
Ja sie waren da. Zum ersten Mal in Oberfranken vor fast vollbesetztem Haus im Lichtenfelser Stadtschloss. Der „Bairisch Diatonische Jodelwahnsinn“ jauchzt und jodelt, was das Zeug hält und und lässt sein Publikum jubeln.
Gleich zu Anfangs frotzelt das Trio frisch von der Leber weg: „Wir sprechen heute wegen Euch 'schriftbayrisch', damit man keinen Simultanübersetzer braucht. „Egal ob Ihr evangelisch, katholisch oder vegetarisch seid, Ihr Lichtenfelser kriegt heut' von uns endlich mal den richtigen Senf dazu.“
Bissiger Humor und leise Poesie
Und eine philosophische Veranstaltung wird es sowieso, sinnieren die Künstler. Sie erklären, wie der Jodler eigentlich entstanden ist. Ist er ein Freuden- oder Schmerzensschrei? Wahrscheinlich erfunden von Zimmerleuten, die den Nagel nicht getroffen haben.
In eine Schublade lässt sich die Musik- und Kabarettgruppe nicht stecken. Bissiger Humor und leise Poesie mit hintergründigen Texten wechseln sich ebenso ab, wie das Instrumentarium, das sie mit sich führen: Elektro- und Akustik-Gitarren, Geige, Tuba, eine diatonische Ziehharmonika, sogar eine Ukulele - alles dabei.
„Egal ob Ihr evangelisch, katholisch oder vegetarisch seid, Ihr Lichtenfelser kriegt heut' von uns endlich mal den richtigen Senf dazu.“
„Bairisch Diatonischer Jodelwahnsinn“, München
Um auch den schrägsten Sound auf die Spitze zu treiben, müssen Fuchsschwanzsägen als Streichinstrumente herhalten. Da wird sowohl das Trommelfell des Publikums als auch sämtliche Instrumente abwechselnd malträtiert und gestreichelt. Satirisches Musikkabarett melancholisch und frech gewürzt mit viel Sozialkritik und originellen Sounds.
Wortakrobatik pur, stimmlich auf hohem Niveau. Mal laut, mal leise. Mal grantelnd und grell, mal voller Poesie. Scharfer, schlitzohriger Wortschatz gepaart mit authentischen Kompositionen verursacht ein Wechselbad der Gefühle. Dem Lichtenfelser Publikum steht Erstaunen und Verzückung ins Gesicht geschrieben. Das Publikum ist manchmal ungläubig oder auch sehr nachdenklich und lacht dann wieder lauthals. Ovationen gibt es auch.
Sphärisch und fast psychedelisch klingt der „Cyberjodler“ nach Weltuntergangsstimmung. Wer aber nur Jodelei erwartet hat, wird eines Besseren belehrt. Jodeln wird eingesetzt, wenn es passt. Es macht die bissigen, ausgefeilten Arrangements rund, aber übertönt sie nicht.
Scharfzüngige Provokationen
Das wissen auch die Lichtenfelser zu schätzen, dankbar und hingerissen von der Gratwanderung zwischen scharfzüngiger Provokation, gepaart mit politischen Unkorrektheiten, und Anprangerung gesellschaftlicher Missstände – aber bitteschön ohne Polemik. Mit Rhythmen, wie Blues, Landler, Rumba, Tango, Sirtaki und irischem Folk und herausragender Gestik und Mimik begeistern die Gäste und sind sich für keinen Blödsinn zu schade. Ein Windrad nachahmend balanciert Otto Göttler zum Lied „Energiewende“.
Plastiktüten in allen Variationen
Sie haben Plastiktüten mitgebracht in allen Variationen. Die größte Tüte, ein schwarzer Müllsack, sei eine Basstüte und käme aus Passau: „Da hat der Seehofer seine guten Vorsätze vom politischen Aschermittwoch nei“, grölt Göttler, der bewusst am kraftvollsten aufspielt und ständig zwischen Tuba, Trompete, „Ziachkatz“ und Ukulele wechselt. Petra Amasreiter spielt virtuos an Violine und Gitarre. Wolfgang Neumann, zweiter Mann, wechselt seine Gitarren „öfters wie die Unterhosen“. Er schlägt die moderateren Töne an.
Solarbatterien statt Kuhglocken
Das Trio hält einen Spiegel vor, wenn es um Integration geht und besingt das Bedauern über den Verlust der bayerischen Heimat, Identität und Dialekte. Wenn die Sennerin die Milch im Aldi kauft, dem Münchner Snob für das Zehnfache verkauft und die Kuh auf der Alm mit GPS-Sendern aus Solarbatterien anstelle Glocken ausgestattet wird.
Auch egomanische Manager, Politiker und Banker, die Millionen verzocken, Steuerverschwendungen und Griechenlandrettungen fehlen im Repertoire nicht. Über all dem liegt ein Hauch von Schwermut und Melancholie. Das allerletzte Zugabelied heißt „Saubande – dreckige, greisliche, elendige!“