/Ein dunkelfarb?ger, nebelgleicher Strich,/Der einer ries?gen Wetterfahne gleichet!/Ein weithin schall?nder Ruf erhebet sich,/Dem Angstschrei gleichend eines Ungeheuers, Das stöhnend sich mit dumpfem Brausen naht;/Die Esse sprühet Garben flüß?gen Feuers,/Und polternd kreis?t mit Windes-Eil? das Rad./Und stattlich fliegt in nie geahnter Schöne/Ein bunter Wagenzug in hoher Pracht/Heran: des Staunens, der Bewunderung Töne/Erstehen jubelnd, rühren uns mit Macht./Ein unbeschreiblich Hochgefühl durchglühet/Mit stolzer Freude des Beschauers Brust./Begeist?rung ist?s, die aus dem Auge sprühet, Das Herz erfüllt mit unnennbarer Lust!“