Droht der Bevölkerung im Landkreis Lichtenfels eine Unterversorgung bei Hals-Nasen-Ohren-Ärzten? Dies meint jedenfalls die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) auf Nachfrage. Einer der beiden HNO-Ärzte im Landkreis teilt diese Analyse nicht. Dennoch: Aus „Sicherheitsgründen“ läuft die Ausschreibung für einen neuen HNO-Vertragsarztsitz am Obermain.
Drohend unterversorgt ist der Landkreis laut KVB bereits seit Juni 2015. Mit momentan zwei HNO-Ärzten in Lichtenfels und in Bad Staffelstein beträgt der Versorgungsgrad mit HNO-Ärzten im Landkreis derzeit 71,3 Prozent. Für die Ansiedlung eines neuen HNO-Arztes im heimischen Landkreis hat die Standesorganisation ein spezielles Förderprogramm aufgelegt.
Die ambulante ärztliche Versorgung im Landkreis ist laut KVB derzeit insgesamt überdurchschnittlich. Außer im Bereich HNO und neuerdings im Bereich Dermatologie liege das Verhältnis Einwohner zum niedergelassenen Arzt stets über 110 Prozent. Im Februar 2016 wies eine von der heimischen Bundestagsabgeordnete Emmi Zeulner veröffentlichen Liste zur Versorgungssituation im Landkreis die höchste Quote mit 139,9 Prozent bei den Nervenärzten aus.
„Trifft kein Hautarzt die Entscheidung, sich im Landkreis Lichtenfels niederzulassen, wird kein zweiter Hautarzt im Landkreis tätig werden.“
Michael Stahn, Kassenärztliche Vereinigung Bayern
Lichtenfels und Bad Staffelstein sind die Sitze der beiden HNO-Ärzte im Landkreis. Die KVB befürchtet, dass dies nicht mehr lange so bleibt. Sie sieht seit Längerem schon Gefahr im Verzug. Nach einer routinemäßigen Analyse der Situation bei der Versorgung mit niedergelassenen Hals-Nasen-Ohren-Ärzten sei der Landesauausschuss der Ärzte und Krankenkassen bei seiner Sitzung am 1. Dezember 2016 wie schon 2015 zu der Überzeugung gekommen, dass „eine Verschlechterung der Versorgungssituation durch altersbedingtes Ausscheiden“ im Landkreis Lichtenfels zu erwarten ist.
Die Feststellung, der Landkreis sei mit HNO-Ärzten unterversorgt, löst bei Dr. Roland Pfister Erstaunen aus. Er betreibt eine HNO-Praxis in Bad Staffelstein. „Eine drohende Unterversorgung im Landkreis Lichtenfels sehe ich nicht“, sagt er. Pfister ist je nach Bedarf einen oder mehrere Tage in der Badstadt tätig.
Die KVB macht dennoch Druck: In der April-Ausgabe ihres „Forums“ wird unter der Rubrik „Versorgung fördern“ für die Stadt Lichtenfels die Niederlassungsmöglichkeit für einen HNO-Arzt dargestellt werden, kündigt sie an. Der Lichtenfelser Rathauschefs werde das Angebot kommentieren.
Der gesamte Landkreis Lichtenfels ist im Rahmen der Zulassung von Haus- und Fachärzten eine Planungsregion. Die Verteilung der Ärzte im Kreis weist – wie bereits mehrfach berichtet – ein West-Ost-Gefälle auf. Der Raum Lichtenfels, Bad Staffelstein ist mit niedergelassenen Ärzten besser versorgt.
Rein rechnerisch entfallen laut KVB auf einen HNO-Arzt bei uns genau 31664 Einwohner: Ein Arzt deckt also etwa die Hälfte der Landkreisbevölkerung ab. Rein rechnerisch reichen also die beiden HNO-Ärzte bei uns aus.
Deutlich mehr Einwohner deckt hingegen ein niedergelassener Hautarzt im Landkreis ab: 39 751 Einwohner. Dies teilt Fachreferent Michael Stahn von der KVB in München auf Nachfrage mit. Es gibt aber nur noch eine Hautarztpraxis im Landkreis, in Bad Staffelstein.
Lichtenfelser fahren nach Coburg
Der Versorgungsgrad bei niedergelassenen Dermatologen bei uns gehört mit 59,6 Prozent seit Monaten zu den niedrigsten in ganz Bayern. Anders als bei den HNO-Ärzten stuft die KVB die Versorgung der Bevölkerung mit Hautärzten jedoch nicht als gefährdet ein. Sie sieht nicht einmal eine drohende Unterversorgung, wie sie dieser Redaktion mehrfach bestätigt. Rein rechnerisch sind jetzt 26 904 der für die Berechnung angesetzten 66 655 Einwohner unseres Landkreises ohne hautärztliche Versorgung. Die Folge: Der viele Jahre in Lichtenfels praktizierende Hautarzt begrüßt etliche seiner früheren Patienten aus Lichtenfels in einer Praxis in Coburg, wo er an einem Tag in der Woche praktiziert. Nach Informationen unserer Zeitung hatte er monatelang vergeblich versucht, einen Nachfolger für seine Praxis in Lichtenfels zu finden.
Die Aussichten für einen neuen Hautarzt am Obermain sind momentan wenig rosig. Niemand habe sich bislang für die frei gewordene Planstelle beworben, so Dr. Beate Reinhardt und Dr. Peter Heinz, die regionalen Vorstandsbeauftragten der KVB in Oberfranken. Gleiches gelte für die Ausschreibung der HNO-Stelle – trotz schmackhafter Förderung. Solange sich kein neuer Dermatologe am schönen Obermain niederlassen will, wird die Hautärztin in Bad Staffelstein in dieser Region Solistin bleiben. „Trifft kein Hautarzt die Entscheidung, sich im Landkreis Lichtenfels niederzulassen, wird kein zweiter Hautarzt im Landkreis tätig werden“, sagt Michael Stahn. Dass es noch schlimmer geht, wissen die Menschen im Nachbarlandkreis Haßberge. Dort gibt es laut KVB derzeit keinen einzigen niedergelassenen Hautarzt.
Zeulner kündigt Masterplan an
Es gebe eine Vielzahl von Gründen, warum Ärzte trotz Interesse an einer Praxis in der ländlichen Region am Ende eine andere Entscheidung treffen. „Häufig wird hierbei einer größeren Stadt oder dem sogenannten Speckgürtel von Industrieregionen der Vorrang gegeben. Mitunter ergibt sich aber einfach auch eine bessere Möglichkeit, zum Beispiel im Zusammenhang mit einer Praxisübernahme bei einem ausscheidenden Kollegen“, so Reinhardt und Heinz weiter.
Rein formal steht die KVB in der Verpflichtung, die der Bevölkerung zustehende Versorgung mit Vertragsärzten zu sichern. Darüber hinaus gibt es bei uns etliche Bemühungen außerhalb des „regulären“ Wegs. Dazu gehören Weiterbildungs-Initiativen und neuerdings ein neuer Studiengang zur Arztausbildung auf Initiative von RegioMed. Die Politik mischt mit. MdB Emmi Zeulner berichtet dieser Redaktion auf Nachfrage von einem „Masterplan Medizinstudium 2020", der dieses Jahr auf Bundesebene verabschiedet werde. Darin sollen neben der Erhöhung der Medizinstudienplätze um zehn Prozent unter anderem die Landarztquote beschlossen werden. Um die Versorgung endlich nachhaltig sicherzustellen, werde man „wohl um ein deutschlandweites Ausschreibungsmodell für zu besetzende Arztsitze nicht herumkommen,“ meint die MdB
Angebote für Praxiseröffnungen am Obermain Die Angebote für eine ärztliche Niederlassung am Obermain klingen verlockend: „Durch die Förderung der KVB können Hausärzte bei einer Niederlassung oder Praxisnachbesetzung im Landkreis Lichtenfels einen Zuschuss von bis zu 60000 Euro erhalten. Darüber hinaus werden die Errichtung einer Filialpraxis einmalig mit bis zu 15000 Euro und die Anstellung eines Arztes mit bis zu 4000 Euro pro Quartal finanziell gefördert. Ärzte, die das 63. Lebensjahr bereits überschritten haben und aktiv nach einem Praxisnachfolger suchen, können für die Praxisfortführung ebenfalls eine Unterstützung von bis zu 4500 Euro für vorerst vier Quartale erhalten“, so die Kassenärztliche Vereinigung Bayern (KVB). Ähnlich üppige Zuschüsse gibt seit 2012 auch das Bayerische Gesundheitsministerium. Der Freistaat schreibt allerdings vor, dass neue Praxisniederlassungen in Orten mit weniger als 20000 Einwohnern erfolgen müssen. „Mediziner können durch ein neues Bundesgesetz eine Förderung von mindestens 4800 Euro monatlich erhalten, wenn sie ihre Weiterbildung bei einem niedergelassen Arzt absolvieren“, sagt zudem MdB Emmi Zeulner.